Somms Memo

Die Löhne steigen, unser Glück ebenso. Warum so traurig?

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20.03.2024
Fast nirgendwo verdient ein Mensch mehr als hier. Zürich am Zürichsee. Bild: Keystone
Fast nirgendwo verdient ein Mensch mehr als hier. Zürich am Zürichsee. Bild: Keystone

Die Fakten: Der Medianlohn in der Schweiz lag 2022 bei 6788 Franken.
 
Warum das wichtig ist: Das ist höher als in allen Nachbarländern (ausser Liechtenstein). Kein Wunder, kommen alle gerne zu uns.

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Wenn man wissen will, in welchem Elend die Schweizer leben, dann ist der Medianlohn ein guter Indikator:

  • Er beschreibt die Grenze zwischen oben und unten: Die eine Hälfte der Arbeitnehmer verdient mehr als 6788 Franken im Monat, die andere weniger. Gemeint sind Bruttolöhne, also vor Sozialabzügen, aber inklusive Boni, umgerechnet auf eine Vollzeitstelle
     
  • Der Medianlohn vermittelt somit ein etwas realistischeres Bild, zumal beim anderen Wert, dem Durchschnittslohn, die ganz hohen Saläre für eine gewisse Verzerrung sorgen. Der Durchschnittslohn betrug 2022 fast 8000 Franken
     

Das sind die jüngsten Zahlen zum Thema, die das Bundesamt für Statistik im Rahmen der sogenannten Schweizerischen Lohnstrukturerhebung für das Jahr 2022 eruiert hat.
 
Wenn es eine aufwendige Übung gibt, welche die Bundesstatistiker alle zwei Jahre vollauf auslastet, dann diese Erhebung:

  • Mit Fragebögen werden bei über 35 000 Unternehmen Erkundigungen eingezogen
     
  • Erfasst werden damit die Saläre von rund 2,3 Millionen Arbeitnehmern

Kurz, das ist repräsentativ, das ist zuverlässig, das ist ein Matterhorn von Daten.
 
Dabei sind die einen Daten erfreulich, und die anderen geben einem zu denken.
 
Zunächst die guten Nachrichten, es sind ihrer zwei, wobei ich natürlich eine subjektive, man kann auch sagen: politisch motivierte Auswahl getroffen habe:

1. Der Medianlohn ist 2022 gegenüber 2020 gestiegen, nämlich um 1,8 Prozent. Es setzt sich damit ein Trend fort, der seit Jahren andauert, 2014 betrug der gleiche Wert noch 6427 Franken

Zugegeben, die Teuerung lag seit 2020 höher, womit die reale Kaufkraft um 1,5 Prozent sank. Das ist nicht nichts, aber auch nicht die Welt.

Das fällt umso mehr auf, wenn man die Lohnentwicklung seit 2015 betrachtet: Seit diesem Zeitpunkt haben die Löhne fast jedes Jahr real zugelegt.  

Mit anderen Worten, wenn die Linke vom Zusammenbruch der Kaufkraft redet, dann ist das erstens übertrieben, zweitens gilt es nur für die allerjüngste Vergangenheit (noch 2021 nahm der Reallohn zu), drittens kann es nicht an den Löhnen liegen, wenn viele Schweizer das subjektiv so empfinden.

  • Wie wäre ein Blick auf die Energiepreise, die auch infolge einer verkehrten (von links geprägten) Energiepolitik angewachsen sind?
     
  • Oder auf die wuchernden Gesundheitskosten, für die am Ende ein (sozialdemokratischer) Bundesrat 12 Jahre die Verantwortung getragen hat (er hiess Alain Berset)?

 
Im Übrigen beruhen diese subjektiven Wahrnehmungen der Schweizer auf Umfragen, ob sie wirklich zutreffen, ist offen. So toll hat die SP, die mit diesem angeblichen Rückgang der Kaufkraft ihren Wahlkampf bestritten hatte, dann bei den letztjährigen Wahlen auch wieder nicht abgeschnitten (plus 1,5 Prozent, 2023).


