Die Fakten: Frankreichs Staatsschuld ist auf 3100 Milliarden Euro gestiegen.
Warum das wichtig ist: Seit 50 Jahren bringt es das Land nicht fertig, einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen. Wer ist schuld? Die Politiker, die teuersten Menschen der Welt.

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Wir alle lieben Frankreich – selbst wenn dessen Bewohner uns diese Liebe mit liebenswürdiger Herablassung erwidern. Mag sein, dass wir die Bünzlisind, die sie in uns vermuten, mag aber auch sein, dass sie ahnen, dass diese Bünzli etwas richtig machen:
- Wenn die Schweizer etwas können, dann budgetieren – und das Budget einhalten
- Das gilt selbst für unsere Politiker – mehr oder weniger, seit 1990 haben sie es zwar nur in 16 Jahren geschafft, im Bundeshaushalt mit einem Überschuss abzuschliessen, aber immerhin
Wie lebt dagegen Gott in Frankreich?
In ewiger Schuld:
- Seit 1974 schrieb die Republik jedes Jahr ein Defizit
- 2023 stieg es erneut auf 154 Milliarden Euro, das ist 5,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP)
- Das Verhältnis der gesamten öffentlichen Schulden zum BIP erreicht damit den Wert von 112 Prozent

Selbstverständlich brechen damit die wahren Götter in Frankreich, die Politiker, so gut wie alle Maastricht-Kriterien, die seinerzeit festgesetzt worden waren, als man 1999 den Euro einführte, insbesondere:
- Das Defizit eines Mitgliedstaates darf nicht mehr als 3 Prozent des BIP betragen
- Der öffentliche Schuldenstand darf auf nicht mehr als 60 Prozent des BIP kommen
Ist es nicht ironisch? Auf die erste Kennzahl, die 3 Prozent, kam ausgerechnet ein Franzose, ein Staatsbeamte sogar, und darüber hinaus wurden die Kriterien nur geschaffen, um die Deutschen zu beruhigen, die sich schwer damit taten, ihre solide D-Mark aufzugeben, während die Franzosen darauf drängten, weil sie darunter zu leiden meinten.
Inzwischen halten beide Länder die Maastricht-Regeln nicht mehr ein.
- Wenn auch die Deutschen sich etwas besser im Griff haben: 66,3 Prozent beträgt ihre Schuldenquote
Dennoch steht fest: Regeln gelten in der EU wenig, sofern Frankreich und Deutschland gemeint sind.
Das ist das eine. Das andere: Wie kommt Frankreich aus diesem fünfzigjährigen Schlamassel heraus?
- Im Februar hiess es in Paris, man müsste 10 Milliarden Euro bei den Ausgaben kürzen
- Mitte März waren es bereits 20 Milliarden, von denen man sprach, geschehen ist natürlich noch nichts
Dem Vernehmen nach streitet sich Finanzminister Bruno Le Maire mit seinem Präsidenten Emmanuel Macron darüber, wie: Ausgaben herunterfahren oder Einnahmen, sprich: Steuern hinauffahren?
Wie wir, die Frankreich ja lieben, ebenso wissen: Es dürfte nichts passieren. Das Land, einst eines der reichsten des Planeten, ein tüchtiges, elegantes Königreich, das so reich war, dass es sich auch die teuersten Söldner der Weltgeschichte zu leisten vermochte, die Schweizer, und deswegen auch sehr viele Kriege: Es scheint in Unreformierbarkeit erstarrt.

Wo kommen wir da hin?
Ein Beispiel: Die Beamten.
Trotz anhaltender Misswirtschaft stellt der Staat immer mehr Leute ein.
- 2022 kamen von neuem 17 300 Beamten dazu, wie der Figaro, eine konservative Zeitung, unlängst vorrechnete
- Insgesamt arbeiten mittlerweile 5,7 Millionen Franzosen für den Staat, ob in der Pariser Bürokratie oder in den Départements, Regionen und Gemeinden.
- Das sind fast 20 Prozent aller Beschäftigten im Land (32 Millionen)
Wenn wir die Ausgaben allein dafür hochrechnen und dabei annehmen, dass jeder Beamte die Republik etwa 100 000 Euro kostet (Salär, Sozialleistungen, etc.), dann erhalten wir den gewaltigen Betrag von
- 570 Milliarden Euro
- Insgesamt gab der Gesamtstaat 2023 rund 1600 Milliarden aus
Dass es auf der Hand liegt, wo man sparen muss, nämlich bei den Beamten, ist auch deren Chefs, den Politikern, klar:
- 2017 kündigte Emmanuel Macron an, dass er 120 000 Beamtenstellenaufheben möchte
- Zuvor hatte François Fillon, konservativer Premierminister von 2007 bis 2012, gar einen Abbau von 500 000 versprochen
Und wie lautet die Bilanz dieser Götter der politischen Durchsetzungskraft?
Es geschah fast gar nichts.
- 2023 brachte es die grosse République Française fertig, 13 Beamtenzu entlassen
- In Worten: dreizehn
Es muss sich um Schwerverbrecher gehandelt haben – ansonsten der Kündigungsschutz in Frankreich so dicht ist, dass es selbst im Himmel dem lieben Gott leichter fällt, Petrus zu entlassen.
Übrigens ist das gar nicht im Sinne der Franzosen. Wenn die grossen Demonstrationen der Gewerkschaften gegen jegliche «neoliberale» Reform in Paris etwas hinterlassen, dann einen falschen Eindruck: Anders als sie behaupten, würden die meisten Franzosen gerne eher wie Schweizer Bünzliverwaltet werden:
- In einer Umfrage des Figaro gaben 75 Prozent der Franzosen an, dass sie eine Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Angleichung an die Verhältnisse in der Privatwirtschaft begrüssten
- Leider waren nur 41 Prozent der Meinung, man müsste die Zahl der Beamten verringern
Hätten die 13 entlassenen Beamten das gewusst, wäre ihnen ohne Zweifel nie gekündigt worden. Hoffentlich gehen sie vor Arbeitsgericht.
Als die Schweizer 300 Jahre lang in Paris als Kern der französischen Armee gelebt hatten – zeitweise waren es rund 20 000 – waren sie nicht nur beliebt, oder besser: ihre Beliebtheit variierte je nachdem, wen man fragte:
- Die Könige waren begeistert, sie liebten ihre kostspieligen, aber schlagkräftigen Suisses, die als «Hundertschweizer» auch ihre persönliche Garde bildeten
- Die übrigen Franzosen dagegen verachteten die Schweizer – und fürchteten sie zugleich
Pasquier le Moyne, ein Franzose, der die Eidgenossen bei Marignano hatte kämpfen sehen, schrieb nachher über sie:
«Diese stolzen Scheusale, niederträchtigen Kerle, Lüstlinge, Verräter und Treulosen, von jeder Gemeinheit angezogenen, ehrlosen und lasterhaften Menschen, diese armen, ehrgeizigen Kuhhirten».
Dass daraus die besten Buchalter eines Staatshaushaltes werden würden, war nicht vorauszusehen.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag – trotz Wintereinbruchs
Markus Somm