Bundeshaus-Briefing #7
Klimaschutz, Stromversorgung, Covid-19-Gesetz
«Wir retten nicht die Welt»: Mitte-Präsident Gerhard Pfister (ZG)). (Bild: Keystone)
Willkommen zum Bundeshaus-Briefing Nummer 7 des Nebelspalters. Hier lesen Sie, was nächste Woche aktuell ist. Das Bundeshaus-Briefing ist vorerst kostenlos – es freut mich aber natürlich, wenn Sie ein Nebelspalter.ch-Abo abschliessen.
Sonderangebot für die Leserschaft des Bundeshaus-Briefings
Jahresabo nebelspalter.ch für 98.50 statt für 179 Franken. Profitieren Sie jetzt und unterstützen Sie liberalen Journalismus.
So erhalten Sie das vergünstigte Abo:
2. Registrieren
3. Rabattcode bundeshaus eingeben
4. Bezahlen & herzlich willkommen!
Hinweis: Das Bundeshaus-Briefing gibt es auch kompakt als Podcast für unterwegs – in weniger als fünf minuten wissen, was nächste Woche läuft. Jetzt hier reinhören. Auch auf allen gängigen Podcast-Apps wie Spotify oder Apple Podcast.
Das gibt zu reden
Der Abstimmungskampf über das «Klimaschutz- und Innovationsgesetz» (so der mit PR-Hintergedanken gewählte offizielle Name) hat nach Ostern definitiv eingesetzt. Das Gesetz enthält die Ziele der Klima-Politik («Netto-Null» bis 2050), aber nur zwei Massnahmen, um dorthin zu gelangen. Die beiden Subventionen für neue Technologien und den Ersatz von Gas- und Ölheizungen werden nicht genügen, um Netto-Null zu erreichen. Das wissen sowohl Befürworter wie Gegner des Gesetzes. Was tun sie?
Die Gegner rechnen die Kosten für allerlei Massnahmen hoch, die es braucht, um das Ziel zu erreichen. Eine möglichst hohe Zahl ist das Ziel. Sie setzen sich dem Vorwurf der Übertreibung aus, weil die Massnahmen nicht im Gesetz stehen.
Die Befürworter geben vor, mit dem Gesetz würden Gletscher geschützt, die Stromversorgung gesichert und die Energiepreise stabilisiert. Möglichst viele Versprechungen sind das Ziel. Auch Sie übertreiben. Ironischerweise aus dem gleichen Grund wie die Gegner: Die Mittel, um diese Ziele zu erreichen, stehen nicht im Gesetz. Es droht eine Abstimmung über Massnahmen, die niemand kennt – und damit auf beiden Seiten eine Auseinandersetzung über Behauptungen statt Fakten. Eine Sternstunde der direkten Demokratie dürfte das nicht werden.
Vom Waschen des Bären
Das hat mit der Geschichte des Geschäftes zu tun: Die Vorlage ist nach der Ablehnung des CO₂-Gesetzes 2021 der Versuch, das Klima zu schützen, ohne zu sagen wie – metaphorisch den berühmten «Bär zu waschen, ohne ihn nass zu machen».
Und dann gibt es Befürworter, die offen zugeben, dass der Bär irgendwann gewaschen werden muss, wie Gerhard Pfister (Präsident Mitte, ZG) und dass die Vorlage nur ein kleiner Schritt darstellt. Er sagt (Quelle):
Darum geht es eigentlich: Ob die Schweiz einen symbolischen, kleinen Beitrag leisten will – oder nicht.
Was nächste Woche aktuell wird
Der Nationalrat führt von Dienstag bis Donnerstag seine seit Jahren übliche Sondersession durch. Dabei werden vor allem individuelle Vorstösse abgehandelt, die sonst (nach zwei Jahren) abgeschrieben würden. Eine Zählung vor einem Jahr ergab allerdings, dass in der Sondersession mehr Vorstösse eingereicht als abgearbeitet wurden.
Entsprechend enthält die Traktandenliste keine grossen Vorlagen wie Volksinitiativen oder Bundesratsgeschäfte. Interessant wird es trotzdem: Am Dienstag kommt es zu einer Debatte über die Energiepolitik. Es geht um die (erneuerbare) Gasversorgung der Schweiz, um die Nutzung von Abwärme und der Wasserkraft. Besonders interessant dürfte die Abstimmungen über eine Motion zur «Sicherung der Winterstromversorgung durch WKK-Anlagen» werden. Mit dem Vorstoss geben SP und Grünliberale erstmals zu, dass es für die Versorgungssicherheit mit Strom im Winter fossile Kraftwerke braucht. Klimaschützer sind plötzlich für Öl und Gas: Gegenüber der Sonntagszeitung sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann, der Anteil an fossiler Energie an der Stromversorgung werde von heute 1,5 auf zehn Prozent steigen (Quelle). Für die technisch machbare, aber noch nicht reife Umwandlung von Sommerstrom zu Gas und dessen Rückverwandlung in Strom im Winter («Power-to-X») will die Umweltkommission des Nationalrates vom Bundesrat einen Bericht.
Auch eine Parlamentarische Initiative für eine «Kreislaufwirtschaft» steht zur Debatte, mit der – nur leicht abgeschwächt – die Ziele der 2016 mit fast zwei Drittel Neinstimmen abgelehnten Initiative «Grüne Wirtschaft» wieder auf den Tisch kommen.
