Somms Memo

Mitte will neue Wehrsteuer. Nur befristet. Hahaha.

13
15.03.2024
Peter Hegglin, Ständerat (ZG) und ehemaliger Finanzdirektor: Leben im Provisorium. Bild: Keystone
Peter Hegglin, Ständerat (ZG) und ehemaliger Finanzdirektor: Leben im Provisorium. Bild: Keystone

Die Fakten: Die Mitte will mit einer neuen Wehrsteuer die Aufrüstung der Armee finanzieren.
 
Warum das wichtig ist: Gut gedacht – zu kurz gedacht. Wir haben schon eine Wehrsteuer: die direkte Bundessteuer. In Bern wird genug Geld verbrennt. Zeit zum Sparen.

Täglich in der Mailbox

Somms Memo gibt's auch als Newsletter

Laut Tages-Anzeiger hat sich die Mitte-Fraktion am Dienstag über ein Papier gebeugt, das der Frage nachging, wie sich der Bund eine absehbar viel teurere Armee leisten könnte:

  • Warum nicht eine neue Steuer, die man eigens für die Armee einrichtet? Die Mitte redet von einer «Wehrsteuer»
     
  • Das schlägt eine Arbeitsgruppe unter Führung des früheren Zuger Finanzdirektors und aktuellen Ständerats Peter Hegglin vor
     
  • Insgesamt rechnet Hegglin mit Mehreinnahmen von 20 Milliarden Franken

Wenn die Mitte einen solchen Vorschlag unterbreitet, muss man ihn ernst nehmen – zumal sie, sofern sie selber einig ist, mit links oder rechts eine Mehrheit bilden kann. Was ist davon zu halten?

  • Dass die Mitte, die immerhin mit Viola Amherd die Wehrministerin stellt, eine Wehrsteuer ins Gespräch bringt und damit klar mehr Geld für die Armee verlangt, ist erfreulich. Es war höchste Zeit, die Welt ist gefährlich geworden
     
  • Doch die Methode ist kreuzfalsch. Nur weil unsere Politiker sich offenbar ausserstande sehen, das Geld durch Einsparungen an anderen Orten zu beschaffen, sollen wir Bürger ihnen noch mehr Geld in die Hand drücken. Damit ihnen beim Geld-aus-dem-Fenster-Werfen ja nie der Stoff ausgeht?


Gemäss dem Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern (IWP) schüttet der Bund jedes Jahr Subventionen von rund 48,5 Milliarden Franken aus (2023). Davon sind 38 Milliarden «aus wohlfahrtstheoretischer Sicht fragwürdig bis überflüssig», urteilt das IWP, das heisst: sie generieren «mehr Schaden als Nutzen».
 
38 Milliarden. Damit liesse sich eine schöne Armee kaufen.
 
Kurz, zuerst schauen wir die Ausgaben an, bevor wir über neue Einnahmen auch nur nachdenken.

Der Vorschlag der Gruppe Hegglin wirkt aus weiteren Gründen unüberlegt:

  • Wie immer in Bern, wenn man etwas anregt, was weh tut, soll diese neue Wehrsteuer nur «befristet» eingeführt werden. Und wie immer, wenn in Bern etwas als «befristet» bezeichnet wird, dürfte Bern am Ende eine sehr kreative Auslegung des Wortes «befristet» vornehmen. Für 200 Jahre befristet? Für 500 Jahre
     
  • Denn natürlich haben wir längst eine Wehrsteuer – man nennt sie heute direkte Bundessteuer, damit niemand merkt, dass auch sie als «befristet» galt, als sie geschaffen wurde (was sie streng genommen immer noch ist; neuerdings bis 2035)

 
Das kam so:
 
Laut Bundesverfassung von 1848 (was in der Totalrevision von 1874 auch bestätigt wurde), waren direkte Steuern den Kantonen vorbehalten. Dem Bund war es untersagt, selber direkte Steuern zu erheben, stattdessen finanzierte er sich weitgehend durch die Zölle.
 
Als 1914 aber der Erste Weltkrieg begann, brach auch der Handel zusammen, und die Zölle gingen dramatisch zurück, gleichzeitig stiegen die Kosten für die Armee ins Unermessliche. In dieser finanziellen Notlage beschlossen Bundesrat und Parlament 1915 eine «Kriegsteuer», befristet selbstverständlich, um in sehr schweren Zeiten durchzukommen. Sie wurde von Volk und Ständen angenommen.
 
Sollte der Krieg vorbei sein, so versicherten die Politiker, würde man diese erste direkte Steuer des Bundes natürlich wieder aufheben.

  • Jedermann war einverstanden. Klang es nicht vernünftig?

Nachdem der Krieg dann 1918 tatsächlich an sein Ende gekommen war, stellten die Politiker fest, dass die Zeiten halt immer noch schwere waren. Arbeitslosigkeit, Inflation, die Revolution in Russland: War es nicht vernünftig, die Steuer beizubehalten – wenn auch selbstverständlich befristet?

  • Also hiess die Steuer von 1921 bis 1932 «neue, ausserordentliche Kriegssteuer»

 
Doch die Zeiten blieben schwere, jetzt ächzten die Politiker unter der Weltwirtschaftskrise, und in Deutschland war Hitler an die Macht gekommen, so dass die Steuer 1934 umgetauft wurde:

  • Man nannte sie neuerdings «Krisenabgabe» – bis 1940

 
Denn inzwischen war praktischerweise von neuem ein Krieg ausgebrochen, und der Bundesrat konnte eigenhändig – gestützt auf den Vollmachtenbeschluss – eine neue «Wehrsteuer» ins Leben rufen, die aber einfach die alte Krisenabgabe war, wenn auch mit einem deutlich schärferen Zugriff auf das Geld der Bürger

  • Besonders die Reichen mussten sich jetzt solidarisch zeigen, hiess es, und selbst die Reichen brachten Verständnis dafür auf
     
  • War es nicht vernünftig, sagten sie sich, dass wir in diesen schweren Zeiten auch verhältnismässig mehr an die Armee beitrugen, die unsere Fabriken und Ferienhäuser zu verteidigen hatte?
     
  • Deshalb war die Wehrsteuer brutal progressiv ausgestaltet: Faktisch war es eine Reichensteuer, befristet eingeführt, um die schwersten Zeiten unserer Geschichte zu überstehen

Doch die schweren Zeiten hielten ewig an. Die einstige Kriegssteuer aus dem Ersten Weltkrieg überstand alle Friedenszeiten, alle Hochkonjunkturen und alle Wirtschaftswunder. Und sie blieb auch unverändert brutal progressiv, als herrschte für immer der nationale Notstand. 1982 wurde die Wehrsteuer in «direkte Bundessteuer» umbenannt. Wenn man damit ihren Ursprung tarnen wollte, dann ist das bestens gelungen.
 
Heute fordert die Mitte eine zweite Wehrsteuer, und niemand kann sich an die erste erinnern, für die wir jedes Jahr bezahlen.
 
Inzwischen herrscht in Europa wieder Krieg.
 
Natürlich befristet.
 
Oder wie es der amerikanische Schriftsteller Henry Miller ausgedrückt hat:

«Auf dieser Erde ist, wie die Franzosen sagen, nichts dauerhaft – nur das Provisorium».

Das wissen nicht nur die Franzosen.
 
 
Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Wochenende
 
Markus Somm
 
 
 
Wer es genauer wissen will: Subventionsbericht des IWP: https://www.iwp.swiss/subventionsampel/

Fehler gefunden? Jetzt melden.

Konversation wird geladen