Bundesrätin putzt engagierte Offizierin weg
Viola Amherd: «Wieder eine, die es besser weiss»
Die erste Frau an der Spitze des VBS meint über eine Frau Oberstleutnant: «Wieder eine, die es besser weiss» (Bild: Keystone)
«Wieder eine, die es besser weiss.» Dies schreibt Bundesrätin Viola Amherd über Frau Oberstleutnant Marlies Zuber (Name der Redaktion bekannt). Diese E-Mail bekam zufälligerweise auch Marlies Zuber zu lesen, nachdem sie Bundesrätin Viola Amherd mit einem Vorschlag zur Frauenförderung in der Armee kontaktierte. Amherd will bis ins Jahr 2030 zehn Prozent Frauen in der Armee. Praktische Ideen, um das Ziel zu erreichen, interessieren sie jedoch nicht. Der E-Mail-Verkehr liegt dem «Nebelspalter» exklusiv vor.
«Das ambitionierte Ziel» eines höheren Frauenanteils in der Armee «wird so sicherlich nie erreicht werden. Laden Sie doch interessierte Frauen in die RS ein, wo diese den militärischen Alltag miterleben können», schlägt die hochrangige, ehemalige Angehörige des Militärs anstelle einer Teilnahmepflicht für Frauen am Orientierungstag vor. «Dass Frauen Hemmungen hätten, an diesem noch freiwilligen Tag dabeizusein, hat mich sehr überrascht». Weiter schreibt Zuber: «Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn junge, sehr interessierte Frauen an diesen Anlässen teilgenommen haben, waren diese sehr gut vorbereitet».
Oberstleutnant Marlies Zuber selbst hat in ihren 40 Jahren in der Schweizer Armee an mehreren Orientierungstagen teilgenommen. Sie gehörte zu den wenigen Frauen unter den Aushebungsoffizieren und hat spezifisch Frauen für das Schweizer Militär ausgehoben. Diese Erfahrung wollte Marlies Zuber einbringen.
Mehrfacher Dank seitens VBS
Es folgt die Antwort aus dem Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS): «Frau Bundesrätin Amherd dankt Ihnen für Ihre Mail». Die persönliche Beraterin von Viola Amherd, Brigitte Hauser-Süess (Mehr zu Brigitte Hauser-Süess hier), werde die Anregung «gerne der Fachstelle «Frauen in der Armee und Diversity» weiterleiten». Nochmals bedankt sich Hauser-Süess beim Oberstleutnant: «Ich danke Ihnen auch im Namen von Frau Bundesrätin Amherd, für Ihr Engagement».
Hauser-Süess bedankt sich bei Marlies Zuber. (Bild: zVg.)
Bundesrätin Amherd: «Wieder eine, die es besser weiss»
Doch, was liest Marlies Zuber da? Beim scrollen entdeckt der Oberstleutnant eine weitere Nachricht. In der E-Mail ist auch die ursprüngliche Mail von Bundesrätin Viola Amherd an ihre persönliche Beraterin enthalten. Sie weist ihre persönliche Beraterin an: «Kannst du eine Antwort machen?» und fügt an: «Wieder eine, die es besser weiss».
«Wieder eine, die es besser weiss.», schreibt Bundesrätin Amherd. (Bild: zVg.)
Marlies Zuber reagiert. «Es ist einfach zynisch, wenn Ihre Antwort mit Frau Bundesrätin Amherd bedankt sich beginnt», schreibt Marlies Zuber auf die Antwort der persönlichen Beraterin Amherds. Zynisch, weil «ich im Anhang die Korrespondenz zwischen Ihnen und Frau Bundesrätin zu lesen bekomme», schreibt Marlies Zuber. Sie ist «überzeugt, dass noch andere Personen interessiert diese Voten lesen werden und ebenfalls enttäuscht sind über eine solche Führungsperson».
Sieben Tage Funkstille im VBS
Ab diesem Moment herrscht Funkstille im VBS. Sieben Tage später meldet sich Bundesrätin Amherd beim Oberstleutnant. «Sie haben mit Ihrer Aussage absolut recht und ich entschuldige mich für meine deplazierte Bemerkung», schreibt die erste Frau an der Spitze des VBS. Sie erläutert die Umstände: «Im Zeitpunkt, in dem ich Ihre Nachricht gelesen habe, war ich unter erheblichem Zeitdruck, was mich zu Ungeduld verleitete». Amherd fügt an: «Zumal wir die von Ihnen angesprochenen und berechtigten Fragen schon mehrmals auf andere Zuschriften hin beantwortet haben». Das sei kein Rechtfertigungsversuch, «aber doch ein Erklärungsversuch». Abschliessend schreibt Amherd: «Ich hoffe, dass Sie meine Entschuldigung annehmen können und grüsse bestens».
Nach sieben Tagen antworter Bundesrätin Amherd Marlies Zuber. (Bild: zVg.)
Der «Nebelspalter» hat bei der Medienstelle des VBS nachgefragt, inwiefern die Kommunikation des Bundesrätin zur Abschreckung der verdienten Armeeangehörigen und Bürgern beiträgt, sich bei Bundesräten mit Vorschlägen und Anregungen zu melden. Angesprochen wurde ebenfalls, inwiefern die Situation in Kontrast zu den Bestrebungen von mehr Gleichstellung in der Armee stehe. Dazu schreibt Amherds Sprecher Lorenz Frischknecht: «Bundesrätin Viola Amherd hat sich bei der Frau entschuldigt. Wir äussern uns nicht näher dazu».
Bundesrätin Amherd: Frauenförderung habe ich schon immer gemacht
Zu «Diversity» titelt das VBS auf seiner Website: «Vielfalt als Stärke». Zitiert wird Bundesrätin Amherd wie folgt: «Das VBS will die besten Voraussetzungen schaffen, damit jeder Mensch mit seiner Persönlichkeit, seinen Besonderheiten und Stärken im Departement und in der Schweizer Armee wirken und sich entwickeln kann». Dies gelte für «gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Departements sowie für Angehörige der Armee von heute und von morgen». Zu finden ist die Kampagne «Sicherheit ist auch weiblich», inklusive Fotos von Frauen im Militär.
«Frauenförderung habe ich schon immer gemacht», lässt sich die erste Chefin des VBS in einem Interview zitieren. Ihr Departement sei in diesem Bereich ein Glücksfall: «Ich glaube, nirgends gibt es so viel Potenzial.»
Der «Nebelspalter» hat bei der Fachstelle «Frauen in der Armee und Diversity» nachgefragt. Fragen zur Haltung des VBS zum Vorschlag des Oberstleutnants und ob dieser an die Stelle bereits weitergeleitet wurde, durften nicht beantwortet werden. Dafür brauche es eine Erlaubnis der Medienstelle des VBS. Die Haltung zum Vorschlag von Marlies Zuber lassen sowohl Bundesrätin Amherd, die Medienstelle des VBS und die Fachstelle unbeantwortet.