Somms Memo #63 - Ukraine-Krieg: Ist China der lachende Dritte?
Wladimir Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping.
Warum das wichtig ist: China könnte im Konflikt zwischen dem Westen und Russland zum lachenden Dritten werden. Zwar hält sich Peking vornehm zurück, tatsächlich steht es aber fest an der Seite von Moskau.
Was macht China? Es ist der grosse Elefant im Raum, von dem man spricht, als wäre er eine Maus. Denn alle wissen, ganz gleich, wie Putins Krieg ausgeht:
- Russland ist eine Macht im Niedergang – ob mit oder ohne Ukraine
- Aber China ist ein aufsteigende Superpower, die das Zeug hat, die Amerikaner abzulösen
Zwar sendet Peking gemischte Signale aus, die den Westen beruhigen sollen: Man fühle sich «unwohl» angesichts des Krieges in der Ukraine, säuselt es in offiziösen Kreisen. Natürlich sei der Westen ein viel wichtigerer Markt als Russland, und man wolle es sich mit dem Westen nicht verscherzen, so wird westlichen Journalisten hinter angeblich vorgehaltener Hand zugesteckt.
Worte wie Drogen, Worte, die man im Westen zu hören hofft, doch die Fakten sprechen eine andere Sprache:
- China hat Russland bisher nicht für den Krieg verurteilt. Im UNO-Sicherheitsrat enthielt sich China der Stimme
- China beteiligt sich nicht an den Wirtschaftssanktionen des Westens
- China importiert nach wie vor in rauen Mengen Öl und Gas aus Russland (wie der Westen allerdings auch)
Zwar meldet Peking seine «Neutralität», aber in der Regel sind nicht einmal die Wortmeldungen neutral.
Zu einem Zeitpunkt, da Putins Geschütze bereits donnerten und Putins Bomben auf Kiew regneten, liess Wang Yi, der chinesische Aussenminister, verlauten:
«Die chinesisch-russische Zusammenarbeit trägt zu Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Welt bei».
Wang Yi, Aussenminister der Volksrepublik China.
Im gleichen Atemzug bezeichnete er die «Freundschaft zu Russland» als «felsenfest». Und er fuhr fort:
«Egal wie düster die internationale Lage ist, China und Russland werden ihre umfassende strategische Partnerschaft in der neuen Ära fortsetzen».
Sind noch Fragen? Klingt so «Unwohlsein»?
Drei Monate lang hat die Biden-Administration vor der Invasion sich darum bemüht, China auf seine Seite zu ziehen, um Russland von einem Krieg abzuhalten, so berichtet die New York Times.
Es wurden Dutzende von streng vertraulichen Gesprächen auf höchster Ebene geführt, die Amerikaner legten den Chinesen Berichte und Satellitenfotos ihrer Geheimdienste vor, die zweifelsfrei zeigten, wie Putin seine Truppen auf den Einmarsch vorbereitete. Ohne jeden Effekt.
Peking stellte sich taub und blind. Waren diese Panzer wirklich Panzer – oder nicht eher Traktoren? Wenn sie sich diese Fotos ansehen, so gaben die Chinesen an, dann könnten sie darin keine Hinweise auf eine Invasion erkennen. Von Krieg keine Spur.
Stattdessen reichten die Chinesen die amerikanischen Geheimdienstberichte an die Russen weiter. Was haben wir gelacht in Moskau und Peking. Naiv, naiver, Amerika.
Dabei dürften die Chinesen bestens im Bilde gewesen sein, vermutlich hatte Xi Jinping, der chinesische Staatspräsident, seinen Freund Putin gar darum gebeten, mit dem Krieg zu warten, bis die Olympischen Winterspiele in Peking überstanden waren, worauf Putin gerne Rücksicht nahm.
Bromance unter Alt-Kommunisten.
Kaum war am Sonntag in Peking das olympische Feuer erloschen, steckte Putin die Ukraine in Brand. Am Montag anerkannte er die beiden abtrünnigen Provinzen in der östlichen Ukraine als unabhängige Staaten, am Donnerstag marschierte er in die Ukraine ein. Putin, der Rücksichtsvolle.
Dass es Biden nicht fertiggebracht hat, die Chinesen in die Front gegen die Russen einzugliedern, dürfte böse Folgen haben. Wird es dem Westen gar zum Verhängnis?
Denn ohne China lassen sich die Wirtschaftssanktionen gegen Russland eigentlich nicht mit Erfolg realisieren. Je länger der Krieg dauert, desto sicherer werden die Russen versuchen, die Sanktionen via China zu umgehen. Vermutlich tun sie es bereits, worauf die Tatsache hinweist, dass die Amerikaner die Chinesen ständig davor warnen, mit den Russen gemeinsame Sache zu machen.
Wenn es nicht vorkäme, würden sie so oft davon reden?
China ist schon heute der bedeutendste Handelspartner für Russland – niemand kauft den Russen mehr Öl ab als die Chinesen. Vor kurzem kündigten die beiden Länder an, eine weitere Pipeline im Fernen Osten zu bauen, um noch mehr Öl und Gas von Russland nach China zu leiten.
Was wollen die Chinesen? Sie halten sich alle Optionen offen. Dabei können sie nur gewinnen.
- Gelingt es Putin, die Ukraine zu erobern, ohne dass der Westen das unterbindet, dann weiss China, dass es zur Annexion von Taiwan schreiten kann.
Wenn der Westen nicht für die grosse Ukraine kämpft, die angeblich immer zu Russland gehört hat, warum soll der Westen für eine kleine Insel kämpfen, die aus Sicht der Chinesen immer zu China gehört hat?
- Verliert Putin, dann war China immer neutral. Who the f… was Putin?
- Was auf jeden Fall geschieht, unabhängig davon, ob Putin siegt oder untergeht: Er wird Russland wirtschaftlich ruiniert haben. Isoliert vom Westen, verarmt durch den Krieg, wachen Putins Untertanen in der Hölle auf.
Und wer springt ihnen bei? Wer kauft die zerstörten Geschäfte auf, wer nimmt ihnen den Weizen ab, wer beteiligt sich an der russischen Öl- und Gasindustrie? Die Chinesen
Schon vor langer Zeit, im 5. Jahrhundert vor Christus, schrieb Sun Tzu, der grosse chinesische Militärstratege:
«Der grösste Sieg ist jener, der keine Schlacht erfordert»
Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag
Markus Somm