Somms Memo

Unsere Jungen sehen schwarz. Anmerkungen zur Generation Z wie Zauderi

image 28. September 2022 um 10:00
Junge Leute in der Schweiz. Anschwellender Pessimismus.
Junge Leute in der Schweiz. Anschwellender Pessimismus.
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Die Fakten: Die jungen Schweizer sehen schwarz in die Zukunft, sie wollen nicht mehr zu viel arbeiten und machen sich Sorgen um ihre Pensionierung. Das zeigt eine Umfrage.

Warum das wichtig ist: Die Generation Z ist eine Generation der Zauderi und Zögeri. Hoffentlich wird sie noch erwachsen.


Wenn man sich die Daten vor Augen führt, dann müsste ein junger Schweizer zwischen 16 und 25 sich überglücklich schätzen:
  • Die Arbeitslosigkeit liegt bei 2 Prozent, das ist faktisch Vollbeschäftigung, die Arbeitgeber suchen händeringend nach Leuten. Wer jetzt als Junger eine Stelle antritt, kann sich alles ausbedingen: Sabbatical nach vier Wochen, Teilzeitpensum von 19,3 Prozent, Kita-Platz auch für die Eltern
  • Seit der Finanzkrise von 2008 herrscht so gut wie immer Hochkonjunktur. Selbst den Corona-Einbruch hat die Schweiz bestens überstanden. Kaum ein Land hat sich so rasch erholt. Alles brummt, alles ist überhitzt
  • Die Jungen von heute haben die wohl reichsten Eltern aller Zeiten im reichsten Land der Weltgeschichte. Über eine Million Schweizer sind Vermögensmillionäre, das ist etwa ein Achtel der Bevölkerung, wie der jüngste Global Wealth Report der CS ergab

Mit anderen Worten, wer jung ist, kann sich heute alles auswählen, was immer ihm beliebt: jeden Job, jede Lebensweise, jeden Irrweg. Wer will, wird
  • Filmregisseur
  • Juso-Politiker
  • Nobelpreisträgerin
  • oder Hausmann mit besonderen Abfalltrennungsfähigkeiten

Trotzdem – oder gerade deswegen – fühlen sich viele junge Schweizer, als hätten sie schwere Zeiten zu meistern. Sie sind bedrückt, wie das Jugendbarometer aufzeigt, das das Meinungsforschungsinstitut GFS Bern im Auftrag der Credit Suisse erstellt und in diesen Tagen veröffentlicht hat.
Befragt wurden rund 1000 junge Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes, die zwischen 16 und 25 Jahre alt sind. Um die Schweiz auch in den internationalen Kontext zu stellen, nahm man die gleichen Umfragen in den USA, Singapur und Brasilien vor.
Die Ergebnisse sind schwer zu begreifen.
  • Weniger als die Hälfte der jungen Schweizer sehen ihren eigenen Zukunft «eher zuversichtlich» entgegen
  • Wenn es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht, dann sind sie noch pessimistischer: unter 20 Prozent liegt der Anteil jener, die für die Schweiz gute Jahre voraussehen
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Dabei gibt zu denken, dass sich diese schwarze Sicht in den vergangenen Jahren ständig verdunkelt hat, insbesondere, was die persönliche Befindlichkeit betrifft.
Die jungen Schweizer sind Schwarzmaler. Und doch wirken sie nicht alarmiert. Sie richten sich gemütlich in der kommenden Katastrophe ein:
  • Zwar haben über 70 Prozent «klare Lebensvorstellungen»
  • Wenn man allerdings nachfragt, dann heisst das: Sie wollen Geld verdienen, das dann schon, aber nicht etwa, um eine Familie durchzubringen oder vorwärtszukommen, sondern um sich «längere Auszeiten, z.B. für Reisen» finanzieren zu können (68 Prozent)
  • Ebenso geben sie sich genügsam: Sie wären schon glücklich, «wenn sie gleich gut leben wie ihre Eltern». 61 Prozent stimmen dem zu

