Somms memo
Die EU verbietet den Verbrennungsmotor. Vom Unsinn einer unsinnigen Politik
Aktueller Fahrzeugpark in Kuba.
Die Fakten: Die EU will den Verbrennungsmotor bis 2035 verbieten. Der Entscheid der Mitgliedstaaten steht noch aus.
Warum das wichtig ist: Technologieverbote sind falsch, unerwünschte Nebenwirkungen so sicher wie das Amen in der Kirche.
13 Jahre sind in der Entwicklung der Technologie eine Ewigkeit.
- vor 13 Jahren stellte ein etwas blasierter Mensch namens Elon Musk in Detroit ein Elektrofahrzeug vor. Er nannte es Tesla. Niemand nahm ihn ernst. Auch die Politiker nicht
- vor 13 Jahren gab es keinen iPad, kein Uber und kein Instagram
- vor 15 Jahren lancierte Apple das iPhone. Zu jener Zeit wussten die meisten nicht, wie man das Wort Smartphone buchstabiert, geschweige denn, wozu es gut sein soll
Mit anderen Worten, wenn sich die EU-Kommission und das EU-Parlament einbilden, ganz genau Bescheid zu wissen, welche Antriebsart für Automobilesich in Zukunft durchsetzt, dann muss man sie um ihre hellseherischen Fähigkeiten
- beneiden
- oder bedauern
Denn wie so oft tut die EU so, als könnte sie mit ihren Direktiven die Geschichte lenken, oder wenigstens die Wirtschaft. Es hat sich in den vergangenen Jahren unter Politikern (auch in der Schweiz) eine interessante Auffassung verbreitet, wie in Technologie und Wirtschaft Neues entsteht
- Innovationen sind eine Frage des politischen Willens
- Man muss den Unternehmern und den Ingenieuren einfach vorschreiben, was sie zu erfinden haben, dann erfinden sie es auch
- Es fehlt ihnen nur am nötigen Druck, und den machen wir jetzt, die Politiker
Historisch betrachtet ist das natürlich Unsinn. Mir fällt so gut wie keine Innovation ein, zu der es gekommen ist, weil die Politiker sie vorgeschrieben hätten. Stattdessen sind die Beispiele Legion, wo Politiker Erfindungen und technische Fortschritte durch ihren guten Willen unterbanden – oft zu einem unvorstellbar hohen Preis
- Im 15. Jahrhundert untersagten die chinesischen Kaiser den Bau von hochseetauglichen Schiffen, der prächtig aufkommende Seehandel mit Indien und dem Nahen Osten war ihnen suspekt. 1525 liessen sie alle noch bestehenden grossen Schiffe verbrennen. Mit fatalen Folgen: China fiel zurück und erholte sich bis ins 21. Jahrhundert nicht mehr von diesem Technologieverbot
- Die Zünfte des Mittelalters behinderten oft jede Innovation. Da sie in vielen Städten auch die Politik beherrschten, setzten Stadträte und Behörden diese Vorschriften flächendeckend um. Nur dort, wo es Unternehmern gelang, den zünftischen Regeln auszuweichen, kam es zu technischen Neuerungen, und Wohlstand breitete sich aus – wie zum Beispiel in Basel, Zürich oder Genf seit dem 16. Jahrhundert
Chinesische Flotte im 15. Jahrhundert. Was Admiräle und Kaufleute begeisterte, passte den Kaisern nicht. Erst verboten sie solche Schiffe, dann liessen sie sie verbrennen.
Ebenso gilt, dass fast jede Regulierung zu unerwünschten Nebenwirkungen führt, an die vor Erlass der Regulierung niemand gedacht hat. Im Fall des Verbotes von Verbrennungsmotoren, wäre es ein Leichtes gewesen, daran zu denken.
Ohne dies zu wollen, dürfte die EU die Konsumenten dazu verleiten, in den nächsten Jahren viel mehr Benziner und Dieselautos zu kaufen, als sie das sonst getan hätten.
Denn jeder möchte noch ein solches Auto erwerben, solange er das legal darf – zumal deren Vorzüge nach wie vor überwiegen:
- Sie sind im Durchschnitt 15 bis 20 Prozent billiger
- Solange es in Europa an Ladestationen für E-Autos fehlt, ist es viel bequemer, mit einem Benziner unterwegs zu sein. Besonders im Süden und Osten Europas. Tankstellen gibt es hier wie Sand am Meer, wogegen Ladestationen so häufig auftreten wie Schwimmbäder in der Sahara
Kurz, das Verbot dürfte den Durchbruch der Elektromobilität eher verlangsamen. Vor die Wahl gestellt, werden bis 2035 mehr Menschen sich ausgerechnet jenes Auto anschaffen, das die Politiker auszumerzen suchten. Torschlusspanik nennt man diese Wirkung.
Aus dem gleichen Grund wird das Verbot ab 2035 eine ganz neue Kultur der Autoreparatur in Europa (wieder)einführen. Warum denn das?
Das geplante Verbot bezieht sich allein auf neue Autos. Das heisst, wer 2035 noch einen Benziner oder ein Dieselauto besitzt, darf ihn auch weiter benutzen. Alles andere wäre dem Bürger schwer zu vermitteln, zumal es einer Enteignung gleichkäme. Was aber ist der Effekt?
- Besuchen Sie einmal Kuba. Hier fahren die Einwohner noch mit den schönsten amerikanischen Limousinen aus den 1950er Jahren herum, weil die kommunistische Regierung 1959 den Autohandel aufgehoben hat. Was romantisch wirkt, finden die Kubaner weniger romantisch. Neue Autos gibt es kaum, deshalb werden die Autos, die man hat, mit äusserster Liebe und Sorgfalt gepflegt und gehegt, es wird geflickt und repariert, solange es möglich ist, zumal jedes untergegangene Auto für immer untergeht. Es ist unersetzlich
- In Europa kommt es zwar nicht so schlimm. Immerhin gestatten uns die Politiker neue, wenn auch kostspielige E-Autos. Doch in ärmeren EU-Staaten im Süden und im Osten, wo die Ladeinfrastruktur auf mittlere Sicht ungenügend bleiben dürfte, wird sich das kubanische Modell verbreiten. Damit sie ihren Benziner noch lange benutzen können, werden die Italiener, Griechen oder Bulgaren ihn pflegen und hegen, bis er zusammenbricht. Das kann Jahre oder Jahrzehnte dauern. Besuchen Sie Kuba
Wenn ab 2035 die neuesten Autos in der EU keinen Verbrennungsmotor mehr aufweisen, dann wird das Klima davon also wenig spüren. Der Fahrzeugpark bleibt trotzdem auf Jahrzehnte hinaus noch von Dieselautos und Benzinern geprägt – bis sich eine bessere Technologie auf dem Markt durchsetzt.
- Vielleicht ist es ja das E-Auto
- Vielleicht aber auch nicht
Welchem Auto die Zukunft gehört, werden wir Europäer dann erfahren, wenn wir nach China oder Amerika reisen.
Aber vielleicht hat die EU in der Zwischenzeit auch solche Überseefahrten verboten.
«Mach Dir keine Sorgen um die Zukunft.», riet der römische Kaiser Marc Aurel, ein grosser Stoiker.
«Du wirst sie meistern, wenn Du musst, und Du wirst das mit den gleichen Waffen der Vernunft tun, die Dich heute gegen die Gegenwart in Schutz nehmen.»
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein sorgenfreies Wochenende
Markus Somm