Bundeshaus-Briefing #18

Stromversorgung, Gerichtsskandale, Post

image 19. August 2023 um 03:30
Bundeskanzler Walter Thurnherr tritt im Dezember nicht mehr an. (Bild: Keystone)
Bundeskanzler Walter Thurnherr tritt im Dezember nicht mehr an. (Bild: Keystone)
Die wichtigsten drei Themen der kommenden Woche:
  • der Manteelerlass, der die Versorgung mit Strom sicherstellen sollte.
  • die Skandale an eidgenössischen Gerichten.
  • die Grundversorgung der Post.

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Das gibt zu reden

Der Rücktritt von Bundeskanzler Walter Thurnherr, war die (überraschende) Nachricht der Woche – vor allem, weil Thurnherr gut eine weitere Legislatur hätte anhängen können. Man müsse aber abtreten, wenn man sich noch auf der Höhe seiner Aufgaben fühle, sagte er vor den Medien. Thurnherr kritisierte gleichzeitig die sieben Bundesräte, weil das «Silo-Denken» eher zugenommen habe (Quelle):
«Wir haben zu viele ‹Kompetenzstürmereien›, die nicht nötig sind.» Der Kontext: Insider verschiedener Departemente sagen, der Einfluss der Bundeskanzlei sei grösser als je zuvor. Insbesondere versuche die Stabsstelle, die Kommunikation der Departemente zu kontrollieren.  Meine Beurteilung: «Silo-Denken» und «Kompetenzstürmereien» gehören zum realexistierenden Politiksystem der Schweiz. Im Bundesrat sitzen alle Parteien, welche die Politik mit Referenden oder im Parlament blockieren können. Dass sich diese Bundesräte dann auch darum streiten, wer was zu sagen hat, gehört zum Spiel. Wer sich darüber aufregt, dem geht es in der Regel vor allem darum, die eigenen Kompetenzen grösser werden zu lassen, als sie sind. Walter Turnherr weiss das.

Was nächste Woche aktuell wird

Die Energiekommission des Nationalrates muss sich ab Montag zum zweiten Mal mit dem sogenannten «Mantelerlass» zur Stromversorgung beschäftigen. Die Differenzen zum Ständerat sind noch gross, sei es bei den Restwassermengen oder bei einer Solardachpflicht. Warum das wichtig ist: Der Schweiz fehlt im Winter Strom. Und Importe sind unsicher, da niemand liefern kann. Das Gesetz will die Stromproduktion mit erneuerbaren Energien fördern – nicht mit Atomkraft.  Das Zitat: «Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte.» (Bundesrat Albert Rösti) Die Zahlen: Mit neuen erneuerbaren Energien, also vor allem Sonne, Wind und Biomasse, sollen bis 2035 35 Terawattstunden und bis 2050 45 Terawattstunden Strom hergestellt werden (Produktion 2022: 4,9 TWh). Für die Wasserkraft gelten die «Zielwerte» 37,9 Terawattstunden bis 2035 und 39,2 Terawattstunden bis 2050 (Produktion 2022: 33,5 TWh).  Das Problem: Das Gesetz dürfte in der Herbstession verabschiedet werden. Ein «Scheitern» ist trotzdem gar nicht so unwahrscheinlich. Ob die beschlossenen «Zielwerte» für die Produktion erreicht werden, ist mehr als fraglich.  Die Lösung: Der Bundesrat hat deshalb bereits eine neue «Beschleunigungsvorlage» ans Parlament geschickt, die ebenfalls nächste Woche in der Kommission beraten wird. Sie soll Planungs- und Baubewilligungsverfahren für Solar- und Windenergieanlagen noch einmal beschleunigen.  Der Kontext: Während rund um die Schweiz Atomkraftwerke wieder salonfähig werden, versuchen Bundesrat und Parlament an einer Versorgung durch Wind- und Solarenergie ohne neue Kernkraftwerke festzuhalten. Dazu bringen sie immer schneller neue Gesetzesvorlagen. Gleichzeitig werden Solar- und Windprojekte insbesondere von den Grünen und von Umweltschützern bekämpft.  Meine Beurteilung: Nachdem sich die meisten Annahmen der Energiestrategie 2050 als falsch herausgestellt haben, braucht es statt hastig aufgesetzte Gesetzesprojekte eine neue Konzeption – inklusive die CO₂-freie Atomenergie. Bundesrat Rösti: Übernehmen Sie!

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Energie-Bundesrat Albert Rösti arbeitet immer noch am Erbe seiner Vorgängerin Simonetta Sommaruga. (Bild: Keystone)
Die Gerichtskommission bereitet mehrere Wahlgeschäfte für das Bundesgericht, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundespatentgericht vor. Gleichzeitig tagt die Subkommission Gerichte der Geschäftsprüfungskommission. Warum das wichtig ist: Dem Parlament ist es bis jetzt nicht gelungen, die zahlreichen Skandale an den Gerichten in Lausanne, St. Gallen oder Bellinzona aufzuklären. Mobbing, illegale Datensammlungen, Diffamierung, eine versuchte Amtsenthebung und die Beförderung von befangenen oder ungeeigneten Kandidaten, nur weil sie in der «richtigen» Partei sind, schaden den Gerichten.  Meine Beurteilung: Solange die Besetzung von Gerichten parteipolitisch und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird, dürfte sich an den Problemen nichts ändern. Kompetenzen spielen erst eine Rolle, wenn die Kandidaturen öffentlich verhandelt werden und auch parteilose Kandidaten eine Chance haben. 

Zu achten ist auf:

  • Die Mitte-Nationalräte in der Energiekommission: Halten Sie an den Differenzen zum Ständerat fest oder schwenken sie auf die Linie ihrer Parteikollegen im Ständerat ein?
  • Gerichts- und Geschäftsprüfungskommission: Gibt es Anzeichen, dass die Skandale der letzten Jahre aufgearbeitet, statt unter den Tisch gewischt werden?

Was sonst noch läuft

Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates nimmt sich einer Parlamentarischen Initiative der Zürcher Nationalrätin Judith Bellaiche (GLP) an. Im Postgesetz soll klargestellt werden, dass «Lieferdienste von schnell verderblichen Produkten wie beispielsweise Essens- oder Blumenlieferungen eindeutig nicht den Bestimmungen der Postgesetzgebung unterstehen». Die Post versucht mangels Perspektiven im eigenen Geschäft, diese Dienste zur Grundversorgung zu zählen und so bei sich zu monopolisieren. Entscheiden die Ständeräte gegen ihren ehemaligen Ratskollegen, der sich ohne die nötigen Qualifikationen an die Spitze der Post setzen liess? Auch eine Motion für Obergrenzen von Roaming-Tarifen kommt in die gleiche Kommission. Der Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sind Kosten für Roaming schon lange ein Dorn im Auge. Mit dem Ansinnen, diese ganz zu verbieten, ist sie gescheitert. Mit der Obergrenze kam sie im Nationalrat durch. Vielleicht gibt es aber im Ständerat noch ein bisschen Vertrauen in den Wettbewerb und die Konsumenten, dass sie das Abo wählen, mit dem sie am besten und günstigsten telefonieren.
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Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und alles Gute!

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