Somms Memo
Zerstört Joe Biden den amerikanischen Pharmamarkt? Für die Schweiz wäre das fatal.
Joe Biden, US-Präsident und Kritiker von Big Pharma.
Die Fakten: Amerika ist der wichtigste Markt der schweizerischen Pharmaindustrie. Nun will auch Joe Biden die Preise besser kontrollieren und den Patentschutz löchern.
Warum das wichtig ist: Wenn die USA zum bedeutendsten Pharmamarkt der Welt geworden sind, dann lag das an liberalen Rahmenbedingungen. Amerika ruiniert sich – und uns.
Vor langer, langer Zeit nannte man Deutschland die «Apotheke der Welt» – weil hier die besten und innovativsten Pharmafirmen entstanden waren und ihren Sitz unterhielten:
- Bayer, in Leverkusen
- Höchst, bei Frankfurt am Main
- Schering, Berlin
- oder Merck in Darmstadt
Das war vor dem Ersten Weltkrieg. Nach 1945 erholte sich die Branche zwar, doch seit den 1990er Jahren setzte ein unaufhaltsamer Niedergang ein. Heute taucht Bayer, das grösste Unternehmen der deutschen Pharmaindustrie, noch auf Rang 13 der weltweit bedeutendsten Konzerne (2021) auf. Big Pharma befindet sich inzwischen vorwiegend in den USA – oder in der Schweiz.
Warum dieser Absturz? Es gibt viele Gründe dafür, doch eine Ursache liegt in der Politik. In Deutschland haben Minister, Beamten und Aktivisten den Standort mit beneidenswerter Energie und Systematik zerstört:
- mit ständigen, staatlich verordneten Preissenkungen für Medikamente
- mit forschungsfeindlichen Regulierungen
- mit immer weniger Verständnis für einen wasserdichten Patentschutz
Was in Deutschland zu beobachten war, geschah so gut wie in ganz Europa. Big Pharma wurde Small Pharma. Man regulierte die Industrie zu Tode.
War es nicht zu verführerisch? Überall stiegen die Gesundheitskosten, und die Bürger und Konsumenten murrten. Unter diesen Umständen gab es kaum eine Gesundheitsbehörde, kaum einen Gesundheitsminister, der nicht die Pharmaindustrie und ihre hohen Medikamentenpreise als Sündenbock entdeckte – was praktisch war. Denn man lenkte damit von den eigenen Unzulänglichkeiten ab:
- nahezu in jedem Land ist das Gesundheitswesen staatlich durchdrungen, wenn nicht vollends verstaatlicht (wie etwa in Grossbritannien)
- Spitäler, Reha-Kliniken, Pflegeheime, manche Arztpraxen: staatlich
- Universitäten, Ausbildungsstätten, Zulassungsbehörden, viele Krankenkassen: staatlich
- Vorschriften, Gesetze, WHO: staatlich
Und Politiker, dem Staat verbunden und für ihn zuständig, da die eigentlichen Chefs: Wenn jemand für die immer kostspieligere Gesundheitsversorgung die Verantwortung trug, dann an erster Stelle sie – die Politiker.
Das lässt sich auch anhand der Zahlen beweisen. Nur ein untergeordneter Teil der gesamten Gesundheitskosten sind auf die Medikamente zurückzuführen, wie die Situation in der Schweiz belegt:
Mit anderen Worten, die Pharmaindustrie ist bloss für rund 12 Prozent der gesamten Kosten verantwortlich. Wer dauernd auf die «horrenden Preise» verweist und behauptet, es liege nur an den geldgierigen Pharmakonzernen, dass die Gesundheitskosten ins Unermessliche wüchsen, ist ein Populist – oder ein Anti-Kapitalist.
Denn das macht ja die Pharmaindustrie (auch für manche Journalisten) zum geliebten und verhassten Sündenbock zugleich:
- Sie ist Teil der Privatwirtschaft, sie ist kapitalistisch, hier wird Geld verdient
- Während die meisten übrigen Akteure im Gesundheitswesen zum öffentlichen Sektor zählen – und für Gottes Lohn arbeiten, wie man meint
- Die Guten und die Bösen
Amerika unterschied sich in dieser Hinsicht immer ein wenig von der Alten Welt. Hier galten lange Zeit ungleich liberalere Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie. Zwar hat sich der Zugriff der Regierungen, ob in Washington oder in den Bundesstaaten, in den vergangenen Jahren ebenfalls verstärkt. Auch hier wurde interveniert, reguliert, kritisiert – aber am Ende obsiegten stets die vernünftigen Republikaner und ein paar vernünftige Demokraten.
Man wusste, was man an der eigenen Pharmaindustrie hatte, der weltbesten, der innovativsten, der rentabelsten – und wehrte alle Versuche ab, das schlechte, da selbstzerstörerische Vorbild aus Europa nachzuahmen.
No more. Das ist nicht mehr der Fall.
Von den paar vernünftigen Demokraten ist nicht mehr viel zu hören, seit Joe Biden Präsident geworden ist. Schritt für Schritt hat seine Administration den amerikanischen Pharmamarkt den gleichen Rosskuren unterworfen, wie Europa das vorgemacht hat.
- 2022 haben die Demokraten durchgesetzt, dass die Medikamentenpreise für Medicare-Patienten nicht rascher als die Inflation zulegen dürfen (Medicare ist eine öffentliche Krankenversicherung des Bundes für ältere Leute)
- Ebenfalls senkte die Administration die Preise einer Reihe von Medikamenten (für Medicare), um damit ihre Klimapolitik zu finanzieren
- Ausserdem möchten die Demokraten den Patentschutz für ausgewählte Medikamente lockern, etwa für die Krebsbehandlung, sofern der betreffende Hersteller von staatlicher Unterstützung profitiert hatte
- In den internationalen Verhandlungen zum Patentschutz gelten die USA inzwischen als unsicherer Kantonist. Ähnlich wie die EU sind sie bereit, den Patentschutz zu relativieren. Noch stemmen sich die Schweiz, Grossbritannien und Japan dagegen – zusehends auf verlorenem Posten
Für die schweizerische Pharmaindustrie sind das unerfreuliche Nachrichten, zumal für sie kein Land so bedeutsam ist wie Amerika – als Markt, aber auch als Forschungs- und Produktionsstandort.
Hüstelt Amerika, bekommt Basel eine schwere Grippe.
Immerhin regt sich Widerstand – in Amerika:
«Was war die grosse Lehre aus Corona?», fragte Albert Bourla, der CEO von Pfizer, in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal am Rande des WEF:
«Dass es Gott sei Dank eine blühende Life-Sciences-Industrie gab, die überwiegend privat betrieben, aber auch durch die Wissenschaft ergänzt wurde. Das ist es, was uns gerettet hat».
Was Bourla mit Blick auf Corona sagt, gilt für nahezu alle Fortschritte, die wir in den vergangenen hundert Jahren gemacht haben, wenn es um unsere Gesundheit geht. Die Pharmaindustrie und ihre immer wirksameren Medikamente haben das Leben des Menschen entscheidend erleichtert und verlängert.
Damit ist nicht zu spassen. Oder wie es Mark Twain, der amerikanische Autor, formulierte:
«Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern – Sie könnten an einem Druckfehler sterben.»
Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tag
Markus Somm