Klimapolitik
Die Aussage bleibt: Wohlhabende Haushalte profitieren von Heizungssubventionen
Wer profitiert von Subventionen fürs Auswechseln von Heizungen? Zwei Ökonomen haben es herausgefunden, der «Republik» passt das Resultat nicht. (Bild: Keystone)
Im «Republik»-Artikel vom 8. Juli 2022 berichtet Journalist Elia Blülle kritisch über eine neue Untersuchung, die das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern zu den im Parlament verhandelten Heizungssubventionen publiziert hat (Link zur Studie). Die Schlussfolgerungen der Untersuchung werden darin angezweifelt (Link zum Artikel in der Republik). Wir freuen uns über eine Auseinandersetzung mit der Thematik. Einige wesentliche Aussagen des Artikels halten wir jedoch für unfundiert und unzutreffend.
Dr. Martin Mosler ist Bereichsleiter für Fiskalische Nachhaltigkeit am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern, Przemyslaw Brandt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IWP. Diese Replik haben die Autoren der IWP-Studie als Entgegnung zu einem Artikel im Onlinemagazin Republik verfasst. Die Republik lehnte es ab, den Beitrag zu bringen. Der Nebelspalter hingegen hat sich bereit erklärt, ihn in voller Länge zu publizieren.
In unserer Untersuchung mit dem Titel «Gletscherinitiative und indirekter Gegenvorschlag: Verteilungspolitische Effekte eines Klimaschutzpakets zum Ersatz von Heizungsanlagen» (der Nebelspalter berichtete darüber) stellen wir zunächst den Anspruch auf staatliche Fördergelder von Schweizer Haushalten dar, und zwar auf der Grundlage von für jeden zugänglichen und aktuellen Daten des Schweizer Haushalt-Panels. Wir zeigen deskriptiv auf, dass vor allem einkommensstarke und vermögende Haushalte Subventionszahlungen erhalten würden. Dabei haben wir uns in unserer Studie bewusst auf eine transparente, statische Analyse der direkten Förderfähigkeit beschränkt, die Interessierte nachvollziehen und replizieren können.
Vermutungen zu indirekten Effekten
Im «Republik»-Artikel wird Anthony Patt zitiert, Professor für Klimaschutz & -anpassung an der ETH Zürich. Er kritisiert in seiner Stellungnahme, dass unser «Resultat ganz anders [aussähe]», wenn wir gefragt hätten, «wie stark die Mieterinnen und Mieter indirekt von den Subventionen profitieren würden». Er kommt zu dem Schluss, dass «die Schlussfolgerungen dieser Studie fehlerhaft [sind]». Seine Aussage ist zunächst für unsere Untersuchung allein deshalb inhaltlich unzutreffend, weil wir explizit die aktuelle Förderfähigkeit der Subventionsempfänger betrachten. Die Aussage ist aber auch darüber hinaus zu hinterfragen. Prof. Patt sagt, dass «Subventionen mehrheitlich an Mehrfamilienhäuser flössen und deshalb Mieterinnen ebenfalls von Subventionen profitieren würden». Im «Republik»-Artikel vermutet er, dass der Effekt für Mieter grösser ist als für die direkten Subventionsempfänger.
Natürlich kann man Vermutungen zu indirekten Effekten anstellen. Eine besteht darin, dass ein Teil der Subventionen, die die Hausbesitzer erhalten, an die Mieter weitergereicht wird. Oder man vermutet, dass die Vermieter die Subvention doch in die eigene Tasche stecken. Man könnte jedoch ebenso vermuten, dass die Subventionen an die Heizungshersteller und -monteure fliessen werden. Solche Vermutungen zu indirekten Effekten sollten mittels Daten und empirischer Modelle gestützt werden, damit sie eben nicht nur ein Bauchgefühl bleiben. Ohne ein solches Verfahren kann schlicht nicht gesagt werden, wer durch die indirekten Effekte, die Prof. Patt anspricht, gewinnt oder verliert. Wir halten die Daten- und Informationslage für eine eigene Abschätzung der indirekten Effekte für die Schweiz jedoch für leider nicht ausreichend. Auch Prof. Patt scheint nicht über ebenjene Daten oder Modelle zu verfügen, die seine Vermutungen stützen könnten.
