Somms Memo
Unter dem Aluhut. Berset kämpft gegen Mobilfunkantennen (wenn sie in seiner Nähe sind)
Alain Berset, Bundesrat, unter anderem zuständig für Strahlenschutz.
Die Fakten: Bundesrat Alain Berset hat sich gegen den Bau einer Mobilfunkantenne in der Nähe seines Hauses gewehrt. Sie wurde nicht errichtet.
Warum das wichtig ist: Wasser predigen, Wein trinken. Das Muster Berset zeigt sich auch hier. Dieser Politiker tut sich schwer, Privates und Politisches in Einklang zu bringen.
Natürlich ist es eine Bagatelle, natürlich ist es sein gutes Recht:
- 2018 wollte die Swisscom in der Nähe des Hauses, wo Bersets Familie wohnt, eine Mobilfunkantenne hinstellen, wie der Blick gestern berichtete
- Viele Nachbarn machten Einsprachen, auch die Bersets – der Bundesrat selbst, seine Frau, seine Mutter und ein weiterer Verwandter
- Doch der Bundesrat tat mehr: Er schrieb auch direkt einen Brief an die Gemeinde. Ob er mit Dr. Berset oder Bundesrat Berset, Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, unterschrieb, ist offen. Sicher erfuhr auch die Swisscom davon
- Wenig später gab die Swisscom ihre Pläne auf. Das kommt laut Aussagen der Swisscom sehr selten vor, in der Regel zieht die Swisscom dafür bis zum Bundesgericht. Es sei «äusserst ungewöhnlich», sagte die Firma dem Blick, verwies aber auf den Denkmalschutz, der den Ausschlag gegeben hatte
Sicher nicht Bundesrat Dr. Berset! – möchte man der Swisscom zurufen und dabei mit dem Finger das eine Augenunterlid hinunterziehen, eine weltweit anerkannte Geste des Sarkasmus, siehe Bild:
Kommentar des Sarkasmus: Das Augenlid-Hinunterziehen.
Was ist davon zu halten?
Eigentlich ist alles falsch:
- Wer Bundesrat ist, muss sich zurückhalten, wenn es sich um private Interessen dreht, das ist eine Frage des politischen Feingefühls. Nicht immer ist recht, wozu man ein Recht hat.
- Alfred Escher (1819-1882) – nie ein Bundesrat, aber einer der mächtigsten Politiker seiner Zeit – liess es klaglos geschehen, dass eine Eisenbahn durch sein wunderbares Grundstück direkt am Zürichsee in der Enge gebaut wurde. Weil er so verhasst war, weil er um seine informellen Privilegien wusste, verzichtete er auf jede Einsprache. Noblesse oblige.
Das ist das eine. Noch falscher ist, wie Berset seinen Widerstand begründete:
- Offenbar – ich habe den Brief nicht gesehen, sondern folge der Darstellung des Blicks – offenbar hat Berset sich auch auf den Landschaftsschutz berufen. Die schöne Freiburger Landschaft in Belfaux, wo die Bersets zuhause sind, sollte nicht mit einer Antenne optisch verseucht werden
- Ebenso machte sich Berset Sorgen um die Gesundheit seiner Familie. Die Bersets schrieben: «Elektromagnetische Wellen technologischer Herkunft, insbesondere jene, die von der Mobilfunktechnologie ausgehen, haben schädliche Auswirkungen auf Mensch und Tier»
Das ist insofern ironisch, als Berset auch Gesundheitsminister ist und sein eigenes Departement, das unter anderem für Strahlenschutz verantwortlich ist, das Gegenteil schreibt:
«Hochfrequente Strahlung, zu der auch die Mobilfunkstrahlung zählt, ist bei hoher Intensität in der Lage, das Körpergewebe zu erwärmen»,
wird in einem Bericht des Bundes zwar eingeräumt, an dem das Bundesamt für Gesundheit mitgewirkt hat, um sogleich eine Entwarnung zu geben:
«Diese so genannt thermischen Effekte sind gut untersucht und bilden die Grundlage für die derzeit international gültigen Immissionsgrenzwerte. Diese Grenzwerte werden in der zugänglichen Umwelt durchwegs eingehalten, so dass die genannten thermischen Wirkungen ausgeschlossen werden können.»
