An seiner Jubiläumsfeier zum 150-jährigen Bestehen durfte der Nebelspalter am Freitagabend Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter begrüssen.
Die Finanzministerin (FDP) hatte einen reichbefrachteten Tag hinter sich, als sie kurz nach 19 Uhr beim prachtvollen Zunfthaus zur Meisen in Zürich eintraf und von Nebelspalter-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler sowie Verleger und Chefredaktor Markus Somm persönlich begrüsst wurde.
In Genf war Keller-Sutter mit ihrem amerikanischen Amtskollegen Scott Bessent zusammengekommen, um über die Konditionen eines Zoll-Deals zu verhandeln. Im Anschluss stand sie an einer Pressekonferenz den Journalisten Red und Antwort. Dann ging es direkt zum Nebelspalter-Fest.

Vor den 175 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sprach Keller-Sutter in aufgeräumter Stimmung über ihre Begegnung mit dem einflussreichen Secretary of the Treasury von Trump. Wie das so ablaufe, wenn man sich zum Gespräch treffe, wollte Markus Somm auf dem Podium wissen. «Kommt man da gleich zur Sache – oder übt man sich in Small Talk?».
Man setze sich in der Tat nicht hin und rede sofort über die Zölle, sagte Keller-Sutter. Ob er gut gereist sei, habe sie zum Beispiel Scott Bessent gefragt. Dieser sei übrigens schon häufig in der Romandie gewesen und kenne sie relativ gut.


«Die falsche Zeit für Leute ohne Kompass»
Im weiteren Gespräch gab die Bundespräsidentin Einblick in den Dialog mit den Amerikanern und schilderte, wie sie die Gefühlswelt der Trump-Administration wahrnehme. Es gehe der Regierung mit ihren Massnahmen darum, die USA zu reindustrialisieren und viele verlorene Jobs zurückzugewinnen. Ob das gelinge, bleibe allerdings abzuwarten.
Für multilaterale Systeme oder Blöcke würden in Washington offensichtlich wenig Sympathien bestehen. Die Schweiz befinde sich da im Vorteil.
Karin Keller-Sutter sprach am Nebelspalter-Fest aber auch über ihre liberalen Überzeugungen. Dass umgehend nach dem Staat gerufen werde, wenn es irgendwo brennt, missfalle ihr und sei eine Fehlentwicklung. Gleiches gelte für die angestrebten Sparpläne beim Bundeshaushalt: Der grosse Widerstand von allen Seiten, auch nur ein bisschen Kosten einzusparen, gebe ihr zu denken.
Sie kämpfe für ihre Positionen, auch wenn sie sich damit unbeliebt mache, sagte die Bundespräsidentin. Und hielt fest: «Es ist jetzt nicht die Zeit für Leute, die keinen Kompass haben.»

Für einen Lacher sorgte Karin Keller-Sutter, als sie auf ihre politischen Anfänge zurückblickte. «In der Kanti war ich links. Aber das ist normal. Man merkt es, wenn man dann vernünftiger wird.»
Heiterkeit war ebenso punkto Nebelspalter angesagt. Der «Nebi» sei in ihrer Kindheit auf dem Küchentisch gelegen und habe sie immer wieder zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken angeregt. Wenn sie heute den Nebelspalter-Polit-Podcast Bern einfach höre, habe sie manchmal den Eindruck, dass es sich ebenfalls um Satire handle, meinte die Bundespräsidentin – und lachte. «Wie in einer Muppet Show!», ergänzte Markus Somm.
Sie bekräftige aber auch die Bedeutung und den Wert unterschiedlicher Meinungen – das zeichne schliesslich die Demokratie aus.

Gegen rote und braune Fäuste
Mit der Bedeutung von Demokratie und dem skeptischen Blick «auf alle Formen der Macht» setzte sich auch Nebelspalter-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler in seiner Ansprache auseinander.
«Wir müssen hellwach sein, denn Macht ist immer ein Gegner von Freiheit und Demokratie. Darum sind wir auf der richtigen Seite in den nächsten 150 Jahren», betonte Hummler. Die lange Geschichte – der Nebelspalter ist die älteste Satirezeitschrift der Welt – sei ein Auftrag für die Zukunft. Es gelte, den Kampf gegen «rote und braune Fäuste» unerschrocken fortzusetzen.

Erstmals «Nebelspalter-Karikatur des Jahres» vergeben
Zum Abschluss des Jubiläumsfests vergab der Nebelspalter erstmals den Publikumspreis «Nebelspalter-Karikatur des Jahres». Die Leserschaft hatte in einem Onlinevoting aus zehn verschiedenen Karikaturen ihren Favoriten ausgewählt.
Das Rennen machte der Schweizer Zeichner Caspar Frei mit seiner Karikatur «Wir schaffen das» – worin er den berühmten Ausspruch der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel hinterfragte.

Für Frei ist die Auszeichnung eine späte Genugtuung, wie er bei der Preisverleihung erklärte. «Als ich diese Karikatur bei der Flüchtlingskrise 2016 erstmals veröffentlichte, erntete ich einen Shitstorm. Ich sei ein Rassist, wurde mir an den Kopf geworfen. Dabei habe ich nur zum Ausdruck gebracht, was viele Menschen dachten.»
Ein überaus eindrucksvoller, da sehr witziger Auftritt des Comedian Stefan Büsser sowie ein ausgedehnter Apéro Riche rundeten schliesslich das Nebelspalter-Jubiläumsfest in der Zunft zur Meisen ab.