Somms Memo

Wer ist Vivek Ramaswamy? Anmerkungen zu einer politischen Rakete.

image 28. August 2023 um 10:00
Vivek Ramaswamy (38), Unternehmer, Publizist und Präsidentschaftskandidat.
Vivek Ramaswamy (38), Unternehmer, Publizist und Präsidentschaftskandidat.
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Die Fakten: Die erste Debatte der Republikaner hat einen Star hervorgebracht: Vivek Ramaswamy.  Warum das wichtig ist: Er wird nicht Präsident. Doch er zeigt, warum Amerika immer noch das interessanteste Land der Welt ist. Umfragen nach der Debatte, die am Mittwoch auf Fox News stattgefunden hat, legen nahe, dass nur einer wirklich von diesem ersten Auftritt aller Republikanischen Kandidaten profitiert hat (Trump nahm nicht teil):
  • Vivek Ramaswamy, ein Mann, den vorher so gut wie niemand gekannt hatte – wofür sicher auch der ungewöhnliche Name verantwortlich war. Wie spricht man das aus, ohne zu verzweifeln?
  • Der junge, dunkelhäutige Mann, in Cincinnati, Ohio geboren, ist das Kind zweier indischer Einwanderer, der Vater Ingenieur, die Mutter eine Psychiaterin
  • Erst 38 Jahre alt, verfügt er bereits über ein Vermögen von gegen einer Milliarde $. Dabei hat er jeden Dollar und jeden Cent selbst verdient. Zuerst an der Wall Street bei einem Hedge Fund, dann als Gründer eines Pharmaunternehmens

Als er am Mittwoch auftrat, wirkte er zwar etwas allzu übermotiviert wie ein junger Student, der um jeden Preis die Aufmerksamkeit seines Professors erwecken will – indem er dauernd aufstreckt, selbst wenn er nichts mehr zu sagen hat.
  • Er unterbrach die anderen fast zwanghaft
  • dabei lächelte er Pepsodent-mässig
  • er zeigte jedem, der es wissen wollte, für wie brillant er sich hielt

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Und doch beherrschte er das Feld der übrigen Politiker, die viel mehr Erfahrung vorzuweisen hatten als er. Das mag mit seiner Biografie zusammenhängen. Ist er nicht die Verkörperung des American Dream?
  • Als Schüler wurde er derart geplagt und gehänselt – weil er dunkler aussah als die anderen –, dass seine Eltern ihn in eine Privatschuleschickten, was sie sich nur dank einem Stipendium leisten konnten. Es war eine Jesuitenschule. Die Ramaswamys sind Hindu.
  • Hier, in einem strengen, strukturierten Umfeld, blühte er auf – bald stieg er zum Klassenbesten auf. Er schloss mit Auszeichnung ab
  • Kurz darauf brachte er es fertig, in Harvard aufgenommen zu werden, wo er in Biologie abschloss (summa cum laude), später erwarb er einen Doktor in Recht an der Yale Law School. Er ist also Abgänger zweier der besten Universitäten der USA (und der Welt)

In der Zwischenzeit hatte er an der Wall Street schon die ersten eigenen Millionen verdient. Schliesslich rief er Roivant Sciences ins Leben, eine Firma, die von grossen Konzernen Patente für Medikamente aufkaufte, die kaum Aussicht zu haben schienen, je bewilligt zu werden. Ramaswamy hatte Erfolg – und wurde sehr reich. Der Mann heiratete eine Ärztin, sie haben zwei kleine Kinder. So gesehen gab es keinen Grund, dass er sich je für Politik interessiert hätte. War es nicht erfreulicher, viel Geld zu verdienen als sich als Politiker von Gegnern und von Journalisten beschimpfen zu lassen?
  • Doch Ramaswamy, der ahnungslose Unternehmer, kam auf die Welt. Er wurde politisiert. Ihm ging zunehmend auf die Nerven, wie manche seiner Kollegen in der amerikanischen Wirtschaft sich darin übertrafen, allen Wünschen der radikallinken Woke-Bewegung nachzugeben
  • Das Stichwort lautet ESGEnvironmental, Social, and Corporate Governance, oder der Versuch, den angeblich bösen Kapitalismus zu einem guten Kapitalismus zu machen
  • Milliardäre wetterten über soziale Ungleichheit, als wollten sie Karl Marx als CEO für ihr Family Office gewinnen. Und wenn Manager über das Klima redeten, klangen sie grüner als die Klimakleber. Offen blieb nur, wo sie sich ankleben würden: An ihrem Maserati oder am Privatflugzeug?

