SVP erringt Ständeratssitz
Von St. Gallen lernen heisst siegen lernen
Esther Friedli mit Toni Brunner nach der Bekanntgabe des Resultates. (Bild: Keystone)
SVP-Nationalrätin Esther Friedli erobert in St. Gallen den Ständeratssitz von Paul Rechsteiner (SP). Damit zieht die Volkspartei zum ersten Mal für den Ostschweizer Kanton in die kleine Kammer ein. Friedli gelang damit im zweiten Wahlgang, was vor ihr zahlreichen SVP-Grössen – inklusive ihrem Partner und SVP-Präsident Toni Brunner – nicht gelungen war. Die SVP ist im Stöckli mit neu sieben Ständeräten gleich stark wie die SP.
Friedli liess SP-Nationalrätin Barbara Gysi keine Chance (Link zum offiziellen Wahlresultat). Eine Analyse der beiden Wahlgänge zeigt: Gysi konnte zwar die Stimmen der nach dem ersten Wahlgang ausgeschiedenen grünen Kandidatin erobern, aber keine aus dem Lager der ebenfalls ausgeschiedenen, pointiert am linken Rand der Partei politisierenden FDP-Kandidatin Susanne Vincenz-Stauffacher.
Links-Freisinn hat verloren
Gewonnen hat deshalb nicht nur eine volksnahe Kandidatin gegen eine pointiert antretende Ideologin. Gewonnen hat auch die bürgerliche Zusammenarbeit, insbesondere von FDP und SVP. Verloren hat der Links-Freisinn, der insbesondere vom «St. Galler Tagblatt» als Bollwerk gegen die SVP herbeigeschrieben worden war. Gescheitert ist das Manöver der SP, die mit einem vorzeitigen Rücktritt von Rechsteiner den Sitz retten wollte.
Das Resultat war spätestens nach dem ersten Wahlgang absehbar. Barbara Gysi hatte im Wahlkampf nichts unternommen, um sich gemässigt zu zeigen und sich damit als Ständerätin für den ganzen Kanton zu empfehlen. Der bisherige Amtsinhaber Paul Rechsteiner politisierte zwar in Bern nicht weniger links als sie, aber zu Hause galt er als ruhiger, ausgleichender Anwalt, der sich für alle einsetzte, denen er irgendwie helfen konnte.
Der Stil ist entscheidend
Verblüffend ähnlich ging Esther Friedli vor. In der Sache ist sie voll auf der Linie ihrer Partei. Aber schrille Töne und polternder Stil sind nicht ihre Sache (siehe mein Gespräch mit ihr in «Feusi Fédéral»). Damit wurde die bürgerliche Zusammenarbeit bis weit ins Lager der Mitte und die uneingeschränkte Unterstützung der Bauern möglich.
Für die Ständeratswahlen im Herbst bedeutet das zweierlei: Die SVP ist gut beraten, auf staatsmännische Kandidaten zu setzen, welche von breiten Koalitionen getragen werden können. Die SP kann nur Sitze von Bisherigen halten – oder wenn es ihren Kandidaten gelingt, ihre Ideologie hintanzustellen und Paul Rechsteiners Doppelspiel glaubhaft nachzuspielen.
Weitere Sitzgewinne möglich
Im Kanton Bern dürfte der SP das mit Nationalrätin Flavia Wasserfallen gelingen, in Zürich mit dem wieder antretenden Ständerat Daniel Jositsch sowieso. Dort steht mit SVP-Nationalrat Gregor Rutz die Zürcher Version von Esther Friedli bereit. In Solothurn dürfte SP-Natonalrätin Franziska Roth versuchen, den SP-Sitz mit der «Methode Rechsteiner» zu retten. Zu verhindern ist das nur, wenn FDP und SVP zusammenspannen. Ähnlich im Aargau: Gelingt SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner eine Zusammenarbeit mit der FDP, dürfte es ihm gegen SP-Kontrahentin Gabriela Suter reichen.
St. Gallen zeigt: Es liegen im Herbst einige Sitzgewinne für die SVP drin. Esther Friedli weiss wie. SP und FDP sollten nun wissen, wie es nicht geht.