Angesichts der Tatsache, dass diese Eltern, wie erwähnt, zu den reichsten Menschen der Weltgeschichte zählen, ist das so bescheiden nicht. Und doch offenbart sich hier, was die jungen Schweizer ohne Zweifel bedrückt
  • Warum sollen sie Ehrgeiz für materielles Fortkommen entwickeln, wenn sie alles schon besitzen – dank Eltern und Grosseltern, die (fast) alles erreicht haben?
  • Das drückt sich in einem Befund aus, der mich vielleicht am meisten beschäftigt: Bloss 29 Prozent der Jungen glauben, dass die «Gesellschaft» auf sie «angewiesen» sei

Mit anderen Worten: Wenn sie nichts täten, wenn sie einfach verschwänden: Niemand würde sie vermissen, keinesfalls unser Land; ja womöglich nicht einmal ihre Eltern oder Freunde und Geliebte, denn auch dieses Phänomen hat sich in den vergangenen Jahren weiter verbreitet:
Immer mehr Junge fühlen sich gar keiner «sozialen Einheit» mehr zugehörig
  • Nicht einmal der Menschheit: 30 Prozent finden, sie gehörten keineswegs dieser sozialen Gruppe an, Tendenz steigend (wem denn sonst, will man ihnen zurufen: den Amöben?)
  • Auch nicht der Familie oder den Freunden: 20 Prozent, Tendenz zunehmend
  • Oder dem Westen: 50 Prozent
  • Geschweige denn der Klimabewegung: 75 Prozent identifizieren sich nicht damit

Die Generation Z ist auch eine Generation Einsam. Wenn uns Eltern oder Lehrer etwas verunsichern muss, dann dies: In einer Zeit, wo man kaum auf die Strasse gehen kann, ohne die Wörter «Solidarität», «Gesellschaft» oder «soziale Gerechtigkeit» zu hören, haben wir eine Generation herangezogen, die man durchaus als «asozial» bezeichnen könnte.
  • Sie fühlen sich wohl, wenn sie nichts von den anderen fühlen
  • Sie planen ein Leben ohne Pläne
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Natürlich sind wir Menschen widersprüchlich. Und unehrlich. Was wir sagen, wenn das GFS-Institut uns befragt, muss nicht immer der Wahrheit entsprechen, ob wir jung oder alt sind. Diesen Eindruck erhielt ich, als ich mich den «grössten Sorgen» der jungen Leute zuwandte:
  • Rang 1: AHV
  • 2: Klimaerwärmung
  • 3: Benzinpreis
  • 4: Kernenergie, Versorgungssicherheit

Ja, was denn nun? Wer den hohen Benzinpreis beklagt, den kann streng genommen nicht auch noch die Klimaerwärmung beunruhigen. Und wer die AHV als Problem Nummer 1 erachtet, müsste hochmotiviert an Abstimmungen zum Thema teilnehmen und «richtig» stimmen, will heissen: für alles, was die finanzielle Lage der AHV verbessert.
  • Tatsächlich zeigen die Daten, dass die Jungen sich immer weniger häufig an Abstimmungen beteiligen als die Alten
  • Selbst wenn es um die AHV geht, stellen wir keine höhere Stimmbeteiligung unter Jungen fest
  • Ja, wie die Abstimmung vom letzten Sonntag belegt, stimmen sie dann noch «falsch». Treffen die Nachbefragungen zu, dann hat eine Mehrheit der Jungen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen abgelehnt

Wären sie um die finanzielle Sicherheit der AHV so besorgt, wie sie sagen, dann hätten sie hier eigentlich zustimmen müssen.
Widersprüchlich und verzagt. Wie sich diese Generation Z mit der Zukunft herumschlägt, die wohl objektiv härter wird, als alles, was sie bisher erlebt haben, steht in den Sternen. Gut darauf vorbereitet, so mein Eindruck, sind sie nicht.
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Generation Playmobil. Kinder spielen Playmobil - oder lieber Lego?
Daran sind sie nicht selber schuld, das liegt an uns, den Eltern der Generation Playmobil.
Denn leider stimmt immer noch, was Herbert Hoover, der glücklose amerikanische Präsident zu Zeiten der Grossen Depression, sagte:
«Alte Männer erklären den Krieg. Aber junge Männer müssen darin kämpfen und sterben

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag Markus Somm

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