Migration
Wohnung gekündigt: Rauswurf wegen Asylbewerbern in Zürcher Gemeinde
Bald ziehen Asylbewerber in eine 5.5 Zimmerwohnung in Seegräben ein – Dafür erhielt der Mieter die Kündigung (Bild: Keystone)
Die Zürcher Gemeinde Seegräben hat einem Mieter im Aathal diese Woche die Kündigung geschickt, um in seiner 5,5-Zimmer-Wohnung Asylbewerber einzuquartieren. Dies schreibt die Gemeinde in einem Brief an den Mieter. Das Schreiben ist echt, wie mehrere Quellen aus dem Umfeld der Gemeinde bestätigen. Die Gemeinde verweist auf Anfrage an den Gemeindepräsidenten Marco Pezzatti (FDP). Der «Nebelspalter» konnte mit Pezzatti sprechen. Dieser bestätigt zusätzlich die Echtheit des Brief.
Die Gemeinde Seegräben kündigt Wohnung zur Unterbringung von Flüchtlingen (Bild: zVg)
Die Gemeinde sei wegen der «hohen Migrationszahlen» verpflichtet, Asylbewerber aufzunehmen. Da man auf dem freien Markt nicht fündig geworden sei, habe sich der Gemeinderat entschieden, die gemeindeeigene Liegenschaft als Asylunterkunft zur Verfügung zu stellen. «Wir bedauern, dass wir keine andere Lösung finden konnten und hoffen, dass Sie schnell eine andere Wohnung finden.»
Gemeinde bittet Mieter trotzdem um Anstand
Der Mieter wurde vor zwei Tagen mündlich über die Kündigung informiert und erhielt den Brief gestern per Post. «Wir hoffen, dass trotz der für Sie unerfreulichen Situation das Mietverhältnis in gegenseitigem Einvernehmen und Anstand abgeschlossen werden kann.»
Für die SVP ist dieser Zustand inakzeptabel. «Die Gemeindeexekutiven müssen jetzt die gescheiterte Asylpolitik des Bundes ausbaden», meint SVP Kantonsrat Daniel Wäfler aus dem Bezirk Hinwil. Er sei schockiert über den anhaltenden Zielkonflikt in unserem Land: «Wir forcieren zwar einen extremen Naturschutz und gleichzeitig sollen wir immer mehr Menschen auf hohem Standard unterbringen». Wäfler vermutet, dass der Vertreter der SVP im Gemeinderat von Seegräben, Patrik Jenal sich gegen den Beschluss wehrte. Er habe aber wahrscheinlich die Brisanz unterschätzte und hätte seine ablehnende Haltung trotz Kollegialitätsprinzip kommunizieren sollen.
Jetzt spricht der Gemeindepräsident Pezzatti
Gemeindepräsident Marco Pezzatti (FDP) bestätigt ebenfalls die Echtheit des Schreibens. Dieses sei nach einem persönlichen Gespräch versendet worden. Der Grund für die Kündigung sei die zwingende Unterbringungsquote der Gemeinden. Diese müssen 0,9 Prozent der Einwohnerzahl an Asylsuchenden aufnehmen. Dies entspricht in Seegräben bei rund 1400 Einwohnern 13 bis 14 Asylsuchenden. «Ich spreche hier nur von der aktuellen Quote, doch diese wird wahrscheinlich aufgrund des aktuellen Zustands noch erhöht werden», meint Gemeindepräsident Pezzatti. «Aktuell haben wir «nur» neun Asylsuchende, die ins Kontingent fallen. Daher könnten uns jederzeit weitere Asylsuchende zugewiesen werden und wir hätten keinen Wohnraum dafür.»
Die Gemeinde habe über Monate nach freien Wohnungen gesucht. «Wir haben alles versucht und jetzt mussten wir handeln», meint Pezzatti. Als letzte Option sei nur noch die Kündigung in der eigenen Liegenschaft übrig geblieben. Bei den Schutzsuchenden aus der Ukraine hatte die Gemeinde in der Vergangenheit mehr Erfolg bei privaten Vermietern.
Container würden sich nicht lohnen
Inwiefern der Mieter bei der Wohnungssuche – bei welchem die Gemeinde über Monate gescheitert ist – bessere Chancen hätte, meint Pezzatti: «Das ist eine berechtigte Frage. Es ist klar, dass es eine schwierige Ausgangslage ist. Doch als Eigentümer war dies unsere letzte Variante». Container würden sich gemäss Pezzatti erst bei 20 Personen lohnen, für ein paar Wenige sei dies ein unverhältnismässiger Aufwand. «Dies würde auch von der Bevölkerung nicht verstanden werden, wenn wir gemeindeeigene Wohnungen haben und gleichzeitig Kosten mit einer Containeranlage verursachen», betont Pezzatti. Ob die Kündigung bei der Bevölkerung besser ankommt, möchte der Gemeindepräsident nicht beurteilen. «Dass die Kündigung jedoch problematisch ist, war uns klar.»
Bis jetzt ist es eine Kündigung auf Vorrat
Weitere Kündigungen seien nicht geplant. Trotzdem seien die Gemeinden mit der Unterbringung gefordert. «Gerade für kleine Gemeinden sei dies eine Herausforderung», betont Pezzatti. Vom Kanton fühlt er sich nicht im Stich gelassen: «Der Kanton hat dasselbe Problem. Dieser muss die Asylsuchenden auf die Gemeinde verteilen und wir müssen diese auf den Wohnraum verteilen. Irgendjemand ist der Letzte in der Kette. In diesem Fall ist es die Gemeinde». Welche Asylsuchende in die 5,5-Zimmer-Wohnung ziehen, ist noch nicht bekannt. Pezzatti werde sich beim Kanton dafür stark machen, dass eine Familie einziehen kann.
Kanton Zürich muss 17,9 Prozent der Asylsuchenden übernehmen
Der Kanton Zürich ist aufgrund des bevölkerungsproportionalen Verteilschlüssels verpflichtet, 17,9 Prozent der asyl- und schutzsuchenden Personen aufzunehmen. Gemäss Asylstatistik verzeichnete der Kanton Zürich im vergangenen Jahr über 15'000 Zugänge – rund 13'000 Personen mit Schutzstatus S und über 2000 Personen aus dem Asylbereich. Bereits im Januar eröffnete der Kanton auf der ehemaligen Polizeikaserne in der Stadt Zürich eine zusätzliche Unterkunft für 300 Personen. Die Nutzung der ehemaligen Polizeikaserne als kantonale Asylunterkunft ist befristet – wie lange, ist noch offen.