Ökonomische Wirkungen sind wichtig
Auf unsere wiederholte Nachfrage schickte uns Prof. Patt keine belastbaren Daten oder Modelle, wonach seine zitierte Aussage auf einer eigenen empirischen Grundlage basieren würde. Er verweist in seiner Antwort an uns stattdessen auf das Schweizer Mietrecht, das eine Umlegung der Kosten von wertsteigernden Renovierungen auf die Mieter vorsieht, die bei Subventionen geringer ausfiele. Er ergänzt, dass gemäss der Website des Gebäudeprogramms nur ein kleiner Teil der Fördergelder an Einfamilienhäuser (und damit ein grösserer Teil an Mehrfamilienhäuser) fliesst. Aus dieser Beobachtung folgt jedoch nicht, dass die Fördergelder auch wirklich an die Mieter weitergereicht werden. Die Betrachtung vernachlässigt grundlegende ökonomische Wirkungsmechanismen und ist deshalb nicht dazu geeignet, einen langfristigen Gleichgewichtszustand zu beschreiben.
So müssen u.a. die Überwälzungsmöglichkeiten zwischen den Akteuren geschätzt werden. Selbst wenn rechtlich eine geringere Mietzinsanpassung in der kurzen Frist vorgesehen ist, könnte ein Vermieter Investitionen in die Qualität der Wohnung reduzieren oder den Mietzins bei der nächsten Vermietung stärker anpassen. Wie stark eine Überwälzung tatsächlich umgesetzt wird, hängt letztlich weniger von rechtlichen Bestimmungen auf dem Papier als von der Marktmacht der Akteure in der Realität ab. Ob diese angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in der Schweiz eher bei den Mietern liegt, kann durchaus bezweifelt werden. Ausserdem muss man gesamtwirtschaftliche Effekte wie Preissteigerungen bei der Heizungsinstallation aufgrund der durch die Subvention erhöhten Nachfrage in Betracht ziehen. Auch solche Effekte bleiben in der Aussage von Prof. Patt unberücksichtigt.
Zertifikate-Handel als Alternative
Für die Schweiz liegen unseres Wissens nach noch keine Studien zu indirekten Effekten der diskutierten Heizungssubventionen vor. Auch Prof. Patt übersandte uns auf unsere Nachfrage hin keine entsprechenden Untersuchungen. Zusammenfassend basiert seine Kritik letztlich nur auf einer Vermutung und ist somit spekulativ. En passant sei noch angemerkt, dass eine wissenschaftlich
begutachtete Studie für Norwegen ebenfalls eher regressive Verteilungseffekte, also direkte Effekte zugunsten wohlhabender Haushalte, von Subventionen für energetische Nachrüstungen im Gebäudesektor findet (Egner et al. 2021).
Im zweiten Teil unserer Untersuchung schlagen wir eine Ausweitung des Zertifikatehandels für den Wärme- und Gebäudesektor vor. Prof. Patt wird mit der Aussage zitiert, dass «Marktinstrumente eine Ergänzung [sind], aber alleine reichen sie nicht, um von fossilen Energieträgern wegzukommen.» Tobias Schmidt, Professor für Energie- und Technologiepolitik ebenfalls an der ETH Zürich, gibt im selben Text zu Protokoll, dass die Idee, «man benötige nur ein CO2-Handelssystem und der Markt würde dann alles regeln, naiv [ist].»
Wir stellen zunächst fest, dass wir in unserer Untersuchung das Emissions-Handelssystems als Alternative zu den diskutierten Subventionen einführen, da der Zertifikatehandel eine effektive und effiziente Politikmassnahme darstellt. Wir schreiben in unserer Untersuchung nicht, dass es die einzige Massnahme zur Dekarbonisierung des Schweizer Gebäudesektors bleiben soll. Gleichzeitig gibt es Publikationen, die den Effekt eines Zertifikatesystems speziell im Gebäudesektor auf Treibhausgasemissionen betrachten und deren Ergebnisse unseren Vorschlag bezüglich einer entsprechenden Ausweitung des Emissions-Handelssystems stützen, beispielsweise die wissenschaftlich-begutachtete Studie von Hua et al. (2016) oder die interdisziplinäre Untersuchung von Spiegel-Feld et al. (2021).
Tendenziöser Grundton
Dass zudem der Cheflobbyist der Gletscherinitiative, ihr Gründer Herr Marcel Hänggi, im «Republik»- Artikel zitiert wird, verleiht dem Text einen tendenziösen Grundton, der nicht zur Wissenschaftlichkeit der Fragestellung passt. Noch relevanter ist jedoch, dass der Artikel irreführende Formulierungen aufweist, die an der journalistischen Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung zweifeln lassen.
