
Mit der Männlichkeit ist es so eine Sache. Wer ständig darüber redet, hat sie nicht. Wer klagt, man lasse sie ihm nicht: Ist ein Waschlappen. Und wer gar ein Heft macht, wo er die «toxische Männlichkeit» feiert, ist vermutlich eine Frau. Okay, ich kann mich nicht mehr erinnern, wer in der Nebelspalter-Redaktion auf diese Idee kam, ob eine Frau oder ein Mann, was ich aber weiss: Wir befinden uns in bester Gesellschaft. Allerorten regt sich der Widerstand gegen eine allzu banale Sicht auf den Mann.
Wir Männer sind nicht für alles Gute verantwortlich, wie unsere Vorfahren angeblich gemeint haben, aber auch nicht für alles Schlechte auf dieser Welt. Das ist das eine – Banale. Das andere: Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie es eigentlich dazu gekommen ist, dass wir uns in der Gegenwart so obsessiv mit Geschlechterfragen herumschlagen. Seit gut 300 000 Jahren gibt es den Homo sapiens, also Zeit genug, um diese Obsession zu entwickeln, doch wenn ich die uns näher bekannte Geschichte der letzten 5000 Jahre richtig überblicke, kam es doch eher selten vor, dass die Menschen verschiedenen Geschlechts sich dermassen in den Haaren lagen. Noch seltener beobachtete man, dass das eine Geschlecht so pauschal für so viele Schäden verantwortlich gemacht wird: Klimawandel, der Krieg in der Ukraine, der Nahostkonflikt, der Kapitalismus, der Mangel an Kinderkrippen und die Tatsache, dass Buben in der Regel lieber Cowboy spielen als Indianerin.
Warum diese Obsession? Alles begann wohl mit dem Erfolg des vermeintlich so männlichen Kapitalismus. Erst der Wohlstand, der seit dem Zweiten Weltkrieg wie ein Segen oder wie ein Fluch, je nach Standpunkt, über uns gekommen ist, kappte die jahrtausendalte Abhängigkeit der Geschlechter voneinander. Wenn man es in feministischen Kreisen auch nicht wahrhaben will: Früher waren immer beide Geschlechter auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Kein Mann überlebte ohne Frau, keine Frau ohne Mann. Ökonomisch, sozial, kulturell: Alles band uns zusammen, ob wir das schätzten oder nicht. Armut und Woke gehen nicht zusammen.
Wenn allerdings diese gegenseitige Abhängigkeit nicht mehr gilt, weil wir es uns leisten können, ohne einander zu überleben, ja dann leistet man sich auch Vorurteile, Hass und Dekadenz. Damit will ich keinesfalls beklagen, wie der Wohlstand beide Geschlechter befreit hat. Im Gegenteil. Das war ein liberaler Triumph.

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Wer würde das bestreiten? Ich bin stolzer Vater von drei Töchtern und ebenso stolzer Vater von zwei Söhnen. Dass sie alle genau das in ihrem Leben unternehmen können, was sie sich wünschen: Das ist wunderbar. Weniger wunderbar scheint mir jedoch die Tatsache, dass man das nicht feiert und dann zur Tagesordnung übergeht. Vielmehr gibt es Leute, übrigens genauso viele Frauen wie Männer, und in der Regel sind es linke Frauen und linke Männer, die geradezu verzweifelt nach weiter bestehenden Ungleichheiten im Nano-Bereich suchen, sie manchmal auch finden, um sie dann auf eine Art und Weise zu beweinen, zu bekämpfen und zu bewirtschaften, die erstens überzogen ist und sich zweitens als kontraproduktiv herausstellt. Löst jetzt der Genderstern wirklich das letzte Problemlein? Führt die 450. Lohnstudie tatsächlich zu einem höheren Lohn für das eine Geschlecht?
Okay, genug des reaktionären Sexismus. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit unserem toxischen Heft.