Somms Memo

Viola Amherd, Selbstverteidigungsministerin. Warum sie das falsche Department leitet.

image 8. August 2023 um 10:00
Viola Amherd (Mitte), Bundesrätin und Vorsteherin des VBS.
Viola Amherd (Mitte), Bundesrätin und Vorsteherin des VBS.
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Die Fakten: Brigitte Beck, CEO der Ruag MRO, tritt nach knapp einem Jahr zurück. Warum das wichtig ist: Hätte sie doch geschwiegen. Beck muss gehen, weil sie sagte, was ihre Chefin Viola Amherd denkt, aber nicht so offen sagt. Vor einigen Monaten hatte Brigitte Beck, von der Ausbildung her eine Wirtschaftsprüferin, bis gestern CEO eines Rüstungskonzerns, der dem Bund gehört, die Neutralitätspolitik des Bundesrates kritisiert:
  • Insbesondere machte sie sich stark für eine Wiederausfuhr von Schweizer Waffen zugunsten der Ukraine – was der Bundesrat bisher immer abgelehnt hat
  • Sie sagte das öffentlich, sie sagte das (wahrscheinlich) in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen, (das dann nie erschien, weil sie in der autorisierten Fassung zu viel zurücknehmen wollte – oder sie ihre Chefin, Viola Amherd, zurückpfiff)
  • Mit anderen Worten, sie sagte, was niemand in der Regierung hören wollte

Das geht natürlich nicht. Kein Chefbeamter macht dem Bundesrat öffentlich Vorhaltungen – es sei denn, er steht zwei Tage vor der Pensionierung. Und doch tut mir Beck etwas leid. Denn sie sprach nur aus, was ihre Chefin Amherd (Mitte) wohl den ganzen Tag und in jeder Sitzung sagt – aber eben hinter geschlossenen Türen:
  • Ginge es nach Amherd, hätte die Schweiz die Ukraine vermutlich längst mit allerlei Kriegsmaterial beliefert – was, wenn die Russen nicht gleichzeitig berücksichtigt werden, neutralitätspolitisch etwas unorthodox ist
  • Grundsätzlich scheint Amherd von der Neutralität nicht so viel zu halten – auf eine neutralitätsfreundliche Aussage kommen zehn Anregungen, wie man sie relativieren könnte oder müsste

Anfang Juni setzte die Verteidigungsministerin eine Studienkommission ein, die zur Aufgabe hat, eine neue Sicherheitspolitik zu entwerfen. Den Vorsitz übertrug sie dem ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Valentin Vogt.
  • Offiziell hiess es, man wolle «Impulse und Beiträge für die öffentliche und parlamentarische Diskussion liefern»
  • Intern verriet eine Aktennotiz, die der NZZ am Sonntag zugespielt worden war, worum es in erster Linie ging:

«Schwerpunkte sollen sein: Potenzial und Grenzen internationaler Zusammenarbeit mit Blick auf die Neutralität und ihre Anwendung aus sicherheitspolitischer Optik»
Dass man mich nicht missversteht: Das ist sicher nötig und klug. Ohne internationale Zusammenarbeit lässt sich keine moderne Armee unterhalten, trainieren – oder im Kriegsfall auch einsetzen. Die Schweiz hat während des Kalten Krieges genauso darauf geachtet, jederzeit imstande zu sein, mit der Nato zu kooperieren, falls der Warschauer Pakt an den Grenzen auftauchte. Selbst vor den zwei Weltkriegen hatte die Armeeführung das getan. Und ging dabei sehr weit – insbesondere General Guisan.

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Doch die Prioritätenordnung von Amherd ist verdächtig, weil falsch:
  • Unsere Armee ist ruiniert. Sie ist kaum einsatzfähig. Würden wir angegriffen, hielten wir vielleicht zwei, drei Tage durch (das Spektrum der Spekulation ist breit, aber länger als zwei Monate geben uns selbst die unverdrossensten Optimisten nicht)
  • Wenn der Ukraine-Krieg etwas Gutes bewirkt hat, dann den Zusammenbruch des Pazifismus im Westen. Die Schweizer stehen wieder zur Landesverteidigung – mit Mehrheiten, die so gross sind, wie zu den finstersten Zeiten des Kalten Krieges
  • Besonders die Bürgerlichen: SVP, Mitte und FDP, sind sich darin so einig, wie seit 1989 nie mehr.

Kurz, es gibt solide, klare Mehrheiten im Volk und im Parlament für eine rasche Wiederaufrüstung. Das muss man nutzen. Niemand braucht die Linke dafür, niemand hat sie zu fürchten, zumal sie sich sicherheitspolitisch als Träumer oder bestenfalls als Dilettanten erwiesen haben. The Big Picture: Deshalb müsste eine Verteidigungsministerin, die ihre Aufgabe liebt und ernst nimmt, zuerst die Armee wiederaufbauen:
  • Jeden Tag möchten wir hören, wie Amherd neue Waffen bestellt
  • Truppen besucht, Panzer fährt oder im Schiessstand steht und mit dem eigenen Sturmgewehr fünf Punkte schiesst (Ich schaffe das nicht)

Stattdessen redet sie viel häufiger und viel engagierter über internationale Zusammenarbeit und den Waffenexport in die Ukraine. Also über Themen, die die Bürgerlichen gegeneinander aufbringen – und somit den Wiederaufbau der Armee aufs Spiel setzen.

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Wie es weitergeht: Es ist Zeit, von Viola Amherd Abschied zu nehmen.
  • Denn die beliebteste Bundesrätin der Schweiz ist auch die erfolgloseste
  • Zwar hat sie die neuen Kampfflugzeuge beschaffen können, eine Herkulestat, die niemandem zuvor gelungen ist, doch seither herrscht Konfusion im Cockpit

Oder besser: Amherd fliegt ins Nirwana. Obwohl in Europa wieder Krieg herrscht, was einer Verteidigungsministerin die Priorisierung ihrer Ziele erleichtern sollte, obwohl die Zeit also noch nie so günstig war, um eine sträflich vernachlässigte Armee wiederaufzurüsten, widmet sich Amherd lieber den Orchideen-Liebhabereien des woken Zeitgeistes:
  • Die Frauenförderung in der Armee scheint ihr wichtiger als die Förderung der Kampfkraft (die nicht mehr vorhanden ist)
  • Quoten bei Sportvereinen liegen ihr mehr am Herzen als die Trefferquoten der Scharfschützen

Wir möchte eine Kriegsministerin sehen, keine Ministerin zur friedlichen Beilegung der Geschlechterkonflikte im Handballverein Naters. Oder wie es der amerikanische General Norman Schwarzkopf gesagt hat: «Je mehr du im Frieden schwitzt, desto weniger blutest du im Krieg.» Ich wünsche Ihnen einen prächtigen Tag Markus Somm

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