Somms Memo

Wo, Wo, Wohnige? Es gibt keine Wohnungsnot in der Schweiz.

image 31. August 2023 um 10:00
Baustelle in Zürich. Hier wird endlich gebaut, nachdem die Beamten 167 Tage nachgedacht haben. (Bild: Keystone)
Baustelle in Zürich. Hier wird endlich gebaut, nachdem die Beamten 167 Tage nachgedacht haben. (Bild: Keystone)
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Die Fakten: Zur Zeit fehlen in der Schweiz 10 000 Wohnungen, besonders in Zürich, Genf und Basel. Zu diesem Schluss kommt Avenir Suisse. Warum das wichtig ist: Es herrscht keine Wohnungsnot in der Schweiz – sondern sie herrscht in den rot-grünen Städten. Gibt es einen Zusammenhang? Zwar hat sich auch der Nebelspalter in Zürich niedergelassen – also sitze ich im Glashaus – und dennoch halte ich es für einen schweren Missstand, dass fast alle nationalen Medien in Zürich ihren Sitz haben.  Das führt dazu, dass manche Journalisten die Stadt Zürich mit der Schweizverwechseln.
  • Wenn es in Zürich regnet, dann schreiben sie: «Hochwasser in der ganzen Schweiz. Klimawandel fordert erste Opfer» (weil in Seebach eine Katze ertrunken ist)
  • Und wenn sie wieder einmal keine Wohnung finden im Kreis 7 oder 8 (Jugendstil, 4 Zimmer, unter 1500 Franken), dann schreiben sie halt einen Artikel: «Es herrscht Wohnungsnot in der ganzen Schweiz» SP, hilf!

Was polemisch klingt, bestätigt nun die jüngste Studie von Avenir Suisse, dem liberalen, wirtschaftsnahen Think Tank: Wenn man den Leerwohnungsbestand über die vergangenen Jahre betrachtet, dann befinden wir uns keineswegs in ausserordentlichen Zeiten:
  • Zwar mangelt es an etwa 10 000 Wohnungen, schätzt Avenir Suisse, doch dieser Mangel ist sehr ungleich verteilt
  • Nur in Zürich, Genf und Basel ist es tatsächlich etwas schwieriger (und deshalb kostspieliger), an eine neue Wohnung heranzukommen,
  • wogegen es in der übrigen Schweiz zum Teil beträchtlichen Überbestand gibt, im Berner Jura etwa stehen bis zu zehn Prozent der Wohnungen leer, ähnlich, wenn auch etwas weniger dramatisch, sieht es in der Ostschweiz oder im Kanton Solothurn aus

Gewiss, nicht jeder will in Courtelary leben, aber es gibt auch kein Menschenrecht, im Zürcher Seefeld zu wohnen. Warum konzentriert sich die Not vorwiegend auf die grossen Städte?
  • Zunächst ist es trivial: Grosse Städte gelten in den Augen mancher nach wie vor als attraktiv, vor allem, wenn sie aus dem Ausland zuziehen und nur Zürich oder Genf kennen, während sie beim Wort Langenthal an einen Bauernhof mit Leibeigenen denken
  • In grossen, bekannten Städten ist die Nachfrage besonders hoch, und das Angebot hinkt immer etwas hinterher, das muss sich in den Preisen und der Zahl an Leerwohnungen widerspiegeln

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Es handelt es sich aber auch durchgehend um Städte, die von der Linken regiert werden. Avenir Suisse, vornehm wie dieser Think Tank sich gerne gibt, spricht das nicht so deutlich aus.
  • Ein linkes Mindset unter Politikern, Beamten (und auch Einwohnern) wirkt sich jedenfalls aus: zum Beispiel auf die Bewilligungspraxis, die in Zürich inzwischen den komplexen Ritualen indigener Regentänzeim Pazifik gleicht
  • Fairerweise muss man hier auch den bürgerlich beherrschten Kanton in die Verantwortung ziehen: Im Kanton Zürich dauert es im Durchschnitt 167 Tage, bis ein Baugesuch von den Göttern des Regentanzes genehmigt wird. Das ist eine Steigerung von 76 Prozent im Vergleich zu 2010, im Kanton Basel-Stadt, eine urbane Hochburg, sind es 190 Tage (+ 98 Prozent)
  • Nirgendwo tanzen die Baubeamten aber länger als im Kanton Genf: fast 500 Tage verstreichen, bis ein Baugesuch ihre Gnade gefunden hat. Das ist nahezu anderthalb Jahre.

Dass dann 10 000 Wohnungen nicht bereitstehen, wenn sie gebraucht werden: Wer ist da wirklich überrascht? Ein Zweites kommt hinzu – und auch hier hängt es mit einem linken Mindset zusammen. Unser Mietrecht, stark geprägt von den (linken) Mieterverbänden, mag gut gemeint sein, aber wie so oft, stellt sich gut gemeint als das Gegenteilvon gut heraus:
  • Vermieter können den Mietzins kaum erhöhen – es sei denn die Inflation steigt oder die Zinsen, zumal alles streng reguliert ist. Das führt dazu, dass Mieter, die vor Jahren eingezogen sind, von einem Mietzins profitieren, der zuerst vernünftig war (für beide Seiten), dann aber immer günstiger wird (für den Mieter)
  • Nur, wenn der Vermieter eine Wohnung (endlich) neu vermieten kann (weil der Mieter vielleicht ins Altersheim gewechselt ist), darf er den Mietzins so anpassen, dass er auch etwas verdient. Das gleiche gilt, wenn er eine Neubauwohnung zum ersten Mal auf dem Markt anbietet
  • Damit schafft das Mietrecht auch eine Zweiklassengesellschaft unter den Mietern: Die einen geniessen das Privileg einer billigen Wohnung, weil sie schon lange drinsitzen, während die andern, oft Junge, oft Zuzüger, auf die teuersten Wohnungen treffen, nämlich jene, die neu auf den Markt kommen

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Kurz, wer nie mehr auszieht, lebt besser als derjenige, der umzieht und eine neue Wohnung sucht. Es ist ein Recht für den Wohnbünzli, der sich für urban hält, weil er in Wipkingen aufgewachsen und dann nach Höngg ausgewandert ist, wo er bleibt, bis er stirbt. Die Folge: Es ergibt sich eine Differenz zwischen diesen sogenannten Bestandsmieten (alte Mietverhältnisse) und Transaktionsmieten oder Neumieten.
  • Und nirgendwo klafft dieser Unterschied so eklatant auseinander wie in Genf oder Zürich, dem einzigen Ort, wo wirklich Wohnungsnot herrscht – unter den dort ansässigen Journalisten

The Big Picture: Auch der Wohnungsmarkt ist ein Markt – und nichts bringt Angebot und Nachfrage mehr in Einklang, als diesen Markt spielen zu lassen. Je mehr reguliert wird, desto mehr geraten Angebot und Nachfrage durcheinander. Am Ende bricht der Mangel aus. Oder wie es Milton Friedman gesagt hat (ich weiss, ich habe diese Einsicht schon gebracht, und doch muss es hier sein): «Wenn Sie der Regierung die Verwaltung der Sahara übertragen, wird es dort in fünf Jahren einen Mangel an Sand geben.» Ich wünsche Ihnen einen formidablen Tag Markus Somm Wer es genauer wissen will: Studie Avenir Suisse: Mieten und Mythen, Acht Thesen zum Schweizer Wohnungsmarkt auf dem Prüfstand

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