Nebelspalter Politbarometer

Frauen und Männer beurteilen Verkehrs­politik sehr unter­schiedlich

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs erhält breite Unterstützung, besonders bei Jüngeren und Universitätsabsolventen. Strassenbau hingegen findet vor allem bei Männern sowie FDP- und SVP-Anhängern Zustimmung. Bild: Keystone
Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs erhält breite Unterstützung, besonders bei Jüngeren und Universitätsabsolventen. Strassenbau hingegen findet vor allem bei Männern sowie FDP- und SVP-Anhängern Zustimmung. Bild: Keystone

Die Fakten: Das neue Nebelspalter Politbarometer zeigt deutliche Geschlechterunterschiede in der Verkehrspolitik. Die Kluft zieht sich auch durch Einkommens- und Bildungsunterschiede sowie durch die Parteien.

Warum das wichtig ist: Die Debatte um die Abstimmung zur Beseitigung von Engpässen auf Autobahnen hat die Verkehrspolitik in den Mittelpunkt gerückt. Die repräsentative Umfrage zeigt die Koalitionen:

  • Die Frauen koalieren um Geringverdiener und Akademiker, vertreten durch Parteien wie Grüne, SP oder GLP.
  • Ihnen stehen die Männer mit ihrer Koalition der Besserverdienenden und Berufslehrabgänger gegenüber, vertreten durch Mitte, FDP und SVP.


Kriterien für die Verkehrsmittelwahl: Die Schweizer achten bei der Wahl des Verkehrsmittels vor allem auf die Reisezeit (59 Prozent), die Flexibilität (51 Prozent), die Verfügbarkeit (48 Prozent) und die Bequemlichkeit (44 Prozent).

  • Für Männer sind diese Kriterien wichtiger als für Frauen, die ihrerseits mehr Wert auf die Umweltverträglichkeit und das Preis-Leistungs-Verhältnis legen.
     


Kriterien nach Bildung: Dieser Unterschied zwischen Männern und Frauen zeigt sich auch beim Bildungsniveau.

  • Während die Absolventen der Berufslehre und der höheren Berufsbildung die Flexibilität höher gewichten als die Umweltbelastung, ist es bei den Universitätsabsolventen umgekehrt.
     


Kriterien nach Einkommen: Das gleiche Muster, wenn auch etwas abgeschwächt, zeigt sich auch bei der Unterscheidung nach Einkommen.

  • Je höher das Einkommen, desto wichtiger ist Flexibilität. Je niedriger das Einkommen, desto wichtiger wird die Umweltverträglichkeit.
     


Kriterien nach Parteien: Die Verfügbarkeit eines Verkehrsmittels wird über das politische Spektrum hinweg als wichtig erachtet, ebenso die Reisezeit.

  • Die Umweltbelastung wird vor allem von den Anhängern der Grünen, der SP und der GLP hoch gewichtet, während Mitte-, FDP- und SVP-Sympathisanten mehr Wert auf Flexibilität und Bequemlichkeit legen.
     


Massnahmen gegen Verkehrsüberlastung: Zur Bewältigung der Verkehrsüberlastung befürworten die Schweizerinnen und Schweizer vor allem den Ausbau des öffentlichen Verkehrs (56 Prozent), gefolgt von einer Reduktion der Pendlerströme (49 Prozent) und hohen Investitionen in den Strassenbau (37 Prozent).

  • Männer stimmen dem Strassenbau, der Begrenzung der Zuwanderung und einer besseren Baustellenplanung stärker zu.
  • Frauen befürworten stärker den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Reduktion der Pendlerströme sowie Temporeduktionen.
     


Massnahmen nach Bildung: Auch hier zeigen sich Unterschiede. Je niedriger das Bildungsniveau, desto eher wird eine Begrenzung der Zuwanderung befürwortet. Umgekehrt verhält es sich bei der Temporeduktion.

  • Je höher das Bildungsniveau, desto stärker korreliert das Ergebnis mit dem der Frauen.
     


Massnahmen nach Einkommen: Je tiefer das Einkommen, desto eher wird eine Beschränkung der Zuwanderung befürwortet.

  • Das Einkommen hat einen geringeren Einfluss auf die Einstellung zu Temporeduktionen.
     


Massnahmen nach Parteien: Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs geniesst über das politische Spektrum hinweg breite Unterstützung, ist aber bei den Linken stärker verankert.

  • Dies gilt noch stärker für Massnahmen wie Mobility Pricing, ein von Bundesrätin Doris Leuthard angekündigtes Staugebührensystem, und Temporeduktionen, die beide bei den Linken beliebt sind.
  • Die Bürgerlichen sprechen sich hingegen stärker für hohe Investitionen in den Strassenbau und für eine Begrenzung der Zuwanderung aus.
     


