Bundeshaus-Briefing #1
Was nächste Woche in Bern läuft
Das Bundeshaus in Bern – Zentrum der politischen Entscheidungen auf nationaler Ebene. (Bild: Keystone)
Willkommen zum Bundeshaus-Briefing des Nebelspalters. Ab sofort informiere ich Sie jede Woche über das, was in Bern passiert ist, was nächste Woche ansteht und auf welche Akteure besonders zu achten ist. Ich bin seit 25 Jahren im Bundeshaus tätig. Mein Hintergrundwissen fliesst in diesen Newsletter ein.
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Das gibt zu reden
SP-Ständerat Daniel Jositsch. Bild: Keystone
Sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat haben diese Woche Motionen abgelehnt, welche die Weiterleitung von aus der Schweiz stammenden Waffen an die Ukraine ermöglicht hätten.
Das Zitat dazu von Ständerat Daniel Jositsch (ZH, SP) zum Antragsteller Ständerat Thierry Burkart (AG, FDP) – aus dem Amtlichen Bulletin des Parlaments:
Was nächste Woche aktuell wird
Das Topthema wird die Stromversorgung sein. Der Nationalrat berät ab Montag den sogenannten «Mantelerlass», mit dem erneuerbare Energien weiter gefördert und Ziele für ihren Ausbau verankert werden sollen (Link). Ursprünglich hätten die Subventionen 2022 und 2030 auslaufen sollen, weil sich Erneuerbare dann rechnen würden.
Die Fakten: Der Ständerat erhöhte die Ausbauziele und lockerte den Umweltschutz beim Bau von Projekten zusätzlich. 15 Wasserkraftprojekte sollen priorisiert werden. Wegen des vom Ständerat vorgeschlagenen Ausbaus der Produktion von Flatterstrom (Kosten: rund 6 Mia.) muss das Stromnetz gemäss Bundesamt für Energie bis ins Jahr 2050 für zusätzliche 37 Milliarden Franken (insgesamt 82 Mrd.) ausgebaut werden. Die Netznutzungstarife der Stromkunden werden um 121 %, der Strom aus der Steckdose um 70 % teurer.
Der Streit: Umstritten ist, wie stark der Landschaftsschutz zugunsten von Wasserkraft, Wind- und Solarenergie geopfert werden soll. SP, Grüne und Mitte wollen zusätzlich eine Solardachpflicht für Neubauten, was Immobilien und Mieten verteuern würde. Die SVP will eine einfachere Bewilligung von AKWs. Es sind zwar noch keine Referenden angekündigt, aber möglich: Von Links-grün, wegen der Lockerung des Umweltschutzes, von Rechts wegen der Solardachpflicht.
Zu achten ist auf:
- Bundesrat Albert Rösti: Auch wenn er die Vorlage von der Vorgängerin geerbt hat: Es ist sein erstes grosses Geschäft im Nationalrat. Er setzt das Narrativ für die Weiterentwicklung der Energiepolitik. Was ist wichtiger: Die Stromversorgung oder der Umbau mit Dekarbonisierung und auslaufenden Atomkraftwerken?
- Nicolo Paganini: Der Mitte-Nationalrat wurde von seiner Partei zum Energiepolitiker auserkoren. Wie stark emanzipiert er sich vom Erbe Doris Leuthards? Und macht seine Fraktion mit?
- Matthias Samuel Jauslin: Der freisinnige Nationalrat aus dem Aargau macht bei zahlreichen Minderheitsanträgen von links-grün mit. Folgt ihm seine Fraktion, oder ist der Gössi-Freisinn, vielleicht doch vorbei, bei dem die FDP der SP zu Mehrheiten verhalf?
Das zweite wichtige Thema wird die EU-Politik sein. Am Mittwochabend trifft Bundesrat Ignazio Cassis den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, zu einem Arbeitsessen.
Die letzte offizielle Begegnung von Cassis und Šefčovič im November 2021. (Bild: EU-Kommission)
Die Befürworter einer Annäherung an die EU fordern dieses Treffen seit mehr als einem Jahr. Sie haben ursprünglich auf einen Durchbruch bei den Sondierungsgesprächen gehofft. Sie versuchten, Ignazio Cassis unter Druck zu setzen, in Verhandlungen einzutreten. Allerdings wollen dies beide Seiten erst tun, wenn alle offenen Fragen geklärt sind. Und das sind viele:
- Streitschlichtung und Rolle des Europäischen Gerichtshofes dabei
- Nachvollzug von EU-Recht oder Möglichkeit eines Opt-out für die Schweiz
- Faktische Überwachung der Schweiz durch die EU-Kommission
- Inhaltliche Fragen wie Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie, staatliche Beihilfen und Staatsunternehmen wie Gebäudeversicherungen und Kantonalbanken, Liberalisierung des Strommarktes, Gentech-Moratorium
- Bestehende Diskriminierungen der Schweiz durch die EU bei der Forschungszusammenarbeit oder bei der Anerkennung von Normen
Die EU beharrt auf ihrer Position: Der bilaterale Weg ist für sie zu Ende. Es gibt keinen privilegierten Marktzugang mehr ohne politisch-rechtliche Anbindung. Der Schweiz würde jedoch ein Freihandelsabkommen genügen, wie es die EU mit Kanada abgeschlossen hat. Gemäss einer Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik würde das einen Wachstumsschub bewirken – auch in der EU. Die Untergangsszenarien von zu stark auf die EU ausgerichteten Wirtschaftsverbänden haben sich bis jetzt nicht bewahrheitet.
Zu achten ist auf:
- Bundesrat Ignazio Cassis: Spricht er die weiterhin bestehenden Probleme an oder lässt er sie weg, um die Stimmung nicht zu verschlechtern?
- Die Berichterstattung in den Medien darüber: Dominiert die nüchterne Einschätzung oder die Empörung, dass die offenen Fragen weder schnell gelöst, noch ignoriert werden können?
Was sonst noch läuft
- Bundespräsident Alain Berset hat einen Auftritt an der Uni St. Gallen. Er lässt sein aussenpolitisches Flair aufblitzen und spricht zum Thema «Welt in der Krise – und die Schweiz?». Er redet ausdrücklich über die Rolle der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat – was eigentlich Ignazio Cassis’ Angelegenheit ist. Dem Vernehmen nach hat Berset den Auftritt selbst eingefädelt. Er nutzt sein Präsidialjahr, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen, so auch kürzlich mit einem mehrtägigen Auftritt bei der Uno in New York oder mit einem dreitägigen Besuch in Botswana und Mosambik.
- Das Parlament räumt die letzten Differenzen bei der Reform der beruflichen Vorsorge aus. Ob die Vorlage am Freitag in der Schlussabstimmung durchkommt, ist offen. SP und Grüne sind ohnehin dagegen und werden das Referendum ergreifen. Bauern und Gewerbler haben Mühe mit der Senkung der Eintrittsschwelle und des Koordinationsabzuges, welche die Kosten der Arbeitnehmer erhöhen.
- Der Ständerat berät die Renteninitiative der Jungfreisinnigen und die Initiative für eine 13. AHV-Rente des Gewerkschaftsbundes.
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