Somms Memo

Zwei Forscherinnen haben herausgefunden, was alle ahnen: Die meisten Frauen kümmern sich kaum um eine Karriere

image 11. Mai 2023 um 10:28
Männer und Frauen im Büro. Mit unterschiedlichen Folgen.
Männer und Frauen im Büro. Mit unterschiedlichen Folgen.
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Die Fakten: Eine Umfrage an der Uni Zürich und der ETH unter 10 000 Studenten und Studentinnen zeigt: Die meisten Frauen möchten keine Karriere machen.
Warum das wichtig ist: Weil sich damit fast die ganze Gleichstellungspolitik erübrigt. Oder anders gesagt: Auch Frauen dürfen selber wählen, was sie wollen.

Seit der Journalist Rico Bandle in der letzten SonntagsZeitung eine Studie von zwei anerkannten Professorinnen der Uni Zürich veröffentlicht hat, worin Erkenntnisse stehen, die da nicht stehen dürfen, weil sie nicht dem orthodox-feministischen Glaubensbekenntnis entsprechen, ist Feuer im Dach:
  • Journalisten, die sich noch nie darum gekümmert haben, ob eine Studie bereits einer «Peer Review» unterzogen worden ist, also von anderen Wissenschaftlern für methodologisch korrekt befunden wurde, entdecken plötzlich den heiligen Gral der Peer Review
  • Es sind die gleichen Journalisten, die sonst fröhlich aus Studien von Greenpeace zitieren, ohne sie je in Frage zu stellen, geschweige denn eine «Peer Review» anzumahnen; es sind die gleichen Journalisten, die jeder Umfrage unter 15 Frauen, die Diskriminierung erlebt haben, den Goldstandard der Wissenschaftlichkeit attestieren

Wenn die bewährte, wenn auch vulgärpsychologische Regel gilt, wonach sich getroffen fühlt, wer auch gemeint ist, dann haben Margit Osterloh und Katja Rost, die beiden Autorinnen, alles richtig gemacht. Die erstere ist Ökonomin, die letztere Soziologin.
  • Die überaus hysterische Reaktion auf Twitter oder in den Medien, legt den Verdacht nahe, dass man schon weiss, dass an dem, was die beiden vorgelegt haben, etwas dran ist
  • Es ist die Reaktion des Gefolges eines Kaisers, dem man jahrelang eingeredet hat, er trage schöne Kleider, und nun haben Osterloh und Rost herausgefunden, dass er nicht einmal ein Pyjama anhat

Pyjama? Die beiden Autorinnen haben rund 10 000 Studenten an der Universität Zürich und an der ETH über ihre beruflichen und privaten Ambitionen befragt. Ziel war es, die Ursachen zu ergründen, warum es an den beiden Hochschulen immer noch sehr viel mehr Professoren als Professorinnengibt – und das, obwohl seit Jahren die Frauen besonders gefördert werden und alles getan wird, um ihnen eine Uni-Karriere zu erleichtern (Kita, Teilzeit, Vorzugsbehandlung bei gleicher Qualifikation, etc.).
Tatsächlich sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache:
  • fast 60 Prozent der Studenten sind weiblich
  • Aber nur 24 Prozent aller Professoren

Noch deutlicher aber war die Sprache der Betroffenen. Die meisten Studentinnen gaben an,
  • dass sie an einer Karriere schlechterdings nicht so interessiert seien
  • Vielmehr stellen sie sich schon heute vor, dass sie, wenn Kinder da sind, ihr Arbeitspensum reduzieren möchten. Nur 19 Prozent stellten klar, dass sie auch nach der Geburt eines Kindes 100 Prozent arbeiten würden
  • Schliesslich wünschen sie sich einen Mann, der den grössten Teil des Haushaltseinkommen beisteuert, und wenn er dafür Vollzeit arbeitet, geht das auch in Ordnung. Im Übrigen schätzen sie es, wenn ihr Mann älter als sie selbst – und erfolgreich ist

Man muss sich diese Antworten auf der Zunge zergehen lassen. Was klingt, als handelte es sich um das Resultat einer Umfrage, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts vorgenommen wurde, stammt aus dem Jahr 2023. Was sich anhört wie eine Männerfantasie aus dem Muotathal, sind Lebenskonzepte von jungen Frauen, die sich in einem der progressivsten Milieus der Schweiz bewegen (und hier wohlfühlen): den mehrheitlich links geprägten Universitäten.