Was gilt nun? Bersets Angst oder die Beschwichtigungen seines Amtes?
Selbstverständlich gibt es unzählige Studien zum Thema – aber bisher wurde noch nirgendwo zweifelsfrei bewiesen, dass Mobilfunkantennen irgendjemandem wehtun. Wenn schon, dann müsste man über das Handy reden:
«90 Prozent der Strahlenbelastung», die jeder von uns erfährt, kommen vom «eigenen Mobiltelefon oder anderen körpernahen Quellen wie Tablets, Telefon, Smartphone, Babyphone oder WLAN-Accesspoints», wie Martin Röösli, Strahlenexperte und Mitarbeiter des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts in Basel, mitteilt.
Wenn sich Berset also um seine Gesundheit Sorgen machte, könnte er mehr dafür tun, indem er aufs Handy verzichtete – was ihm, so vermute ich, etwas schwerer fallen würde, als eine Antenne in seiner Nachbarschaft zu hintertreiben.
Hinzu kommt, dass kaum ein Land dieser Welt so scharfe Grenzwerte kennt, wie das Land, das Alain Berset selber regiert:
- Diese Werte liegen bis zu zehn Mal tiefer als anderswo, insbesondere wenn es um speziell gefährdete Orte geht, wo sich Menschen länger aufhalten (sogenannte Anlagegrenzwerte)
- Und in Europa wie in der Schweiz gelten Werte, die weit, weit von jenen Zahlen entfernt sind, wo man (bei grösster Vorsicht) von einer potenziell problematischen Strahlenbelastung sprechen würde
Berset unter dem Aluhut.
Auch das gehört zum unfreiwilligen Humor des Freiburgers.
- Wie oft hat sein Departement für die Corona–Impfung gekämpft – unter Hinweis auf zahlreiche wissenschaftliche Studien
- Wie oft wurden gerade in seinen Kreisen die Impfskeptiker als Esoteriker und Spinner verlacht, die sich unter einem Aluhut vor den Gefahren der Moderne schützten
Berset, Yogameister der Gesinnung. Keine Beugung ist ihm fremd.
Frau macht Katze mit tiefer Bauchatmung, Schritt 1: In den Vierfüsslerstand kommen und einen Katzenbuckel machen (Detox-Yoga).
Es ist inzwischen ein Muster:
- Bersets Partei, die SP, will allen das Fliegen verleiden. Berset fliegt mit einem Privatflugzeug in der Weltgeschichte herum
- Bersets Partei will das Autofahren einschränken. Berset lässt sich vom Chauffeur ins Ausland fahren, wo er sich mit seiner damaligen Geliebten trifft
- Bersets Partei, insbesondere Kollegin Simonetta Sommaruga, will überall Windräder in die Landschaft stellen. Berset kämpft gegen Antennen in seiner Nachbarschaft, um die Landschaft zu bewahren
- Sommaruga möchte Bewilligungsverfahren für Stromanlagen straffen, um die Stromkrise abzuwenden, und es kommt selbst in ihrer Partei eine Stimmung auf, wo nicht jede Einsprache für ein Menschenrecht gehalten wird. Berset macht eine Einsprache, wenn ihm das zustatten kommt
Gewiss, alles sind für sich genommen Bagatellen, alles privat, und doch beunruhigt die Akkumulation der privaten Bagatellen, irgendwann wird auch das Private politisch.
Oder wie es Swami Sivananda Saraswati, Yoga-Meister und Vedantalehrer, sagte:
«So wie der Grund eines Sees deutlich sichtbar wird, wenn die Wellen an der Oberfläche sich legen, so kann das wahre Selbst wahrgenommen werden, wenn sich die Erscheinungsformen des Geistes legen.»
Und jetzt in den Katzenbuckel.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende
Markus Somm
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