Bundeshaus-Insider

Viola Amherd tritt zurück

Mitte-Bundesrätin Viola Amherd an der Medienkonferenz vom 15. Januar 2025. Bild: Keystone
Mitte-Bundesrätin Viola Amherd an der Medienkonferenz vom 15. Januar 2025. Bild: Keystone

Die Fakten: Die Mitte-Bundesrätin gab an der Medienkonferenz vom 15. Januar ihren Rücktritt per Ende März 2025 bekannt. Sie habe die Präsidentin des Nationalrats und den Präsidenten des Ständerats entsprechend informiert.
 

Warum das wichtig ist: Der Rücktritt kommt nach ihrem Jahr als Bundespräsidentin und kurz nachdem Gerhard Pfister seinen Rücktritt vom Amt als Parteipräsident angekündigt hat.

  • In Ihrer Ansprache bedankte sich Amherd beim Bundesrat und beim Parlament, dass ihre «wichtigsten Anträge zur Stärkung der Bevölkerung eine Mehrheit gefunden haben und dass damit die schweizerische Sicherheitspolitik weiterentwickelt werden konnte».
     

O-Ton: «Damit will ich natürlich nicht sagen, dass alle Aufgaben erfüllt sind. Es wird für meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger noch genug Arbeit und Herausforderungen haben. Ich will auch nicht behaupten, dass alles perfekt gelungen ist. Aber es konnten entscheidende Weichen gestellt, Pflöcke eingeschlagen und nötige Veränderungen initiert werden.»
 

  • Insbesondere das Präsidialjahr 2024 werde ihr in guter Erinnerung bleiben: «Meine zu Beginn des Präsidialjahres formulierten Ziele konnten erreicht werden.» Sie schloss ihr Statement mit mahnenden Worten:
     

O-Ton: «Als zunehmend schwierig für unsere Institutionen, unser demokratisches System und den Erhalt der Schweizer Werte sehe ich die wachsende Polarisierung, die sich ausbreitende Gehässigkeit im politischen Diskurs und die vermehrte Durchsetzung von Partikularinteressen durch reine Machtausübung. Dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist Pflicht der Politik, der Gesellschaft insgesamt und besonders auch der vierten Gewalt.»

Auf die Rücktrittsforderungen der SVP angesprochen, antwortete sie: «Den Zeitpunkt des Rücktritts zu bestimmen ist der einzige Entscheid, den ein Bundesrat oder eine Bundesrätin selber und allein treffen kann. Ich habe das jetzt entschieden.»
 

  • Der «Nebelspalter» sprach Amherd auf ihre Aussage an, sie habe die «wichtigsten Anträge» durchgebracht und wollte wissen, ob sie die Erhöhung des Armeebudgets auf ein Prozent des BIP bis 2030 nicht als wichtigen Antrag betrachte.
     

O-Ton: «Wichtig war, dass der Entscheid gefällt wurde, die Finanzen für die Armee zu erhöhen. Das ist passiert. Ob das jetzt schneller oder langsamer geht, ist eine Beurteilungsfrage. Ich habe immer die Entscheide des Bundesrats vertreten, habe aber auch gesagt, wenn man schneller mehr Geld bekommt, kann man schneller die Fähigkeitslücke schliessen.»
 

  • Die Ersatzwahl für einen frei werdenden Bundesrat wird traditionsgemäss an der folgenden Session abgehalten, in diesem Fall an der Frühjahrssession 2025, wahrscheinlich am 12. März, dem zweiten Mittwoch der Session. Ob das nicht etwas wenig Zeit sei, einen Ersatz zu finden, wurde Amherd gefragt.
     

O-Ton: «Es ist ja nicht das erste Mal, dass es eine Ersatzwahl in den Bundesrat gibt. Die Abläufe sind klar, das muss man nicht studieren. Wenn jemand sich interessiert für diese Funktion muss man sich die Überlegungen machen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, ob man eine Woche oder zehn Wochen Zeit hat – ich glaube eine Woche ist sogar besser.»
 

  • Sie sei eine Person, die entscheidet und dann umsetzt. «Es bringt nichts, zu entscheiden und dann noch ein halbes Jahr zu warten.» Das bringe nur Unsicherheit.
  • Sie habe ihr Präsidialjahr bis am letzten Tag mit Arbeit in den Sachdossiers verbringen wollen. Das sei ihr ganz wichtig gewesen, wie sie auf eine Frage des «Nebelspalters» erläuterte.
  • Ihren Parteipräsidenten Gerhard Pfister habe sie erst kurz vor der Medienkonferenz über den Rücktritt ins Bild gesetzt.
     

Viola Amherd wurde gefragt, mit welchem Gefühl sie zurücktrete. «Mit einem Gefühl der grossen Dankbarkeit, dass ich so viel arbeiten durfte – manchmal zu viel vielleicht.»

Für die Frage nach einer Bilanz ihrer Tätigkeit im Bundesrat hielt Amherd eine Liste mit einigen Punkten bereit – vor allem die, die ihr gelungen seien. «Die Niederlagen finden Sie dann schon.»

  • Ressourcen für die Armee
  • Kommando Cyber und der Cyberlehrgang
  • Etablierung des Cyber Defence Campus bei Armasuisse
  • Verbesserung bei den Abläufen der Rüstungsbeschaffungen
  • Stärkung der internationalen Zusammenarbeit bei der Armee und beim Bevölkerungsschutz
  • Schaffung des Staatssekretariats für Sicherheitspolitik und die Integration des Bundesamtes für Cybersicherheit im VBS und die Konsolidierung dieser beiden
  • Neuaufstellung der Organisation des Bundesamts für Bevölkerungsschutz
  • Erste Sicherheitsstrategie der Schweiz
  • Stärkung der Ethik im Sport
  • Verdoppelung der Sport-RS Plätze
  • Aufnahme von Sportlern mit Behinderung in die Spitzensportförderung
  • Erhöhung der J+S Beiträgen für Sportlager
  • Schaffung von 100 zusätzlichen Stellen beim Nachrichtendienst


Was sagt sie den Befürwortern des neuen EU-Vertrags, dass sie nun zurücktritt, bevor die Botschaft zum neuen Vertrag an das Parlament übermittelt wurde?
 

O-Ton: «Ich habe mir im Präsidialjahr das Ziel gesetzt, die Verhandlungen mit der EU materiell abzuschliessen. Das ist gelungen. Ich habe mich sehr stark dafür eingesetzt. Jetzt gilt es, das noch zu formalisieren und zu unterschreiben. Ich bin ja nicht die Einzige, die findet, dass stabile, gute Beziehungen zur Europäischen Union für die Schweiz ganz wichtig sind.»

 

Auf eine «Wunsch-Nachfolge» angesprochen meinte Amherd: «Ich bin wunschlos glücklich.» Dass die Rücktrittsankündigung von Mitte-Präsident Gerhard Pfister für den Sommer 2025 ihn als Nachfolge disqualifiziere verneinte sie. «Jede Partei hat auch ein Vize-Präsidium, das die Partei für eine gewisse Zeit führen kann.» Es gebe keine Absicht hinter dem gewählten Zeitpunkt für ihren Rücktritt, ihre Nachfolge zu beeinflussen.



Kommentar von Dominik Feusi zum Rücktritt von Viola Amherd:

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