Somms Memo

Trump will es noch einmal wissen. Weiss er es nicht besser? Vom Zerfall eines Präsidenten

image 18. November 2022 um 11:00
Donald Trump kündigte am Dienstag an, dass er 2024 noch einmal zur Präsidentschaftswahl antreten möchte.
Donald Trump kündigte am Dienstag an, dass er 2024 noch einmal zur Präsidentschaftswahl antreten möchte.
Die Fakten: Donald Trump will wieder Präsident werden. Joe Biden wohl auch. Der erstere ist 76 Jahre alt, der letztere wird am Sonntag 80. Warum das wichtig ist: Beide sind zu alt. Der eine zu alt, um zu lernen, wie man sich benimmt, der andere zu alt, um eine Atombombe zu zünden. Wenn es einen Hinweis gibt, dass Donald Trump nie mehr Präsident werden wird, dann die Tatsache, wie seine beste Beraterin die Lage einschätzt:
  • Ivanka Trump, die Tochter, will nichts mit seiner neuen Wahlkampagne zu tun haben, sie sei darin «nicht involviert», teilte sie auf Instagram mit, «noch in Politik generell»

Glaubt sie nicht an das Comeback ihres Vaters? Am letzten Dienstag, eine Woche nach den Zwischenwahlen, die auch er vermasselt hatte, gab Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, bekannt, dass er ebenso zum 47. Präsidenten seines Landes werden möchte. Glaubt er selbst daran? Zweifel sind erlaubt.
  • Trump, ein blendender Entertainer, wirkte wie ein Witzeerzähler, dessen Witze 1934 den letzten Menschen zum Lachen gebracht hatten. Er war verkrampft, gar nicht lustig
  • Er las vom Teleprompter ab, als wäre er Joe Biden, dabei schwenkte er seinen Kopf ständig hin und her – wie ein Kran, der auf einer Baustelle den Betonmischer hin und her bewegt – bloss, dass Trump gar nichts bewegte
  • Er sprach von vergangenen Erfolgen und kündigte neue an, die rochen, wie jene aus der Vergangenheit. Etwas angemüffelt

Gewiss, Trump wurde immer unterschätzt. Nach jedem Bankrott stand er wieder auf, um plötzlich von neuem zu siegen, genauso traute ihm nie jemand zu, zum Präsidenten aufzusteigen – 2016 nicht und 2022 nicht. Vielleicht täuschen wir uns alle. Die Zahlen allerdings sprechen eine andere Sprache.
  • 65 Prozent der Amerikaner wollen nicht, dass er von neuem antritt, wie eine aktuelle Umfrage von Politico zeigt, einem linksliberalen Newsportal
  • Und 65 Prozent wünschen auch nicht, dass Joe Biden 2024 sich zur Wiederwahl stellt
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Amerika, das Land, das seit Jahrhunderten darauf besteht, immer noch jung zu sein, will nicht mehr von uralten Präsidenten regiert werden. Zu sehr hat man darunter gelitten, dass man beim amtierenden Präsidenten stets in Panik gerät, wenn er in der Öffentlichkeit auftritt:
  • Gibt er wieder Menschen die Hand, die gar nicht da sind? (so geschehen)
  • Lässt er Tote wiederauferstehen und sucht nach ihnen? (so passiert)

Geradeso, wie man es in manchen Kreisen satt hat, sich unablässig für Donald Trump entschuldigen zu müssen:
  • Ja, er hat einen miserablen Charakter, aber…
  • Ja, er wirkt wie ein Narziss, aber…

Mir geht es auch so. Zwar halte ich seine Leistungsbilanz als Präsident aus einer liberalen Sicht nach wie vor für glänzend:
  • Eine stürmisch wachsende Wirtschaft (bis Corona alles ruinierte), dank Deregulierung, tieferen Steuern und einer brillanten Energiepolitik
  • Er hat damit Millionen von Amerikanern aus der Armut befreit, insbesondere Angehörige von Minderheiten, tiefste Arbeitslosenraten seit langem
  • Durchbruch im Nahen Osten mit den Abraham Accords, was Israel aus der Isolation entliess
  • Kein einziger Krieg in vier Jahren – Putin effizient abgeschreckt
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Und dennoch hätte ich es vorgezogen, er würde einem jüngeren Nachfolger in seinem Geiste Platz machen. Denn anders als vor sechs Jahren, als er das Republikanische Establishment herausgefordert hatte, um es danach zu demütigen, ist die Republikanische Partei heute nicht mehr wiederzuerkennen. Trump hat sie nach seinem Ebenbild geformt. Es ist eine Trump-Partei – auch inhaltlich, und darauf kommt es an:
  • Trump hat erkannt, dass die ungesteuerte Immigration vielen Amerikanern Sorge bereitet. Er hat das Anliegen zu einem Republikanischen Anliegen gemacht
  • Erst Trump hat die tragische Entfremdung zwischen Eliten und weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung zum Thema gemacht. Er hat den Vergessenen und Verlorenen eine Stimme gegeben. Die Krise des Mittleren Westens zu überwinden, ist ein Republikanisches Ziel geworden
  • Keiner hat den Kampf gegen die neuen Demokraten mit dieser Unerschrockenheit aufgenommen wie Trump – was nötig ist. Woke zerstört das Land. Zumal die Demokraten heute keine vernünftigen Demokraten mehr sind wie einst zu Zeiten von Bill Clinton, sondern die Demokraten haben sich der radikalen Linken ausgeliefert. Die Folgen spüren wir selbst in Europa

Das ist sein Vermächtnis – es ist gross, und wäre seine Persönlichkeit ebenso gross, wäre er am Dienstag in der Öffentlichkeit erschienen, um seinen Rückzug aus der Politik anzukünden. Grossmaul oder Kleingeist? Tick the box. Bitte ankreuzen. So sehr die Republikaner nicht wissen, ob sie diesen Tag loben oder verfluchen sollen, so sicher glauben die Demokraten, dass er für sie Weihnachten, Ostern und Thanksgiving zusammen bedeutet. Sie sind erleichtert – zu Recht, weil Trump zwar viele glühende Anhänger hat, aber wohl nie genug, um noch einmal gewählt zu werden. Wenn einer Millionen von Wählern genauso gut für sich gewinnen wie er auch Millionen davon in die Flucht schlagen kann, dann Trump – das haben die Midterms erwiesen. Allerdings freuen sich die Demokraten womöglich zu früh. Weil das Spiel mit Trump nun so leicht erscheinen mag, dürfte Biden Konkurrenz bekommen. Wer unter den Demokraten einmal Präsident werden möchte – und das sind einige – sieht nun eine günstige Gelegenheit gekommen.
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König Lear (Antony Sher) und sein Narr (Graham Turner) in einer Produktion der Royal Shakespeare Company, 2016.
Am Ende werden wir ein Massaker erleben. Die Jungen – ob Republikaner oder Demokraten – schreiten zum Königsmord. Trump, Biden, King Lear. In William Shakespeares grandiosem Stück, wo ein alter König (Lear) einfach nicht vergehen möchte, sagt der Narr zu ihm: NARR «Wenn du mein Narr wärst, Gevatter, so bekämst du Schläge, weil du vor der Zeit alt geworden bist. LEAR Wieso das? NARR Du hättest nicht alt werden sollen, eh du klug geworden wärstTrump und Biden sollten Shakespeare lesen. Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Wochenende Markus Somm

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