Das uneingelöste Versprechen
Am Mittwoch geht es um die Schulden der Invalidenversicherung (IV). Seit Jahren ist die IV bei der AHV mit 10,3 Milliarden Franken verschuldet. Ursprünglich versprach der Bundesrat, die IV bis 2025 zu entschulden. Das Parlament lehnte die Vorlage 2013 allerdings ab. Seither verweigert Alain Berset die Arbeit am Problem. Gemäss Finanzperspektiven soll sich die Schuld der IV immerhin bis 2023 um einen Viertel reduzieren (Quelle: PDF). Doch wie das geschehen soll, steht in den Sternen – und wie es nach 2030 weitergehen soll ebenso. Der Ständerat fordert nun, dass der Bundesrat bis Ende 2023 eine Vorlage zur Tilgung oder Übernahme der Schuld der IV bei der AHV durch den Bund vorlegt.
Da der Nationalrat tagt, findet am Mittwoch keine Bundesratssitzung statt. Doch die Bundesräte arbeiten trotzdem. Allen voran hat Bundespräsident Alain Berset ein gedrängtes Programm. Am Montag empfängt er den Präsidenten von Botswana in der Schweiz (was das bedeutet, können Sie hier hören).
Am Dienstag lanciert Berset den Abstimmungskampf für die Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Er wird damit argumentieren, dass die Verlängerung nötig sei, weil die Revision der ordentlichen Gesetzesgrundlagen zu lange dauere (zum Beispiel die Überarbeitung des Epidemiegesetzes). Die Gegner wollen mit einem Nein die Pandemie definitiv beenden. Auch hier kommt es zu einem Abstimmungskampf über etwas, das gar nicht mehr existiert. In Anlehnung an Charles de Secondat, besser bekannt als Baron de Montesquieu könnte man sagen: «Wenn es nicht notwendig ist, das Gesetz zu verlängern, dann ist es notwendig, das Gesetz nicht zu verlängern.»
Ebenfalls nicht untätig sind die Ständeräte. Deren Energiekommission beugt sich über die Differenzen im sogenannten «Mantelerlass», mit dem die Stromversorgung gesichert werden soll. Dort ist noch nirgends die Rede von zehn Prozent fossilem Strom. Weitere vom Nationalrat überwiesene Vorstösse werden vorberaten, so zur schnelleren Bewilligung von Solaranlagen, zu «Power-to-X», zu Wasserstoff und zu «intelligenten Netzen», womit die Steuerung und damit Einschränkung des Stromverbrauches gemeint ist.
Und dann beginnt die Kommission mit der Arbeit am nächsten CO₂-Gesetz. Es enthält wie das Klimaschutzgesetz keine neuen Steuern, sondern vor allem neue Subventionen, um die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Der Bär soll immer noch nicht nass werden.
Bundespräsident Alain Berset im Februar beim Staatsbesuch in Botswana. Nächste Woche empfängt er Staatspräsident Mokgweetsi Masisi in Bern. (Bild: Keystone)
Zu achten ist auf:
- Umwelt- und Klimapolitiker von Mitte-Links: Wer gibt im Wahljahr zu, dass es für die Stromversorgung im Winter Gas und Öl braucht und wer nicht? Und wie rechtfertigen sich die Befürworter dieser Anlagen gegenüber ihren klimapolitischen Zielen? Kommt es zur Spaltung im Klimaschutz-Lager?
- Bundespräsident Alain Berset: Wie lanciert er den Abstimmungskampf um die Verlängerung des Covid-19-Gesetzes: Gewohnt larmoyant, mit Charme und grosser Geste oder mit einer detaillierten sachlichen Begründung der Notwendigkeit der Verlängerung?
Was sonst noch läuft
Der Nationalrat entscheidet in der Sondersession auch darüber, ob er enger mit dem taiwanesischen Parlament («Legislative Yuan») zusammen arbeiten soll. Der Antrag wird von jenen abgelehnt, welche deswegen einen Protest und Massnahmen der Volksrepublik China befürchten. Interessant: Neben den drei üblichen Gewalten kennt Taiwan noch eine separate Staatsgewalt zur Prüfung der Qualifikationen und Leistungen der Beamten und eine zur Kontrolle der Regierung.
Nationalrat Lukas Reimann (SVP, SG) fordert, dass Dialekt als Verhandlungssprache im Parlament zugelassen wird. Ihm gehe es um die «Sprachenvielfalt» und Volksnähe, schreibt er im Vorstoss. Das Büro des Nationalrates lehnt das Anliegen vor allem aus praktischen Gründen ab (Simultanübersetzung). Staatspolitische Bedenken werden nicht vorgebracht. Manchmal sagt die Antwort auf einen politischen Vorschlag mehr als der Vorschlag selbst.
Hat Ihnen das Bundeshaus-Briefing gefallen? Dann empfehlen Sie es weiter. Schicken Sie den Link auf diesen Artikel an interessierte Bekannte. Mit einem Klick auf den Button «Briefing abonnieren» können sich diese einschreiben und bekommen das Briefing schon am Freitagnachmittag _ ausser nächsten Freitag, da fällt das Briefing für einmal aus.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – bis nächsten Freitag!