Wahljahr 2023
Es geht um die bürgerliche Schweiz
Für ein Leben in Sicherheit und Freiheit: Bürgerliche Politik. (Bild: Keystone)
Am Tag nach den Zürcher Wahlen gab es von den Verantwortlichen der Parteien vorwiegend Durchhalteparolen zu hören. Man sei zwar zufrieden, müsse aber im Herbst «besser mobilisieren». Man habe noch «Potenzial», wenn man endlich «besser kommuniziere». Das sagten die Grünen, die Grünliberalen, aber auch die SVP und die FDP.
Durchhalteparolen statt Analyse
So redet nur, wer die Wahl eigentlich verloren hat, es in der Öffentlichkeit aber nicht zugeben will. In Zürich haben SP und Grüne gewonnen, weil sie nichts oder nur wenig verloren haben. Die Bürgerlichen haben verloren, weil sie nichts von ihren Verlusten von 2019 wett gemacht haben.
Die Ausgangslage für die nationalen Wahlen im Herbst ist nicht anders: Links-grün hat viel zu verlieren. Aber nur wenn links-grün verliert, bekommen wir die bürgerliche Schweiz zurück, die im Linksrutsch von 2019 unterging. Es geht also um viel.
Was heisst «Mobilisieren»?
Bloss: «Mobilisieren» ist die beliebteste Phrase erfolgloser Politiker. Weil niemand nachfragt, was den genau damit gemeint ist.
Dabei ist es nicht schwierig: Mobilisieren müssen Parteien mit Antworten auf die drängenden Fragen ihrer Mitglieder und ihrer potenziellen Wähler. Entscheidend ist nicht, ob den Medien eine Idee gefällt oder ob das Thema auf dem Sorgenbarometer der Credit Suisse auftaucht. Und auch auf Politikberater und Umfrage-Theoretiker braucht eine Partei nicht zu schauen.
Entscheidend sind die Menschen – die eigenen und jene, die es werden könnten. Die bürgerlichen Wähler sorgen sich um die Energiepolitik, den Fachkräftemangel, die Zuwanderung und den ausufernden Staat, der ihnen das Leben schwer macht.
Sichere Energieversorgung
Es gibt keinen Wirtschaftsbereich, der nicht auf eine günstige und verlässliche Energieversorgung angewiesen wäre. Energie ist entscheidend für den Erhalt des Wohlstandes aller. Wer wie die Grünliberalen, grosse Teile der Mitte, SP und Grüne so tut, als könne man die Kernkraftwerke abstellen, sie spielend mit Solar- und Windenergie ersetzen und gleichzeitig Heizungen und Verkehr dekarbonisieren, politisiert an der Physik vorbei. Wer die Notwendigkeit von grossen Kraftwerken zur sicheren Energieversorgung verneint, verabschiedet sich vom bürgerlichen Grundkonsens, dass der Staat die Rahmenbedingungen zu garantieren hat, welche die Entfaltung der Menschen erst möglich macht.
Wenn die Bürgerlichen die Wahlen gewinnen wollen, müssen sie davon reden, dass SP, Grüne, Grünliberale und grosse Teile der Mitte die Energieversorgung und den Wohlstand aufs Spiel setzen. Sie müssen Staudammerhöhungen, Gaskraftwerke und umgehend eine Planung für den Bau neuer Kernkraftwerke fordern. Solarprojekte in den Bergen und Windparks im Mittelland sind gut fürs Gewissen. Für die sichere Versorgung leisten sie nur wenig. Daran ändern hochgerechnete «Potenziale» von 5000 Windturbinen und 700 Quadratkilometer Solarzellen nichts.
Liberale Steuerung der Zuwanderung
Die rekordhohe Zuwanderung stillt zwar die unmittelbare Nachfrage nach Fachkräften der Unternehmen. Den Fachkräftemangel vermag die Zuwanderung dennoch nicht zu lindern. Es lohnt sich für die Schweizer Wirtschaft noch immer in billiges Personal aus dem Ausland, statt in die Produktivität ihres bestehenden Personal zu investieren. Die Kollateralkosten der Zuwanderung werden der Allgemeinheit aufgebürdet, sei es mit steigenden Ausgaben für Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildung oder dem Sozialwesen, sei es mit hohen Mieten, unerschwinglichen Immobilienpreisen, Umweltschäden, vollen Zügen, Staus, unsicherer Stromversorgung oder Wartezeiten in der Gesundheitsversorgung.
