Printausgabe
Wie viele Unterschriften?

Marina Lutz
Trotz der fünf Jahre in der Schweiz redete ich, die Süddeutsche, kein perfektes Schwyzerdütsch. Ich sagte: «guck mal» statt «lueg emol», «nimme» statt «nümmä» und so wiiter.
Nun wollten wir aber eingebürgert werden. Hauptsächlich war das der Wunsch meines deutschen Mannes, der schon lange hier lebte und behauptete, die Deutschen seien unbeliebt. Damals war übrigens die Doppelbürgerschaft noch nicht erlaubt. Nun, ich fühlte mich hier wohl, ich wollte gerne bleiben. Also war ich einverstanden.
So kam es zur Prüfung. Im Saal des Amtshauses sassen viele dunkel gekleidete Persönlichkeiten am u-förmigen Tisch. Sie würden beurteilen, ob wir uns genügend assimiliert hätten.
Und ja, da war ich, eine liebe Mutter. Hatte unser schlafendes Baby im Arm und hielt einen Vortrag über die Sitten und Gebräuche im alten Zürich. (Man konnte die Prüfungsform wählen: entweder Vortrag halten oder Fragen beantworten.)
Ingo, eifriger Tagesanzeiger-Leser, wollte sich zur Politik befragen lassen. Doch plötzlich kam er ins Straucheln, wusste nicht mehr, wie viele Unterschriften es wofür brauchte und verhaspelte sich derart, dass ich schon befürchtete, nur ich würde in die Eidgenossenschaft aufgenommen werden.
Ich musste ihn retten! Aber wie? Ich zwickte das Baby auf meinem Arm heimlich, aber kräftig ins Bein, bis es schrie. Dann reichte ich es Ingo hinüber. Und die Abfragerei hatte ein Ende. Ein positives.