Somms Memo

Trump angeklagt. Bricht Amerika auseinander?

image 9. Juni 2023 um 10:00
Im Land der Bananen.
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Die Fakten: Donald Trump ist von einer Grand Jury angeklagt worden. Man wirft ihm den fahrlässigen Umgang mit geheimen Dokumenten vor. Warum das wichtig ist: Trump ist im Unrecht. Man kann ihn verurteilen. Aber dann muss man auch Hillary Clinton und Joe Biden vor Gericht ziehen. Der Begriff Bananenrepublik ist inzwischen so abgegriffen, dass ich alles Verständnis habe, wenn sich die Bananen beschweren:
  • Und dennoch stimmt: Die USA, eine der ältesten und besten Demokratien der Welt, befinden sich auf dem Weg in eine Bananenrepublik
  • Das sind Länder, wo es genauso viele Bananen gibt wie korrupte Politiker. Das sind Länder, wo man einen unliebsamen Konkurrenten ins Gefängnis sperrt und ihm Dinge vorwirft, die man ihm nur vorhält, weil er einem eine Banane, sprich: die politische Macht streitig macht

Konkret zu den Vorgängen in Washington:
  • Am Mittwoch hat James Comer, Republikaner und Vorsitzender des Oversight Committee, der Geschäftsprüfungskommission des Repräsentantenhauses, endlich vom FBI die Zusicherung erhalten, dass seine Kommission ein Dokument einsehen darf, das möglichweise zeigt, dass US-Präsident Joe Biden persönlich mit 5 Millionen Dollar bestochen worden ist. Es handelt sich um Geld aus der Ukraine; Biden soll es erhalten haben, als er unter Barack Obama als Vizepräsident fungierte
  • Diesem Zugeständnis des FBI gingen zwei Wochen des Gezerres voraus. Zuerst hatte das FBI behauptet, das Dokument existiere gar nicht. Als Comer das Gegenteil bewies, gaben die Bundespolizisten nach, wollten aber nur einzelnen Vertretern der Kommission einen kurzen Einblick in die Unterlagen gewähren – wobei ein grosser Teil des Textes zudem eingeschwärzt wurde.
  • Erst unter der Androhung, dass der Direktor des FBI wegen Missachtung des Kongresses zur Rechenschaft gezogen werde, kroch das FBI zu Kreuze. Nun wartet man gespannt, was die Kommission, die von den Republikanern beherrscht wird, in den kommenden Wochen herausfindet. Selbstverständlich gilt auch für Biden die Unschuldsvermutung
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Donald Trump, ehemaliger Präsident und Sammler (von Geheimdokumenten). (Bild: Keystone)
So weit, so gut. Jetzt treten die Bananen auf.
  • Wenige Stunden später erfährt Donald Trump, der Vorgänger von Joe Biden, der 2024 wieder zum Präsidenten gewählt werden will (wie Biden auch), dass er von einer Grand Jury angeklagt werde. Das Justizministerium, das Biden untersteht, wirft ihm diverse Verbrechen vor, die erstens den Bruch von Bundesgesetzen betreffen, zweitens ihn sogar ins Gefängnis bringen könnten
  • Trump ist damit der erste Präsident der amerikanischen Geschichte, der wegen solcher schwerwiegenden Dinge angeklagt wird
  • Für die Republikaner handelt es sich um nichts anderes als politische Justiz, für die Demokraten kommt endlich jemand vor Gericht, den sie seit etwa 2015 für den grössten Verbrecher der Menschheit halten – ohne dass es ihnen allerdings je geglückt wäre, ihn in einem Prozess irgendeiner Untat zu überführen
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Selbstverständlich sprach jetzt niemand mehr von James Comer und seinem Committee. Biden und Bestechung? Nie gehört.  Stattdessen berichteten alle Medien über Trump, den Verbrecher. Und Joe Biden war wieder der freundliche, alte Herr, der in diesen Tagen gerade den britischen Premierminister Rishi Sunak zu einem Besuch empfing, wobei er ihn zuerst als «Präsidenten» ansprach und sich kurz darauf nicht mehr erinnern konnte, wer der britische Premierminister im Zweiten Weltkrieg gewesen war (er hiess Winston Churchill).  Immerhin, das letzte Mal, als Biden Sunak begrüsst hatte, nannte er ihn «Rasheed Sanook». (Er heisst Rishi Sunak). Biden mit Lernerfolg. Ob Trump verurteilt wird, ist offen. Allerdings könnte das durchaus geschehen – zumal man ihm für einmal Dinge vorwirft, die keine Bagatellen darstellen. Wenn Trump, der viele eigenartige Charakterzüge aufweist, belegen wollte, dass Disziplin und Rechtschaffenheit nicht zu seinen Kernkompetenzen zählen, dann gelang ihm das hier ohne Frage:
  • 10 000 Dokumente hat er mitlaufen lassen, nachdem er aus dem Weissen Haus ausgezogen war, und sie irgendwo im Keller in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida verstaut – darunter rund 100 als «streng geheim» Klassifizierte
  • Hat der Mann den Verstand verloren? Warum sammelt er nicht Briefmarken?
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Allerdings haben auch Hillary ClintonJoe Biden oder Mike Pence (Vizepräsident unter Trump) bewiesen, dass sie mit Geheimnissen der USA nicht umgehen können.
  • Clinton liess Zehntausende von zum Teil hochgeheimen Emails vernichten, nachdem sie jahrelang einen privaten Server benutzt hatte, damit niemand in der Bundesverwaltung ihre Emails einsehen konnte
  • Biden nahm als Vizepräsident ebenfalls geheime Dokumente nach Hause und liess sie in seiner Garage jahrelang verrotten, bis man sie vor kurzem fand

Dito Mike Pence, ein gläubiger Christ und wohl einer der gewissenhaftesten Politiker in Washington. Er hat sich entschuldigt

Sie alle wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Deshalb hat Trump, der Sammler, einen Punkt, wenn er der Regierung Biden unterstellt, sie fasse ihn nur aus politischen Gründen so viel härter an als alle anderen. Bananenrepublik eben. Oder um es mit Charles Louis de Secondat, baron de La Brède et de Montesquieu, kurz: Montesquieu zu sagen: «Es gibt keine grössere Tyrannei als die, die unter dem Schild des Gesetzes und im Namen der Gerechtigkeit verübt wird.» Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende Markus Somm

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