Das ist passiert: Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch ist gestern als Präsident der Rechtskommission vor die Medien getreten. Er hat angekündigt, dass seine Kommission den Bundesrat auffordern will, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu den Klimaseniorinnen nicht zu befolgen. Dieses Urteil besagt, dass die Schweiz zu wenig für den Klimaschutz unternehme.
- Die Kommission anerkenne zwar die Arbeit des EGMR und stehe hinter den Klimazielen der Schweiz, sagte Jositsch. Sie sei aber besorgt, dass der Gerichtshof mit diesem Urteil die «Menschenrechtskonvention in unzulässiger Weise überdehnt» habe.
- Es sei «nicht Aufgabe eines Gerichts, das Recht vorwegzunehmen und neue Menschenrechte zu schaffen».
- In der Erklärung, welche die Kommission mit zehn zu drei Stimmen verabschiedet hat, wird der Bundesrat aufgefordert, «sich in den zuständigen Gremien des Europarates dafür einzusetzen», dass «die Schweiz keinen Anlass sieht, dem Urteil weitere Folge zu leisten».
Der Held-Faktor: Einmal mehr beweist Daniel Jositsch sein politisches Geschick. Mit dem SP-Ständerat aus dem grössten Kanton als Fürsprecher für diese Erklärung erhält die ansonsten bürgerliche Koalition ein linkes Gesicht – und damit mehr Gewicht. So gerät ausgerechnet der neue Bundesrat Beat Jans (SP) in Bedrängnis, der das EGMR-Urteil verbal bereits mit offenen Armen begrüsst hatte.
- Jositsch zeigt bemerkenswerte Standfestigkeit, indem er sich öffentlich gegen das Urteil des EGMR stellt, das von seiner Partei praktisch unisono begrüsst wurde. Diese klare Positionierung unterstreicht sein Engagement für eine sorgfältige und ausgewogene Rechtsanwendung.
- Mit der Forderung an den Bundesrat, das Urteil des EGMR nicht zu befolgen, unterstreicht Jositsch die Bedeutung der nationalen Souveränität in Rechtsfragen. Die Schweiz tue viel für den Klimaschutz und habe ihre internationalen Verpflichtungen – insbesondere im Rahmen des Kyoto-Protokolls – stets eingehalten.
- Die Schweiz arbeite innerhalb ihrer Institutionen an der Umsetzung ihrer Klimaziele und habe im vergangenen Jahr ein neues Klimagesetz verabschiedet. Zudem habe das Parlament soeben das neue CO2-Gesetz gutgeheissen. Auch dieser Antrag für eine Erklärung folgt dem demokratischen Prozess. Diese Bemühungen stellte Jositsch geschickt dem «gerichtlichen Aktivismus» des EGMR gegenüber.
O-Ton: «Die Schweiz wurde für etwas verurteilt, was sie nicht ändern kann. Die Idee der Europäischen Menschenrechtskonvention ist es, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber ihrem Staat zu schützen. Doch selbst wenn die Schweiz alle Klimaziele erreicht hätte, würde sich am Klima nur wenig ändern.»
Anmerkung: Auch Beat Rieder, Mitte-Ständerat aus dem Wallis, verdient den Titel «Held des Tages (w/m/d)». Er hat das Anliegen in die Kommission eingebracht.