Tempo 30 auf Durchgangsstrassen: Eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten lehnt Tempo 30 auf Durchgangsstrassen ab – Männer mehr als Frauen.

  • Besonders hoch ist die Ablehnung in den Agglomerationen (71 Prozent) und auf dem Land (65 Prozent).
  • Bei den Parteien sind es vor allem die FDP und die SVP, die sich kritisch äussern, während die Anhänger der Grünen und der SP mehrheitlich dafür sind.
     


Platzbedarf: 58 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten sind der Meinung, dass Personenwagen heute zu viel Platz auf Schweizer Strassen beanspruchen, gefolgt von Lastwagen und anderen Transportfahrzeugen (43 Prozent).

  • Frauen stören sich mehr an Personenwagen als Männer, während Männer eher ein Problem mit Skateboards, Velos und Begegnungszonen haben.
     


Platzbedarf nach Parteien: Transportfahrzeuge sind im politischen Spektrum etwa gleich beliebt. Linke Parteien stören sich eher an Privatfahrzeugen, bürgerliche Parteien eher an Skateboards, Velos und Begegnungszonen.

  • Hier zeigt sich sehr deutlich, dass links-grüne Parteien eher die Interessen der Frauen vertreten, bürgerliche Parteien eher die der Männer.
     


Umweltfreundlichkeit: Für eine grosse Mehrheit der Befragten (70 Prozent) ist die Umweltfreundlichkeit der Verkehrsmittel sehr oder eher wichtig. Bei den Frauen ist der Wert höher als bei den Männern.

  • Die Bedeutung der Umweltfreundlichkeit nimmt ab, je weiter man sich im politischen Spektrum nach rechts bewegt.
     


Sicherheit: Eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten hält Velos (53 Prozent), Autos (50 Prozent) und Skateboards (50 Prozent) für die grössten Sicherheitsrisiken im Verkehr.

  • Frauen schätzen das Risiko von Autos und Lastwagen höher ein, Männer halten Velos und Skateboards für gefährlicher.
     


Sicherheit nach Region: In der Stadt werden Autos als gefährlicher eingestuft als auf dem Land oder in der Agglomeration.

  • Skateboards werden weiter von der Stadt entfernt als gefährlicher eingestuft, in der Agglomeration sogar gefährlicher als Autos.
     


Sicherheit nach Parteien: Die Ergebnisse spiegeln sich auch bei den Parteien wider. Links-grüne Parteien sehen das Auto als grösstes Sicherheitsrisiko, bürgerliche Parteien eher Skateboards und Velos.

  • Lastwagen und Transportfahrzeuge werden von allen Parteien als ähnlich gefährlich eingestuft.
    Auch hier zeigt sich, dass die linken Parteien eher die Interessen der Frauen, die bürgerlichen Parteien eher die Interessen der Männer vertreten.
     


Verkehrspolitik der Städte: Eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung (59 Prozent) lehnt die Politik einiger Städte ab, den motorisierten Individualverkehr durch Massnahmen wie komplizierte Verkehrsführungen oder Parkplatzverbote stark einzuschränken.

  • Die Ablehnung ist bei Männern sowie bei Bewohnern von Agglomerationen und ländlichen Gebieten grösser. Auch in den kleineren Städten lehnt eine Mehrheit diese Politik ab, nur in den grösseren Städten findet sich eine Mehrheit dafür.
  • Insbesondere die Anhänger der FDP und der SVP lehnen diese Politik ab, während eine Mehrheit der Anhänger der GLP, der SP und der Grünen diese Politik befürworten.
     

Zur Studie: Die Befragung von 3'440 Stimmberechtigten wurde von Sotomo im Auftrag des «Nebelspalters» zwischen dem 8. und 14. Oktober über das Sotomo-Interviewpanel durchgeführt. Die Stichprobe wurde nach demographischen und politischen Merkmalen statistisch gewichtet. Die Ergebnisse der Umfrage sind repräsentativ für die Stimmbevölkerung der Deutschschweiz und der Romandie mit einem Fehlerbereich von 1,8 Prozentpunkten.
 

Das Nebelspalter Politbarometer

Der Nebelspalter macht regelmässig repräsentative Umfragen zu aktuellen Themen. Die Umfragen werden von den Meinungsforschungsinstituten Sotomo und Demoscope durchgeführt und sind repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung. Die Resultate werden exklusiv im Nebelspalter publiziert.
 

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