Die SVP pocht auf die Umsetzung ihrer vor neun Jahren angenommenen Masseneinwanderungsinitiative mit administrativen Hürden und Vorschriften. Das Feld wäre deshalb frei für liberale Lösungen, welche die Zuwanderung unbürokratisch steuern. Dazu gehört eine Zuwanderungssteuer, die kompatibel mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU ausgestaltet werden kann. Brüssel dürfte aus Prinzip auch daran keine Freude haben, aber Aufgabe der Schweiz ist es nicht, Brüssel Freude zu bereiten.
Gegen den Missbrauch des Asylrechts
Im Asylbereich hat die FDP Vorschläge ausgearbeitet, welche die Richtung vorgeben. Die SVP bearbeitet das Thema schon lange. Aber derzeit erkennt nur die SVP den Elefanten im Raum: Den Missbrauch des Grundrechts auf Asyl durch Wirtschaftsmigranten. Es gibt es keine Lösung, ohne dass die Aussengrenzen Europas besser geschützt und über das Non-Refoulement-Prinzip gesprochen wird. Es besagt, dass niemand in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem sein Leben und seine Freiheit bedroht ist.
Auch wenn links-grüne NGOs uns vom Gegenteil überzeugen wollen: Absolut ist das Prinzip nicht. In der Genfer Flüchtlingskonvention steht auch, dass ein Asylbewerber sich nicht auf das Non-Refoulement-Prinzip berufen kann, wenn er «eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder (...) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates» darstellt.» Warum sollte das nicht auf Gewalttäter zutreffen?
Doch solange abgewiesene Asylbewerber, selbst wenn sie straffällig oder jahrelang fürsorgeabhängig sind, nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können, wird das Asylrecht, das Grundrecht auf Schutz bei individueller politischer Verfolgung unterlaufen. Wenn die Bürgerlichen die Wahlen gewinnen wollen, müssen sie davon reden, dass Mitte-Links Grenzen abschaffen und aus dem Recht auf Schutz vor politischer Verfolgung ein Recht auf Wirtschaftsmigration mit Sozialhilfegarantie machen will. Damit nehmen Sie Gewalt und Verbrechen in Kauf, wie es sie selten zuvor gegeben hat.
Gegen den gängelnden Staat
Bleibt das dritte Ärgernis der potenziellen bürgerlichen Wähler: Der ausufernde Staat. Echte und angebliche Krisen haben in den vergangenen zwanzig Jahren die Staatsverwaltung, deren Budgets und die von ihr produzierte Regulierung explodieren lassen. Wer ein Unternehmen gründen will, wird kritisch beäugt. Wer eines betreibt, andauernd kontrolliert, gegängelt und besteuert.
Der gemeine Beamte verdient mehr als der Angestellte in der Privatwirtschaft, obwohl er vom Wohlstand lebt, statt ihn erschafft. Der gut schweizerische Konsens, dass in der Verwaltung nicht gekündigt wird, die Beamten aber weniger verdienen, hat längst ausgedient.
Wer bürgerlich sein will, muss die private Schweiz, die Schweiz der Steuerzahler vor der staatlichen Schweiz der Steuerverdiener retten. Dazu braucht es zuerst bürgerliche Bundes-, Regierungs- und Stadträte, die in ihren Verwaltungen ein wachsames Auge auf Selbstermächtigungen der Verwaltung und Überregulierung haben. Das Parlament muss eine bürgerliche Finanzpolitik beisteuern, die den Staat zurück zum blossen Garanten sicherer Rahmenbedingungen macht. In Zeiten schiefer Finanzlage sind verantwortungsvolle Finanzpolitiker besonders nötig. Die Mitte-Links-Mehrheit in National- und Ständerat macht derzeit genau das Gegenteil. Aber auch Bürgerliche sind vor Fehlern nicht gefeit: Wer überhöhte Teuerungsausgleiche beschliesst, wie Ernst Stocker (SVP) und Ueli Maurer (SVP), verteilt Geschenke auf Kosten jener Leute, die sie und ihre Parteien wählen sollen.
Es sind die Inhalte, die mobilisieren
Grosskraftwerke, liberale Zuwanderungssteuerung, Ausnahmen vom Non-Refoulement-Prinzip und eine bürgerliche Finanzpolitik sind letztlich ein und dasselbe: Konkrete Ausgestaltung liberaler Prinzipien zum Wohle unseres Landes. Sie sind Antworten auf die drängendsten Fragen potenzieller bürgerlicher Wähler und Voraussetzung dafür, dass die «Mobilisierung» doch noch gelingt. Slogans und Kampagnen können fehlende Inhalte nicht kaschieren. Die Wähler bleiben dann lieber zu Hause. Vielleicht haben sie sogar recht.