Drei Jahre Covid
Pandemie der offenen Fragen
Intensivmedizin am Anschlag: Bild aus dem Stadtspital Triemli in Zürich vom Dezember 2021. (Bild: Keystone)
Ungefähr vor drei Jahren haben wir alle von einem neuen Virus gelesen, das in Wuhan, einer Stadt in China, ausgebrochen war. Es waren vorerst kleine Meldungen und sie kamen von weither. Später sahen wir verstörende Bilder von Toten auf Trottoirs, Krematorien und Desinfektionstrupps. Bloss: Mit uns hatte das nichts zu tun.
Wir erinnerten uns vielleicht an SARS, ein anderes Virus, das aber nie richtig zu uns gekommen war. Oder an die Vogelgrippe, die zwar Tiere befiel, aber uns Menschen in Ruhe liess. Wir ahnten nicht, dass es mit dem «Wuhan»-Virus, so hiess es damals noch, anders ein würde.
Epidemie des Unwissens
Was folgte, war neben medizinischen Ernstfällen auch eine Epidemie des Unwissens, eine Pandemie des Behauptens, des Befehlens und des Verteidigens von einmal bezogenen Positionen. Unter die Räder kam die Oberaufsicht über die Verwaltung, der Föderalismus, die wissenschaftliche Neugier, das kritische Hinterfragen und dann bald der gesunde Menschenverstand und die Verhältnismässigkeit bei den verordneten Massnahmen.
Drei Jahre später ist die Pandemie vorbei. Weltweit sind rund 15 Millionen Menschen am Virus gestorben, gut 14’000 in der Schweiz. Das Virus selbst ist noch da. Doch Covid-19 hat an Schrecken eingebüsst. Es ist eine Viruskrankheit, wie viele andere auch. Für ältere und bereits mehrfach erkrankte Personen ist sie gefährlich. Für die meisten Menschen nicht.
Wir haben in den vergangenen drei Jahren einiges gelernt. Aber die Aufarbeitung der Pandemie steht noch am Anfang. Wenn wir auf das nächste Virus besser vorbereitet sein wollen, müssen wir die zahlreichen offenen Fragen beantworten, die teils bereits in der Pandemie auftauchten, teils erst jetzt auf Antworten warten. Das geht nur, wenn wir darauf verzichten, halb triumphierend, halb verachtend mit den Fingern aufeinander zu zeigen.
Das Virus verstehen
Dazu gehören zuerst die medizinischen Fragen. Woher stammt das Virus genau: aus dem Labor oder dem Fleischmarkt in Wuhan? Wen und was greift das Virus wie genau an und darauf aufbauend: Wie kann es behandelt werden? Wie können Risikogruppen besser geschützt und versorgt werden? Und vor allem: War ein nicht standardisierter PCR-Test wirklich das Richtige, um ein Virus zu diagnostizieren?
Die Impfstoffe müssen unter die Lupe genommen werden. Was hat die Impfung bewirkt, was hat man sich nur erhofft und wurde nie Realität? Was haben die Impfstoffe für Nebenwirkungen? Und vor allem: Welche Risiken ist Swissmedic bei der schnellen Zulassung eingegangen? Und wurden die üblicherweise nötigen Untersuchungen nachgeliefert? Dazu gehört auch, dass Impfschäden genauestens untersucht und gegen den Nutzen der Impfung – weniger schwere Verläufe – abgewogen werden.
Einschränkung der Freiheit
Und wie hat die Politik auf das Virus reagiert? Mit einem noch nie dagewesenen Regime an Massnahmen und Verordnungen auf Kosten der individuellen Freiheit der Menschen. Haben die Anordnungen dem jeweiligen Kenntnisstand entsprochen und waren sie verhältnismässig? Was haben die Massnahmen tatsächlich bewirkt und was nicht? Wieso haben die 26 Kantone nicht viel mehr aus dem Föderalismus gemacht und unterschiedliche Massnahmen ausprobiert?
Vieles hat sich in den vergangenen Jahren als komplett falsch herausgestellt. Die Schliessungen von Schulen, Läden, Skigebieten, Restaurants und Freizeiteinrichtungen waren falsch. Opfer sind bis heute Kinder und ganze Branchen. Die Politik musste wegen dieser Massnahmen – nicht wegen des Virus – Tausenden Unternehmen unter die Arme greifen, wie nie in der Geschichte der Eidgenossenschaft zuvor. Würden wir das wieder verordnen?
Die WHO hat versagt
Und auch einige Wirtschaftswissenschafter müssen sich Fragen gefallen lassen. Mit ihren Prognosen über die Auswirkungen lagen sie meist meilenweit daneben. Die einst solide Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich forderte zum Beispiel in einem interventionistischen Rausch einen Fonds aus 100 Milliarden Franken, sonst sei die «Funktionsfähigkeit des gesamten Wirtschaftssystems» gefährdet. Ähnliches gilt für die Epidemiologen, an deren Lippen wir hingen, bis wir ihnen nicht mehr vertrauen konnten. Die Pandemie hat die Politisierung der Wissenschaft offengelegt.
Die Medien müssen sich ebenso überlegen, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen waren. Haben sie rechtzeitig hinterfragt? Haben sie sich instrumentalisieren lassen? Wurden Fakten gemeldet und eine Debatte über die Massnahmen zugelassen, ja sogar gefördert, oder wie der «Blick» regelmässig dem Gesundheitsminister zugedient?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat komplett versagt. Ihr Nutzen bei der Bekämpfung des Virus kann vernachlässigt werden. Ebenso jener der EU. Es waren grosse drei Jahre für den Nationalstaat. Und: Bis heute ist unklar, welche Schuld die chinesische Regierung an der Pandemie trägt, weil sie wie jede Diktatur schlechte Nachrichten unterdrückt und vertuscht hat.
Auf den Grund gehen
Die Pandemie ist vorbei. Ein Test für die offene Gesellschaft bleibt sie weiterhin. Es sind Fehler passiert, in der Medizin, der Politik, den Medien und den Wissenschaften. Nur wenn wir in der Lage sind, den Fehlern ohne Häme und Gehabe auf den Grund zu gehen, werden wir die nächste Pandemie überstehen können.