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Dabei müsste der Befund niemanden überraschen. Gerade die Journalisten nicht. Wenn sie etwas wissen, wozu sie keiner Peer Review bedürfen, dann das: Wie schwer es einem Vorgesetzten in einer Redaktion fällt, vielversprechende, talentierte Journalistinnen davon zu überzeugen, dass sie jetzt vielleicht eine Ressortleitung oder einen prestigereichen Posten im Bundeshaus oder in Berlin übernehmen könnten, immer mit dem Hinweis versehen, das förderte ihre Karriere auch auf lange Sicht. Ich habe das als Chefredaktor dutzendfach versucht. Selten hatte ich Erfolg.
  • Menschen dürfen ihre eigenen Prioritäten setzen – auch Frauen
  • Das ist doch Gleichstellung: Dass jeder gleich frei entscheiden darf, was er will, selbst wenn das Eidgenössische Gleichstellungsbüro missbilligt, wofür man sich entscheidet

Daten aus Deutschland vermitteln übrigens seit Jahren den gleichen Befund. Die umfangreichste Studie zur Zufriedenheit der Menschen, aus der ich bereits zitiert habe, der Sozio-oekonomische Panel SOEP, hat unter anderem untersucht, wie lange Frauen und Männer am liebsten arbeiten möchten. Dabei offenbarten sich signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern – insbesondere bei Männern und Frauen, die Kinder haben:
  • Je mehr Stunden Väter an einem Tag arbeiten, desto zufriedener sind sie. Bei neun Stunden scheint ihr Glück vollkommen. Vollzeit statt Teilzeit
  • Wogegen bei den Müttern die Zufriedenheit kaum zunimmt, wenn sie sich länger im Büro aufhalten, Teilzeit befriedigt sie genauso wie Vollzeit, ab acht Stunden werden sie gar unglücklich
  • Am kuriosesten aber ist dieses Ergebnis: Frauen fühlen sich auch zufriedener, je länger ihr Mann arbeitet, mit anderen Worten: Wer seiner Frau als Mann einen Gefallen tun will, leistet am besten Überstunden und bleibt möglichst lange ausser Haus


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Wer nun meint, er könnte diese Studie als unrepräsentativ oder zu wenig «Peer reviewed» ignorieren, täuscht sich. Beim SOEP handelt es sich wohl um die zuverlässigste und erstaunlichste empirische Sozialforschung, die es weltweit überhaupt gibt:
  • Seit 1984, seit fast vierzig Jahren, wurden in Deutschland immer die gleichen Leute wieder und wieder zu ihrer «Zufriedenheit» befragt
  • ·Die neuesten Daten stammen aus dem Jahr 2020
  • Insgesamt nahmen rund 83 984 Menschen teil, und sie stellten sich sage und schreibe 663 842-mal für ein Interview zur Verfügung

Kurz, härter können Daten gar nicht sein. Und sie belegen: Die meisten Frauen fühlen sich dann besonders wohl, wenn ihr Mann 100 Prozent arbeitet und sie einer Teilzeit-Tätigkeit nachgehen, was ihnen genügend Zeit lässt, sich um die Kinder zu kümmern.
Dass sich diese Prioritätenordnung in den vergangenen vierzig Jahren kaum verändert hat, trotz der vielen Gleichstellungsbemühungen und dem permanenten Diskriminierungs-Generalbass, den wir hören, ist bemerkenswert.
Zeit, ein paar Vorurteile zu überdenken.
Hängen unsere jungen Frauen also einem «traditionellen Rollenbild» nach, wie man das in linken, alt-väterlichen Kreisen streng verzeichnet? Unterliegen sie einem falschen Bewusstsein, wie sich die eine oder andere enttäuschte Feministin zu trösten versucht?
Ich weiss es nicht. Worauf es doch ankommt, ist das:
  • Sie haben sich frei dafür entschieden, weil sie genau die gleiche Freiheit geniessen wie wir alten, weissen Männer

Oder wie es ein solcher, überaus konservativer Mann, nämlich der erfolgloseste amerikanische Präsidentschaftskandidat aller Zeiten, Barry Goldwater, gesagt hat:
«Gleichheit, wenn richtig verstanden, führt zu Freiheit und zur Emanzipation kreativer Unterschiede; falsch verstanden, wie es in unserer Zeit so tragisch geschieht, führt sie zuerst zur Konformität und dann zum Despotismus
Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag
Markus Somm

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