So gibt Herr Blülle beispielsweise unsere Ergebnisse falsch wieder, wenn er zusammenfasst, dass «(…) die Subvention nur jene unterstützen [würde], die ohnehin ihre Heizung ersetzen würden (…).» Auch ist die Aussage, der Staat soll erstmals direkt Geld in die Dekarbonisierung stecken, schlicht falsch. Prof. Patt merkt in seiner Antwort an uns zudem einschränkend an, dass er unsere Arbeit zwar als Gutachter, aber nicht als jemand beurteilen kann, der dieselbe Frage selbst untersucht hat. Durch die Textführung und die abschliessenden Aussagen im «Republik»-Artikel wird dieser Unterschied für den Leser jedoch nicht deutlich genug.
Zuletzt möchten wir zwei implizite Vorwürfe richtigstellen, die in der weiteren Diskussion aufkamen. Erstens befürworten wir einen ambitionierten und nicht etwa schwachen Klimaschutz – und kritisieren auch deswegen die Heizungssubventionen. So werden nicht nur klimapolitische Nachzügler gegenüber engagierten Bürgern bevorzugt, die als Vorreiter bereits in neue Heizungen investiert haben. Es werden wohl auch substantielle Summen durch Mitnahmeeffekte von Trittbrettfahrern wirkungslos verpuffen. Studer und Rieder (2019) beispielsweise schätzen in ihrer wissenschaftlich-begutachteten Studie basierend auf Umfragedaten speziell für die Schweiz, dass die erhaltenen Fördergelder die Investitionsentscheidung von bis zur Hälfte der Subventionsempfänger – in diesem Fall für Renovierungen im Rahmen des Gebäudeprogramms, auf das sich auch Prof. Patt im «Republik»-Artikel bezieht – nicht beeinflusst haben. Und dies weder bezüglich der generellen Entscheidung zur Modernisierung noch bezüglich der Qualität oder des Umfangs der Gebäuderenovierung. In einer wissenschaftlich-begutachteten Studie finden Grosche und Vance (2009) ähnliche Mitnahmeeffekte bei Subventionen für energetische Gebäudenachrüstungen in Deutschland von ebenfalls etwa 50 Prozent.
Zweitens haben wir als Autoren die Thematik völlig unabhängig von Dritten und schlicht aus wirtschaftspolitischem Interesse betrachtet. Niemand hat die Studie beauftragt, niemand hat sie beeinflusst, niemand hat irgendeinen Rappen dafür bezahlt. Das IWP ist unabhängig und setzt seine Forschungsagenda selbst. Durch den letzten Absatz im Artikel mit dem Verweis auf Unternehmer, die die Förderstiftung des IWP mitfinanzieren, kann ein anderer Eindruck entstehen. Die Anschuldigungen zur Käuflichkeit und den Angriff auf unsere wissenschaftliche Integrität weisen wir entschieden als falsch und im Sinne der Wissenschaft gefährlich zurück.
Unfundierte Aussagen
Wir möchten betonen, dass wir die Herren Patt, Schmidt, Hänggi und Blülle als Fachleute auf ihren Gebieten schätzen. Umso überraschender und enttäuschender für uns ist, dass der «Republik»-Artikel manche unfundierten Aussagen enthält. Über seine tendenziöse Berichterstattung kann er der freien Wissenschaft im Allgemeinen und engagierten Nachwuchswissenschaftlern im Besonderen schaden. Insgesamt trägt er leider nicht zur inhaltlichen Diskussion bei. Dabei wäre diese Diskussion so wichtig.
Quellen:
Egner, L. E., Klöckner, C. A., & Pellegrini-Masini, G. (2021). Low free-riding at the cost of subsidizing the rich: replicating Swiss energy retrofit subsidy findings in Norway. Energy and Buildings, 253, 111542.
Grosche, P., & Vance, C. (2009). Willingness to pay for energy conservation and free-ridership on subsidization: evidence from Germany. The Energy Journal, 30(2).
Hua, Y., Nishida, Y., & Okamoto, N. (2016). Alternative building emission-reduction measure: outcomes from the Tokyo Cap-and-Trade Program. Building Research & Information, 44(5-6), 644-659.
Spiegel-Feld, D., Jiang, M., Savarani, S, Spokas, K., Ünel, B., Wyman, K. (2021). Carbon Trading for New York City’s Building Sector: Report of the Local Law 97 Carbon Trading Study Group to the New York City Mayor’s Office of Climate & Sustainability. Guarini Center on Environmental, Energy & Land Use Law.
Studer, S., & Rieder, S. (2019). What Can Policy-Makers Do to Increase the Effectiveness of Building Renovation Subsidies?. Climate, 7(2), 28.