EU-Politik
Wohlstand durch Freihandelsabkommen
Fast 13 Prozent mehr Wertschöpfung: Die Chemiebranche würde besonders profitieren. (Bild: Keystone)
Eine Studie von drei renommierten Wirtschaftsinstituten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kommt zum Schluss, dass die EU und die Schweiz ein umfassendes Freihandelsabkommen abschliessen sollten, um Wohlstand zu schaffen. Die politische Integration in den Binnenmarkt ist dazu nicht nötig.
Was wichtig ist:
- Ein umfassendes Freihandelsabkommen, wie es die EU mit Kanada unterzeichnet hat, würde sowohl in der EU wie in der Schweiz Wohlstand schaffen.
- Eine politische Integration in den Binnenmarkt, die Verpflichtung zur Übernahme von EU-Recht durch die Schweiz oder die Streitschlichtung durch den Gerichtshof der EU ist dazu nicht nötig.
- Die EU sollte sich flexibler zeigen im Umgang mit Staaten, die ihr nicht beitreten wollen, fordert Gabriel Felbermayr, einer der drei Studienautoren.
Gabriel Felbermayr vom österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung in Wien, Inga Heiland vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel und Christoph Schaltegger und Martin Mosler vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik haben mit dem Modell der Kieler Ökonomen die wirtschaftlichen Folgen eines umfassenden Freihandelsabkommens der Schweiz mit der EU errechnet. Sie haben dazu das Abkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) als Vorlage genommen. Die Schweizer Wertschöpfung würde um 1,5 Prozent zunehmen. Die Realeinkommen würden um 2,4 Prozent steigen.
Fast 20 Prozent mehr Exporte
Grund dafür wäre der zusätzliche Handel: Die Exporte der Schweizer Wirtschaft in die Europäische Union würden um gut 19,5 Prozent steigen, der Zuwachs bei den Importen aus den 22 europäischen Partnerländern würde 17 Prozent betragen. Nicht betroffen wären bestehende Handelsbeziehungen der Schweiz zu Drittstaaten ausserhalb der EU.
Dieses Ergebnis vergleichen Sie mit einer Desintegration der Schweiz ohne jede Binnenmarktintegration. In diesem Szenario könnte die Wertschöpfung um 1,6 Prozent sinken, die Realeinkommen gar um 2,6 Prozent.
Wohlstandsgewinne ohne politische Kosten dank einem umfassenden Freihandelsabkommen. (Grafik: Studie)
Bei einem Beitritt zur EU würde der Wohlstand ebenfalls steigen: die Wertschöpfung um vier Prozent, die Realeinkommen um 7,2 Prozent. Dies würde jedoch «ökonomische und politische Harmonisierungskosten mit sich bringen, die nicht systematisch quantifizierbar und mit den Handelseffekten verrechenbar sind», schreiben die Autoren. Die tatsächlichen Auswirkungen eines EU-Beitritts seien daher «ungewiss». Ein Beitritt würde die heute global ausgerichtete Schweizer Wirtschaft mehrheitlich auf den Binnenmarkt und auf mit der EU verbundene Drittstaaten ausrichten. Exporte nach China, Japan, Brasilien oder Vietnam würden darunter leiden. Die damit verbundenen Transformationskosten und wirtschaftlichen Risiken sind in der Studie ebenfalls nicht abgebildet.
Die Untersuchung zeige, dass sich mit einem umfassenden Freihandelsabkommen, wie es die EU mit Kanada unterzeichnet hat, eine «souveränitätsschonende Alternative zur weiteren politischen Integration» gebe, mit der sich «bedeutende Wohlstandsgewinne» erzielen liessen. Eine solche Vertiefung des Marktzugangs müsste in beidseitigem Interesse sein, heisst es in der Studie, weil sie Wohlstand in beiden Volkswirtschaften schaffen würde.
EU soll flexibler sein
Gabriel Felbermayr fordert die EU auf, flexibler zu sein. In einer Stellungnahme, die sich auf die Studie bezieht, hält es Felbermayr für sinnvoll, eine Teilnahme am EU-Binnenmarkt nicht von der politischen Integration abhängig zu machen. Er schlägt ein Europa mit verschiedenen «Clubs» vor. In einem ersten Club finden jene Länder zusammen, die sich auch politisch zusammenschliessen möchten. In einem zweiten, bloss von Freihandel geprägten Club würden sich die übrigen Länder zusammentun, beispielsweise die Schweiz und Grossbritannien.
Der Vorschlag ist nicht ganz neu: Bereits 2016 hielt der Brüsseler Think Tank Brueghel fest, dass es die Personenfreizügigkeit und den politischen Überbau der EU für einen funktionierenden Binnenmarkt nicht brauche. Er schlug eine «Partnerschaft» der EU mit jenen Staaten vor, die sich nicht politisch integrieren wollten.