Bundeszahlen belegen

Lohnunterschiede hauptsächlich bei verheirateten Frauen

image 17. März 2023 um 04:30
Bei ledigen Frauen und Männern bleiben die Gehaltsunterschiede über das gesamte Erwerbsleben betrachtet vergleichsweise klein. (Bild: Travailsuisse)
Bei ledigen Frauen und Männern bleiben die Gehaltsunterschiede über das gesamte Erwerbsleben betrachtet vergleichsweise klein. (Bild: Travailsuisse)
Neuste Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigen, dass ledige Frauen und Männer in der Schweiz keinen unterschiedlich hohen Lohn beziehen. Die Lohnschere geht erst bei verheirateten Frauen auseinander. Das ergibt sich aus einer Antwort des BFS auf einen Vorstoss von FDP-Nationalrat Marcel Dobler (SG). Er verlangte in einer Interpellation die Aufschlüsselung der Lohnunterschiede nach Geschlecht, Alter und Zivilstand für die gesamte Schweizer Bevölkerung. Dem Nebelspalter liegen die bis anhin noch nicht publizierten Zahlen des BFS vor.

Was wichtig ist:
  • Zahlen aus dem Bundesamt für Statistik belegen: Der Zivilstand ist massgebend für den Lohnunterschied zwischen Männer und Frauen.
  • Ledige Frauen und Männer verdienen im Median fast gleich viel. Es ist deshalb davon auszugehen, dass vor allem die Mutterschaft für die grossen Lohndifferenzen ursächlich ist.
  • Das Narrativ, dass Frauen in der Privatwirtschaft systematisch diskriminiert würden, wird dadurch in Frage gestellt.


Ausschlaggebend für seinen Vorstoss war eine Lohnanalyse des Wirtschaftsmonitoring für den Kanton Zürich im Dezember 2022. Diese Analyse ist bereits zu einem ähnlichen Resultat gekommen: Im Kanton Zürich konnte kaum eine Lohndifferenz bei ledigen Frauen und Männern festgestellt werden. Die Lohndifferenz öffnet sich auffällig zum Nachteil der verheirateten Frau ab dem 30. Lebensjahr (siehe nachfolgende Abbildung). Es stelle sich die Frage, ob sich die gesamtschweizerischen Lohnunterschiede in Abhängigkeit des Zivilstandes und des Alters, gleich wie im Kanton Zürich verhalten, schreibt Dobler in seiner Interpellation.
image
Screenshot aus dem Zürcher Wirtschaftsmonitoring
Und tatsächlich: Die Auswertungen des BFS zeichnen ein analoges Bild für die gesamte Schweiz. Der Zivilstand ist einer der grössten Treiber der Lohndifferenz auch auf Bundesebene. Ledige Frauen und ledige Männer verdienen hingegen schweizweit ähnlich viel. Das, obwohl der Zivilstand eigentlich keinen Einfluss auf die Löhne haben dürfte. Das Gleichstellungsgesetz verbietet nämlich die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts unter Berufung auf den Zivilstand oder auf die familiäre Situation.
image
Grosse Ähnlichkeiten bei den Zahlen vom Bundesamt für Statistik (BFS)

Mutterschaft öffnet Lohnschere

Die Grafiken des BFS deuten aber auf eine andere Realität hin: Frauen verdienen, wenn sie verheiratet sind, deutlich weniger als Männer. Das bedeutet also, wenn Frauen diskriminiert werden, geschieht dies nicht einfach, weil sie Frauen sind, sondern eher aufgrund ihres Zivilstandes und folglich ihrer familiären Situation. Sprich: wenn sie Kinder bekommen.
Dabei ist zu vermerken, dass der Zivilstand zwar keinen direkten Rückschluss ermöglicht, ob eine Person Kinder hat oder nicht, aber zumindest lassen sich aus dem Zivilstand klare Indizien auf die familiäre Situation entnehmen. Die Familiengründung muss gemäss diesen Statistiken einen entscheidenden Einfluss auf die Lohnunterschiede der Geschlechter haben. Es ist deshalb davon auszugehen, dass vor allem die Mutterschaft für die grossen Lohnunterschiede ursächlich ist. Das verdeutlicht die Statistik für ledige Frauen und Männer des BFS. Die Gehaltsunterschiede bleiben über das gesamte Erwerbsleben gesehen vergleichsweise klein. In die gleiche Richtung zeigt auch die Aufschlüsselung nach dem Alter. Bis zum 30. Lebensjahr verdienen Frauen und Männer im Median gleichviel, weil viele Frauen bis dahin noch keine Kinder haben (siehe Abbildung unten).
image
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS)

Was bedeutet das?

Die aufgeführte Statistik könnte die Politik dazu veranlassen, das Narrativ, dass Frauen in der Privatwirtschaft systematisch diskriminiert würden, neu zu überdenken und entsprechend Lösungsansätze zu finden. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich hielt in seinem Monitoring fest, dass zwar ein beträchtlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern bestehen bleibe, doch das habe wenig mit Diskriminierung zu tun, wie gelegentlich vermutet werde, sondern liesse sich zum grössten Teil empirisch erklären. Es ist gemäss den Angaben des BFS anzunehmen, dass dies auch für die gesamte Schweiz gilt.

Postulat verlangt Untersuchung – doch Bundesrat lehnt ab

Angesichts dessen hat Nationalrat Marcel Dobler zusätzlich ein Postulat eingereicht, welches verlangt, dass der «unerklärte» Teil der Lohndifferenz untersucht wird. Dabei möchte er die möglichen Ursachen für Lohndifferenzen wie Mutterschaft, Erwerbsunterbrüche, Zivilstand, Berufserfahrung nach Altersstufen berücksichtigt haben. Die vom Bundesamt für Statistik verwendeten Daten zur Lohnanalyse würden keine oder zu wenig detaillierte Angaben liefern, vermerkt Dobler.
Das Postulat wurde von Mitgliedern aller Parteien unterzeichnet im Wissen, dass in Bezug auf die Massnahmen die Meinungen zur Bereinigung dieser Lohnunterschiede weit auseinandergehen. Umso überraschender ist, dass der Bundesrat das Postulat abgelehnt hat. Kommt der Vorstoss aber in den Nationalrat, so hätte dieser in Anbetracht der breiten parteilichen Abstützung womöglich eine Chance.

#WEITERE THEMEN

image
Bankenregulierung nach der CS-Krise

Ökonom fordert mehr Eigenverantwortung für die Banken

24.9.2023

#MEHR VON DIESEM AUTOR

image
Nebelspalterinnen

Bezahlte Wissenschaftler, unbezahlte Nationalrätinnen und das Römische Reich

19.9.2023