Somms Memo #56- Biden versus Trump? Amerikaner glauben an Trump
Karikatur, Andy Posner.
Warum das wichtig ist: In der Regel hilft eine aussenpolitische Krise einem amtierenden Präsidenten. Alle Patrioten schliessen die Reihen. Dass bei Biden das Gegenteil der Fall ist, muss die Demokraten beunruhigen.
Am 9. September 2001 sahen die Umfragewerte von George W. Bush, dem damaligen US-Präsidenten, nicht besorgniserregend aus, aber auch nicht berauschend:
- Eine knappe Hälfte, 51 Prozent der Amerikaner waren zufrieden mit seiner Amtsführung
- Doch der Anteil der Unzufriedenen war in den vergangenen Monaten unablässig gewachsen – von 25 Prozent auf 39 Prozent. Bushs Berater kamen ins Grübeln
Zwei Tage später, am 11. September 2001, flogen islamistische Terroristen zwei Flugzeuge in das World Trade Center und töteten an die 3000 Menschen. Bush stieg innert weniger Tage zum beliebtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte auf:
- 90 Prozent der Amerikaner gaben ihm jetzt Bestnoten (21./22. September 2001)
- Nicht einmal Franklin D. Roosevelt, der Präsident während des Zweiten Weltkrieges, hatte je eine solche Popularität erreicht. Seine höchsten Werte lagen bei 84 Prozent (Januar 1942). Das war wenige Wochen, nachdem die Japaner am 7. Dezember 1941 die Pazifikflotte der USA in Pearl Harbor attackiert und damit das Land in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen hatten
Offensichtlich hatte Bush etwas richtig gemacht. Ehe man sich’s versah, war aus einem eher unbeholfenen, oft wenig eloquenten Dumpfmumpf ein entschlossener, fähiger Kriegspräsident geworden, dem man vertraute, den man gar bewunderte. Gewiss, Amerika hatte eben den tödlichsten Angriff auf das eigene Territorium erlitten: Wenn das eigene Land in Gefahr gerät, dann schliesst man sich zusammen. Patriotismus ist die Emotion der Stunde:
Rallying Around the Flag, nennen die Amerikaner dieses Phänomen, das meistens nur ein Krieg auszulösen vermag.
Im Fall von Joe Biden ist von diesem Effekt nichts zu spüren. Zwar tobt in Europa ein Krieg, wie es ihn hier seit 1945 nicht mehr gegeben hat, und die USA stehen von neuem ihrem alten Feind aus den Zeiten des Kalten Krieges gegenüber, ein Reich des Bösen (Reagan) ist in Moskau auferstanden, trotzdem bleibt Amerika so gespalten wie je zuvor.
Biden – oder das Drama des ungeliebten Präsidenten.
Seit Monaten schon rutscht er in den sogenannten Job Approval Ratings laufend ab, in der Regel schwankt seine Beliebtheit zwischen 40 und 41 Prozent – und obwohl in der Zwischenzeit Russland die Ukraine überfallen hat, und der USA eine unverzichtbare Aufgabe bei der Beilegung dieses Weltenbrandes zukäme, bleibt Biden, was er schon vorher war:
- ein Präsident, der eigentlich nie aus dem Basement seines Hauses in Wilmington, Delaware herausgekommen ist, wo er sich während des Wahlkampfes vorzugsweise aufgehalten hatte
- seine Anhänger und Berater tun mir leid. Wann immer Biden öffentlich auftritt, müssen sie Höllenqualen ertragen: Sagt er etwas Falsches? Und wenn ja, bevor er es schon wieder vergessen hat?
Bidens Umfragewerte tun kaum einen Wank. Von anschwellendem Patriotismus ist in Amerika nichts zu vermelden. Stattdessen scheint sich ein anderes Gefühl zu verbreiten:
Es heisst Buyer’s Remorse.
Oder zu Deutsch: Die Reue, die man verspürt, wenn man einem Hausierer etwas zu enthusiastisch irgendein Putzmittel oder eine Haarbürste abgekauft hat, und danach merkt, dass man sie gar nicht brauchen kann – oder dass sie nichts taugen.
Nachdem die Amerikaner Biden abgekauft haben, er sei ein vernünftiger, vor allem viel erwachsenerer Präsident als dessen verrückter Vorgänger Donald Trump, stellen sie nun fest, dass Bidens Putzmittel nicht besser putzt. Im Gegenteil. Die Welt ist weitaus schmutziger geworden, vor allem unsicherer.
Einen Tag nach dem Angriff der Russen auf die Ukraine, veröffentlichte das Center for American Political Studies an der Harvard University und der Harris Poll eine Umfrage zum Krieg.
- Eine Mehrheit glaubt, dass Trump Putin von einem Krieg abgeschreckt hätte
- Eine Mehrheit meint, dass Putin auch deswegen angegriffen hat, weil er Biden als schwach eingeschätzt hatte
Dabei hatte sich Trump zu Anfang des Krieges wieder einmal unmöglich gemacht, als er Putins Überfall in einem Radiointerview als «genial» bezeichnete:
«I went in yesterday and there was a television screen, and I said, This is genius›. Putin declares a big portion of the Ukraine – of Ukraine. Putin declares it as independent. Oh, that’s wonderful.»
Natürlich war das auch sarkastisch gemeint, doch wo begann der Sarkasmus, und wo hörte er auf?
Inzwischen hat Trump seine Position geklärt – je nach Geschmack, aber sicher verschärft. Zwar attestiert er Putin nach wie vor immense Fähigkeiten (pretty smart, brilliant, savvy), gleichzeitig fordert er die USA nun unmissverständlich auf militärisch einzugreifen. Wovor Joe Biden noch zurückschreckt.
An einem Anlass für Donatoren in New Orleans bezeichnete Trump die russische Invasion als «massive crime against humanity», und fuhr fort:
«We can’t let it happen. We can’t let it continue to happen.»
Stattdessen würde er amerikanische Flugzeuge mit der chinesischen Flagge anmalen und dann
«bomb the s---’ out of Russia».
Wenn die Russen sich beschwerten, würde er alles den Chinesen anlasten:
«China did it, we didn’t do, China did it, and then they start fighting with each other and we sit back and watch.»
Alles lachte im Publikum. Rund 250 grosse Wahlspender waren gekommen.
Und Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht überzeugt wäre, dass er alles besser gemacht hätte.
«I knew Putin very well. He would not have done it. He would have never done it.»
Immerhin geben ihm für einmal 62 Prozent der Amerikaner recht.
Biden, der Hausierer, muss sich bessere Putzmittel und schönere Haarbürsten besorgen.
Ich wünsche Ihnen einen herrlichen Tag
Markus Somm