Printausgabe

Tinder lässt uns stinken

image 1. März 2023 um 07:10
Marina Lutz
Marina Lutz
Die Maturitätszahlen steigen. Keiner will mehr eine Lehre machen. Unser System spuckt deshalb inflationär Akademiker aus, die danach niemand will. Ausser der Forschung. Die ist ganz wild auf alles, was keiner braucht. Das Ergebnis sind Studien mit zweifelhaftem Erkenntnisgewinn.
Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass eine wachsende Population von Wölfen zu einer abnehmenden Population bei Hirsch, Reh und Co. führt. Was ohne gross angelegte Untersuchung natürlich niemand vermutet hätte. Ein internationales Konglomerat analysierte die Luft in Kinos. So wollte man eruieren, ob der Geruchspegel Rückschlüsse auf den Inhalt des Films zulässt. Führen Gewalt- und Sexszenen oder Drogenmissbrauch auf der Leinwand zu unterschiedlichen Ausdünstungen bei den Zuschauern?
Nebelspalter-Abo bestellen
Weil Humor die beste Medizin ist. Bestellen Sie jetzt das älteste Satiremagazin der Schweiz.
Jahresabo (10 Ausgaben, CHF 98) Probeabo (3 Ausgaben, CHF 20) Geschenkabo (10 Ausgaben, CHF 98)
Sie können das Abo auch telefonisch bestellen: +41 44 242 87 87
Aktuelle Ausgabe März 2023:

image

Es könnte besser kommen

Die Beispiele sind leider nicht erfunden. Aber apropos Mief: Eine deutsche Sozial­psychologin hat herausgefunden, dass viele Nutzer der Dating-App Tinder vor einem Treffen gar nicht mehr erst duschen. Auch wenn die Chance auf Beischlaf gross ist, zu mehr taugt die App ja nicht. Der Grund: Tinder hat sich zur Dating-Fabrik entwickelt. Wer mal auf den Geschmack gekommen ist, sucht gar nicht mehr nach der grossen Liebe, sondern will nur möglichst viele Treffen absolvieren. Es könnte ja schliess­lich noch etwas Besseres kommen. Deshalb wird inzwischen selbst über Mittag und noch schnell auf dem Heimweg von der Arbeit fleissig gedatet, nicht selten mehrfach pro Tag. Und man kann den Arbeitgeber während der Energiekrise ja schlecht darum bitten, eine Dusche im Büro einzubauen.
Jedenfalls ist der Frust laut der Forscherin vorprogrammiert. Funktionieren tut das Ganze nicht, aber es entwickelt sich dennoch zur Sucht. Man tindert, man hat ein Date, legt sich danach zu Hause trotzdem allein ins Bett (wenn es schlecht gelaufen ist) und hofft auf eine Nachricht der neuen Bekanntschaft. Die liegt zwar ebenfalls allein im Bett, denkt aber gar nicht daran, dem Date des Abends zu schreiben. Denn sie muss dringend wieder tindern. Bis tief in die Nacht, dann verschläft sie natürlich, und es reicht wieder nicht für die Dusche. Bleibt nur zu hoffen, dass sie am Abend nicht ins Kino geht, ansonsten verfälscht sie das Ergebnis der Luftanalyse von oben.
Aber zurück zu den unterbeschäftigten Akademikern. Wussten Sie, dass Hühner besonders eifrig Körner picken, wenn sie von Menschen serviert werden, die von andern als schön beurteilt werden? Herzlichen Dank an die Uni Stockholm für diese Information.

Grössenverhältnis

Nicht weniger bahnbrechend ist die Arbeit von Londoner Forschern, die einen Zusammenhang zwischen der Grösse des Fusses und des männlichen Geschlechtsteils suchten, leider erfolglos (ich habe übrigens 42).
Nichts gegen Studien, die keiner braucht. Mal abgesehen davon, dass ich sie mit meinen Steuergeldern mitfinanziere. Die Frage ist vielmehr, warum keine Zeit bleibt für die Fragen, die wirklich unbedingt längst gelöst werden müssten.

Ab ins Striplokal

Warum können Kinder beispielsweise im Winter bei vereisten Strassen unfallfrei im Höchsttempo zur Schule rennen, aber mich haut es um, sobald ich die Haustür hinter mir zugezogen habe? Wieso merkt mein Staubsauger durch Sensoren, welche Art Untergrund er gerade berührt, und wechselt dann das Programm, aber es ist nicht möglich, Laubbläser herzustellen, die man nicht auch noch im nächsten Kanton hört? Und wieso stellt sich die Katze im Dunkeln direkt in meinen Laufweg, obwohl sie im Unterschied zu mir ja auch nachts etwas sieht und das durchaus vermeiden könnte?
An Arbeit würde es also nicht fehlen. Aber nein, Hochstudierte aus den USA widmen sich lieber einer Untersuchung, die belegt, dass Stripperinnen während des Eisprungs mehr Trinkgeld kassieren. Wobei ich für diese Studie sogar ein gewisses Verständnis habe. Ein Trupp Forscher hat dafür 18 Stripperinnen zwei Monate lang beobachtet. Vielleicht hätte ich doch den akademischen Weg einschlagen sollen.

#WEITERE THEMEN

image
Bundeshaus-Briefing #4

Migrationspakt, Güterverkehr, Steuern, Credit Suisse

1.4.2023

#MEHR VON DIESEM AUTOR