Somms Memo

Trump verurteilt. Ist Amerika eine Bananenrepublik?

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31.05.2024
Donald Trump nach dem Urteil. Bild: Keystone
Donald Trump nach dem Urteil. Bild: Keystone

Die Fakten: Donald Trump ist von einem Geschworenengericht in New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen verurteilt worden.

Warum das wichtig ist: Amerika befindet sich auf einer sehr schiefen Ebene. Wenn Gerichte Politik machen, dann verendet die Demokratie.

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Je nachdem, ob man Trump mag oder ihn verabscheut, dürfte dieses Urteil unterschiedlich eingeschätzt werden, was den juristischen Gehalt anbelangt.

  • Trump-Hasser, und davon gibt es genug, werden sagen: Alles OK, das Gesetz gilt für jedermann, auch für einen ehemaligen Präsidenten. Der Mann ist schuldig
     
  • Trump-Anhänger dagegen schreien Zeter und Mordio, sie halten Trump für ein Opfer der politischen Justiz

 
Weil Amerika derzeit so polarisiert ist, fällt es schwer, noch einen Juristen zu finden, der einem das Ganze ausgewogen und verständlich beurteilt, ohne parteipolitisch voreingenommen zu sein. Und selbst wenn man dann einen solchen unabhängigen und ausgewiesenen Experten hat, wird die Gegenseite (je nach Experten) diesen wiederum als befangen oder gekauft verdammen.

Wie dem auch sei, ich halte Alan Dershowitz für so einen unabhängigen und ausgewiesenen Experten und nehme sein Urteil sehr ernst. Warum?

  • Dershowitz gilt als einer der besten Strafrechtler des Landes
     
  • Er ist emeritierter Professor der Harvard Law School, einer der berühmtesten Jura-Fakultäten der Welt
     
  • Er war als Anwalt an zahllosen Prozessen beteiligt (auch an umstrittenen: O.J. Simpson, als dessen Verteidiger für einen allfälligen Berufungsprozess, der aber nie stattfand) – und Dershowitz hat sehr viele davon gewonnen
     
  • Vor allen Dingen ist er ein lebenslanger Demokrat, der noch heute beteuert, er wähle Joe Biden, den er mag und persönlich kennt

 
Sein Urteil über dieses Urteil ist vernichtend.

  • «Juristisch betrachtet, ist das der schwächste Fall, den ich in meinen 60 Jahren als Strafverteidiger je gesehen habe»
     
  • «Selbst ich als Jurist kann bis heute nicht verstehen, worin das Verbrechen bestanden haben soll, das man Trump vorwarf»
     
  • «Man hat die Geschworenen aus einem Milieu rekrutiert, das zu 85 bis 90 Prozent gegen Trump eingestellt ist und ihn auf keinen Fall wieder als Präsidenten sehen möchte»
     
  • «Das erinnert an jene Geschworenengerichte im segregierten Süden, wo rein weisse Geschworene einen Schwarzen geschlossen verurteilten»

 
Wer sich die Mühe macht, das Urteil schon nur juristisch nachzuvollziehen, ist verloren: Es wirkt wie ein Labyrinth, wo jeder verhungert, bevor er den Ausweg wieder findet, so dass selbst Juristen davon abraten, es begreifen zu wollen.

Fest steht: Ginge es nicht um Trump, hätte kein Staatsanwalt der USA je Klage erhoben. Zu konstruiert das angebliche Verbrechen, zu sehr an den Haaren herbeigezogen die Argumentation, zu belanglos:

  • «Dieser Fall hätte nie zur Anklage gebracht werden dürfen», sagt Dershowitz – und ausserhalb New Yorks, einer Hochburg der Demokraten, wäre es wohl auch nie dazu gekommen
     

So gesehen, war es eben gerade das Gegenteil von rechtsstaatlich, was sich in Manhattan zugetragen hat: Wäre Trump ein gewöhnlicher Bürger, hätte er sich kaum vor Gericht verantworten müssen.

  • Nie war zu befürchten, dass er «über dem Gesetz» stehen würde, wie seine Gegner scheinheilig behaupteten
     
  • Vielmehr wurde er härter angefasst als jeder andere Mensch auf dieser Welt, weil die gleichen Gegner danach verlangten

 
Der zuständige, vom Volk gewählte Staatsanwalt Alvin Bragg war seinerzeit mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, Trump vor Gericht zu bringen – ohne angeben zu können, was er ihm denn zur Last legen würde.

  • Er suchte dann nach einem passenden Verbrechen, nachdem er gewählt worden war
     
  • Und wer sucht, findet in New York immer irgendetwas (so wie in anderen bewährten Rechtsstaaten wie Venezuela, Iran oder China)
     
  • Wer es nicht glaubt, soll sich bei einem beliebigen schweizerischen Bankier erkundigen

 
Wenn ich Amerika von aussen betrachte, – und ich liebe dieses Land wie kaum ein anderes in der Welt – wirkt es nicht mehr wie ein demokratischer Rechtsstaat. 
 
Vielmehr ist es zu einem politisch dermassen aufgewühlten Land verkommen, wo jedes Mittel recht scheint, einen politischen Gegner zur Strecke zu bringen.
 
Wer hat angefangen?

  • Die Demokraten sagen: Trump
  • Die Republikaner entgegnen: die Demokraten

 
Am Ende spielt das alles keine Rolle. Es ist Zeit, dass die Vernünftigen auf beiden Seiten des politischen Grabens zur Einsicht kämen. Was hier abläuft, ist gefährlich, ja tödlich.
 
Was, wenn in Bundesstaaten, die so Republikanisch sind wie New York Demokratisch, ein ehrgeiziger, aktivistischer Staatsanwalt ebenfalls auf die Idee kommt, einen unliebsamen Kandidaten der Demokraten vor Gericht zu zerren?

  • Wer bei Joe Biden nach einem konstruierten, an den Haaren herbeigezogenen Verbrechen sucht, wird es auch finden
     
  • In einer bewährten Demokratie gilt die Regel: Nur im äussersten Fall, wo es um schwerwiegende Taten geht (Mord und Totschlag, etc.), sollte sich ein Gericht in einen laufenden Wahlkampf einmischen

«Get Trump», heisst das neueste Buch von Alan Dershowitz, das er lange vor dem gestrigen Urteil veröffentlicht hat: «Erwischt Trump». Er hat alles richtig vorausgesehen. 
 
Den Gegnern von Trump geht Trump dermassen auf die Nerven, dass sie alle Nerven verloren haben.
 
Man spricht vom «Trump derangement syndrome» (TDS) – von einer von Trump hervorgerufenen, geistigen Verwirrung.
 
Um die Demokratie zu retten, sind die Gegner von Trump, dem sie vorwerfen, die Demokratie zu zerstören, zu allem bereit: Und wenn es sein muss, zerstören sie selbst die Demokratie. Präventiv sozusagen.

Wie jene armen Kerle, die sich umbringen, weil sie Angst vor dem Tod haben.

Alan Dershowitz sagt:
 
«Das ist ein trauriger Tag für Amerika. Das Urteil ist schlimmer für Amerika als für Trump».
 
Seit Jahren führt er eine Bananenrepublik-Skala, die von 1 bis 10 reicht.

  • 1 Banane: vielleicht Belgien?
  • 10 Bananen: Man kommt in den Gulag, wenn es den Herrschern passt

 
Amerikas Rang hat sich laut Dershowitz gestern verschlechtert: Von 7 auf 8 Bananen.
 
 
Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Wochenende
 
Markus Somm


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