Somms Memo
UBS-Entscheid: Populismus vom Strübsten. Wie SP und SVP den Banken am Zeug flicken, ohne ihnen am Zeug zu flicken.
Cédric Wermuth, Rächer der Enterbten und Beschützer der Witwen und Waisen. Auftritt im Nationalrat.
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Die Fakten: Der Nationalrat verwirft die Kreditzusage des Bundes von 109 Milliarden in Sachen CS/UBS. Der Ständerat stimmt zu. Das Geschäft geht in die Differenzbereinigung.
Warum das wichtig ist: Wer Populismus mag, kam gestern auf seine Kosten. Der Entscheid des Nationalrates ist dumm und billig.
Am Morgen gab der Aktienkurs der UBS nach. Ob das daran lag, dass die Anleger grundsätzlich an der Zukunft der UBS zweifelten oder ob sie an den Schweizer Politikern verzweifelten, muss offenbleiben. Eine gute Nachricht war es nicht, die die meisten von uns erst heute Morgen erfahren haben:
- Zu später Stunde, kurz vor Mitternacht, hat der Nationalrat mit 102 zu 71 Stimmen die Kreditzusagen des Bundes für die CS/UBS-Übernahme sowie weitere Bedingungen für die Verpflichtungskredite abgelehnt
- SP, SVP und Grüne waren dagegen
- FDP, Mitte sowie Grünliberale sprachen sich dafür aus
- Wogegen der Ständerat einige Stunden zuvor zugestimmt hatte (mit 28 zu 14)
Zwar hat der Entscheid keine Folgen, – selbst dann nicht, wenn grosse und kleine Kammer sich heute im sogenannten Differenzbereinigungsverfahren ausserstande zeigen sollten, eine gemeinsame Haltung zu finden, und die Vorlage somit scheitern würde. Bundesrat und Finanzdelegation haben vor gut drei Wochen im Rahmen des Notrechts die verschiedenen Kreditgarantien angenommen – ihr Beschluss bleibt rechtlich massgebend. Formal ändert sich also nichts.
- Symbolisch natürlich schon
- Manch ein Anleger dürfte sich jetzt fragen, ob die neue UBS auch sicher sei?
- Steht die Schweizer Politik dahinter – oder hat man auch diese Grossbank insgeheim schon aufgegeben?
Vor lauter Verärgerung, dass sie die internationalen Finanzmärkte noch nicht im Griff haben (sie arbeiten daran) und ihr Einfluss in London, New York und Washington zwar gross, aber noch nicht gross genug ist, haben unsere Politiker in Bern die Notlösung des Bundes für die Credit Suisse verworfen.
Gut gebrüllt, Löwe?
Eher muss man vom Miau einer beleidigten siamesischen Katze sprechen. Sie hätte lieber Sheba als Whiskas bekommen.
Wenn es je einen populistischen Beschluss gab, dann dieser, den sich SP und SVP in seltener kollektiver Verwahrlosung geleistet haben.
- Sie konnten sich das leisten, weil sie wussten: nichts, aber auch gar nichts damit zu riskieren. Zumal die übrigen Parteien – also die «nützlichen Idioten» von FDP und Mitte – die Sache schon durchbringen würden, und selbst wenn nicht, dann würde das pseudo-mutige Statement ohne Konsequenzen verklingen (siehe oben)
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Philipp Bregy, Fraktionschef der Mitte, hatte vollkommen recht, als er SP und SVP dieses infantile Verhalten vorhielt:
- «Ich möchte Sie gerne daran erinnern, dass Sie im Bundesrat mit je zwei Vertretern Regierungsverantwortung haben.»
- «Wenn die Bundesratsmitglieder der SVP und der SP so entschieden hätten, wie es ihre Fraktionen hier offensichtlich tun wollen, dann wäre die CS am Montag, 20. März, bankrottgegangen. Übernehmen Sie auch hier Verantwortung, und hören Sie auf, hier drinnen eine Oppositionsrolle einzunehmen und so zu tun, als gingen Sie die Entscheide des Bundesrates nichts an; Sie haben dort eine Mehrheit.