Zurück zu den guten Nachrichten:

2. Die schweizerischen Durchschnittslöhne liegen deutlich über jenen in so gut wie allen Nachbarländern (ohne Liechtenstein, dem wir das gönnen) – und zwar nach Kaufkraft bereinigt, worauf es schliesslich ankommt. Trotz hohen Preisen können sich die Schweizer mit ihrem Salär viel mehr leisten als die Deutschen, die Österreicher, die Franzosen oder die Italiener.

Das ist ebenso der Fall, wenn wir die übrigen europäischen Länder in Betracht ziehen:

Wer in der Schweiz arbeitet, verdient im Vergleich zu einem durchschnittlichen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik 24 Prozent mehr – und dabei handelt es sich bei diesem Land ja nicht gerade um ein Tieflohngebiet. Wenn es deshalb viele Deutsche in die Schweiz zieht, kann das niemanden überraschen.

Mehr überrascht, dass unsere Diplomaten sich ausserstande zeigen, diesen Sachverhalt den Funktionären in Brüssel zu erklären, wenn die Schweizer wieder einmal bocken und sich über die Personenfreizügigkeit beklagen. Wir brauchen von Fall zu Fall Ausnahmen, das sollte die leicht verständliche Botschaft sein. 
 
Nun zu den bedenklichen Erkenntnissen:

1. Was das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern (IWP) schon wiederholt zutage gefördert hat, wird jetzt auch durch die Lohnstrukturerhebung bestätigt:
Unsere Beamten (pardon: Staatsangestellte, wie sich seit längerem lieber nennen, weil sie offenbar keine Beamten mehr sein wollen) kommen auf deutlich höhere Löhne als all jene Arbeitnehmer, die in der privaten Wirtschaft tätig sind.

8094 Franken beträgt der Medianlohn im öffentlichen Sektor (Staat und staatsnahe Betriebe)

6510 Franken lautet die gleiche Zahl in privaten Unternehmen

Das ist unhaltbar. Wer im privaten Sektor arbeitet, setzt sich den Launen des freien Marktes aus, er geht mithin ein Risiko ein, um unseren Wohlstand zu vermehren – was nur die private Wirtschaft tut, nicht die steuerfinanzierten Beamten –, demnach sollte er dafür auch besser entschädigt werden.
 
Wenn bürgerliche Politiker sich ab und zu den Kopf zerbrechen, wie sie der Linken das Leben schwer machen könnten: Hier ist ein Ansatz.

  • Die Löhne der Staatsangestellten müssen runter, runter, runter
     
  • Warum keine Volksinitiative mit diesem Ziel?

2. Ich habe es eigentlich schon angesprochen. Die Lohnstrukturerhebung zeigt auch, dass die soziale Ungleichheit in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten kaum zugenommen hat.

Der Anteil der Lohnempfänger am gesamten Bruttoinlandprodukt hat sich nur wenig verändert.

1995 kamen sie auf 56 Prozent
2022 waren es 59 Prozent

Ebenso lag der Anteil am Gesamteinkommen des Landes, den die zehn Prozent einstreichen, die am besten verdienen, immer zwischen 30 und 35 Prozent – und das notabene vor Steuern und seit mehr als 50 Jahren, wie die Daten des IWP belegen.

Wenn die Linke und die meisten Journalisten also seit Jahren behaupten, dass die «Einkommensschere» sich ständig weiter öffne, ist das schlicht und einfach nicht wahr.

Fake News, politisch motiviert.

Dass die Bürgerlichen nicht in der Lage sind, diese angebliche Schere als Kinderspielzeug aus Plastik zu entlarven: das steht auf einem anderen Blatt. Thema für ein nächstes Memo.
 
Oder wie es George Orwell, Schriftsteller und einer der klügsten Ex-Linken, einmal gesagt hat:
 
«Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei plus zwei vier ist. Wenn das gewährt ist, folgt alles weitere.»
 
 

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, und sollte Ihnen eine Lohnverhandlung bevorstehen, eine glückliche Hand
 
Markus Somm
 
 
Wer es genauer wissen will. Schweizerische Lohnstrukturerhebung: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erhebungen/lse.html
 

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