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The Big Picture: Irgendwann wurde es Ramaswamy zu bunt. Wenn er nach einem Auslöser für seine Politisierung gefragt wird, dann nennt er die Black Lives Matter-Proteste, die im Jahr 2020 ausgebrochen waren, nachdem ein weisser Polizist einen Schwarzen getötet hatte.
  • Was zu Beginn «friedliche» Proteste gewesen sein mögen, artete umgehend zu nächtelangen Strassenschlachtenin Amerikas Städten aus
  • Es wurde randaliert, es wurden Geschäfte angezündet, ja es kamen sogar Menschen um

Dennoch erklärten sich fast alle grossen amerikanischen Konzerne«solidarisch» mit den Anliegen der BLM, einer mehrheitlich gewalttätigen und marxistischen Bewegung. Was Irrsinn genug war. Doch die Furcht, als «Rassisten» zu gelten, schien grösser. Woke hatte gewonnen. Ramaswamy machte da nicht mit – was ihm womöglich auch leichter fiel, weil er aus Indien stammte und sich keiner rassistischen Regung bewusst war. Im Gegenteil. Hatte er als Dunkelhäutiger nicht selbst in der Schule unter Rassismus gelitten? Er weigerte sich, im Namen seiner Firma BLM zu unterstützen – und musste erstaunt feststellen, dass er damit bei seinen Mitarbeitern und bei seinen Aktionären (mehrheitlich weiss und einheimisch) auf keinerlei Verständnis stiess. Er kam unter Druck. War es nicht verrückt? Die einst vorwiegend republikanische Wirtschaftselite unterwarf sich einer linksextremen Sekte, als hätte diese gerade das Weisse Haus übernommen. Von diesem Moment an wandelte sich der Unternehmer Ramaswamy zuerst in einen politischen Publizisten, schliesslich zu einem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner.
  • Insbesondere sein Buch: Woke Inc., das er 2021 veröffentlicht hatte, machte ihn zu einem konservativen Star
  • Wenn es je eine brutale, aber präzise Abrechnung eines Corporate Insiders mit Corporate America gab, dann dieser Bestseller.

Woke hatte einen mächtigen, da eloquenten und blitzgescheiten Widersacher bekommen. Ist nicht das der Grund, warum wir Amerika immer von neuem bewundern? Gewiss, das Land ist polarisiert, und die beiden wahrscheinlichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2024, sind zwei uralte Männer, die beide sicher nicht für die besten Traditionen Amerikas stehen, der eine korrupt, der andere crazy, und doch gibt es immer wieder neue Leute, die das Verhockte und Verfaulte wegräumen, Aufsteiger und Aussenseiter, die aus dem Nichts auftauchen und daran glauben, das Land erneuern zu können. Wo finden wir solche Leute in Europa? Kurz, innenpolitisch hat Ramaswamy viel zu bieten, aussenpolitisch dagegen ist er eine Gefahr für die Welt. Dazu mehr in einem nächsten Memo. Oder wie es Winston Churchill, der grosse britische Staatsmann, schon wusste: «Sie können davon ausgehen, dass die Amerikaner immer das Richtige tun – nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.» Ich wünsche Ihnen einen perfekten Wochenbeginn Markus Somm

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