In der Tat. Ein Zweites kommt hinzu – ich habe es angedeutet. Die Credit Suisse ist seit geraumer Zeit nicht mehr die Hypothekenbank von Mellingen-Süd.
Sie ist weltverflochten – und das nicht nur, weil ein paar ehrgeizige Manager sich an der Wall Street einen Namen machen wollten (das auch). Vielmehr sind die schweizerischen Grossbanken ihren eigenen Kunden – grosse Schweizer Unternehmen, aber auch KMU – in die grosse Welt hinaus gefolgt.
- Eine Nestlé verlangte irgendwann eine internationale Finanzierung
- Eine ABB oder Roche ebenfalls
Übrigens nicht erst in den 1990er Jahren, sondern schon Jahrzehnte zuvor.
Mit anderen Worten, wenn die SVP nun fordert, die Too-Big-To-Fail-Gesetzgebung müsse dermassen verschärft werden, dass der Bankrott einer grossen Bank nie mehr das ganze Finanzsystem in den Abgrund reissen könne, und wenn das nicht reiche, dann müsse die Bank ihr Auslandgeschäft abstossen, um sich so zu verkleinern, – dann ist das im buchstäblichen Sinne weltfremd.
- Es bedeutete den Rückbau des schweizerischen Finanzplatzes auf das Niveau der Mellinger Effektenbörse (die es noch nicht gibt)
- Und unsere Unternehmen wandten sich einfach ausländischen Instituten zu, wenn sie nach einer internationalen Finanzierung verlangten. Das würde auch gehen, gewiss, dem Vernehmen nach macht Madagaskar gute Erfahrungen damit
Genauso unrealistisch ist die SP – was in ihrem Fall immerhin zum Parteiprogramm gehört. Je utopischer, je naiver, desto besser.
Cédric Wermuth, Ko-Präsident der SP und Vordenker der gegenwärtigen Linken, drückte diesen Ansatz vorbildlich aus, als er gestern im Nationalrat sagte:
- «Eine Frage sei erlaubt: Wer oder was sind diese Finanzmärkte, und wer hat je entschieden, dass sie in unserer Demokratie etwas zu sagen haben?»
Stimmt, die Frage ist erlaubt. So wie es auch erlaubt ist, sich zu fragen, warum die Gravitation dafür sorgt, dass Wermuth nicht in der Luft herumfliegt. Auch hier sollte das Parlament einen allfälligen Regulierungsbedarf abklären.
Finanzmärkte spielen im Kapitalismus eine Rolle – und wenn sie keine mehr spielen, dann Gnade uns Gott. Erkundigen Sie sich in Madagaskar. Für Politiker mag das lästig wirken, Tatsache aber ist, dass die Macht der Finanzmärkte politische Fehlentwicklungen öfter aufdeckt, als dass sie diese verursacht.
Too Big To Fail?
Im Grunde wäre mehr Ehrlichkeit angezeigt – statt Populismus und anti-kapitalistische Wichtigtuerei. Ja, die neue UBS ist sehr gross, und ja, falls sie ins Schlingern kommt, dürfte der Staat sie von neuem retten müssen. Was ist daran so schlimm?
Als die Credit Suisse und die UBS glänzende Gewinne einfuhren und damit dem Staat auch prächtige Steuereinnahmen bescherten, beklagte sich Wermuth auch nicht über die Finanzmärkte, die diese Geschäfte erst ermöglicht hatten.
Wermuth erinnert ein wenig an James Carville, den brillanten Berater von Bill Clinton, der einmal ebenfalls feststellen musste, dass selbst der amerikanische Präsident manchmal weniger Macht besitzt als die Millionen von Anlegern, die letzten Endes die Macht der Finanzmärkte begründen.
Carville sagte:
«Wenn es die Reinkarnation gäbe, so habe ich früher gedacht, dann würde ich gerne als Präsident oder Papst oder Baseball-Star wiedergeboren werden. Jetzt möchte ich als Finanzmarkt zurückkommen. Als Finanzmarkt können Sie jeden fertigmachen.»
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag
Markus Somm