Somms Memo #5: Warum die Schweiz reich geworden ist
Karikatur: Jürg Kühni
Warum das wichtig ist: Nur wer weiss, warum er Erfolg hat, kann diesen in die Zukunft retten. Die Schweiz hat eine grandiose Zukunft vor sich – wenn wir ihre Vergangenheit ernst nehmen.
Im Jahr 1723 schrieb Jacques Savary des Brûlons, ein Franzose, über Zürich:
«Die Zürcher haben aus ihrem Staat ein veritables Peru gemacht, obwohl sie über keinerlei Gold- oder Silberminen verfügen», womit Savary sehr viel Reichtum andeutete, denn Peru galt dank seiner Minen als ein Land von unermesslichen Schätzen. Es gehörte zu jener Zeit den Spaniern.
«Doch im Gegensatz zu den harten Spaniern, die aus Peru so viel Gold und Silber herausgezogen haben, was sie auf Kosten des Blutes der armen Indianer taten, die sie in den Minen zur Arbeit zwangen, haben die Herren von Zürich ihren Staat und ihre Untertanen allein mit ihren Fabriken reich gemacht.»
Savary musste es wissen. Er war hauptberuflich Generalinspektor des französischen Zolls und hatte die vielen Waren aus Zürich zu kontrollieren, die in Frankreich auftauchten.
Zürich stand nicht allein. Schon zu Beginn des 18. Jahrhundertsgehörten zahlreiche Regionen der damaligen «alten Eidgenossenschaft» zu den wirtschaftlich am weitesten fortgeschrittenen in Europa. Die schweizerische Baumwollindustrie war eine der grössten des Kontinents und belieferte mit ihren Exporten die halbe Welt, ebenso bedeutend war die Ausfuhr von Seide, Städte wie Basel, St. Gallen, Zürich und Genf brummten vor Wohlstand und Selbstbewusstsein.
Mit anderen Worten, es war nicht das Bankgeheimnis, das uns reich machte, noch die Tatsache, dass wir von so vielen Kriegen verschont worden sind, und nein: auch die Sklaverei, wie neuerdings zu hören ist, spielte keine wesentliche Rolle.
Vielmehr hatte die Schweiz industriell schon Erfolg, als andere Länder noch vorwiegend von der Landwirtschaft lebten.
Wie war das möglich? Auf drei Faktoren kam es an:
- Gunst der Geografie. Berge sind normalerweise arme Gebiete. Doch die Schweiz liegt perfekt: zwischen Italien, das jahrhundertelang das wirtschaftlich führende Land des Kontinents war, und den Entwicklungsgebieten im Norden: den Niederlanden, Deutschland und Frankreich. Sie war Zentrum und Peripherie zugleich.
- Politische Sonderentwicklung. Diese Lage sorgte auch dafür, dass die Schweiz schon sehr früh, Ende des 15. Jahrhunderts, faktisch ihre Unabhängigkeit errang. Sie war ausserdem eine der seltenen Republiken zu jener Zeit. Eine Republik, die aus dreizehn Mini-Republiken bestand. Dezentral, eigensinnig, oft zerstritten. Für Unternehmer bedeutete dies vor allem eines: viel Wirtschaftsfreiheit.
- Immigration. Die extrem dezentrale Struktur der alten Eidgenossenschaft machte es möglich, dass zahllose, protestantische Flüchtlinge aus Italien, Flandern oder Frankreich sich in die Schweiz retteten. Sie waren verantwortlich für einen wirtschaftlichen Boom sondergleichen, der schon Ende des 16. Jahrhunderts einsetzte.
Dieser Boom brach nie mehr ab. Zuerst wuchs die Schweiz zu einem Zentrum der Baumwolle-, Seiden- und Uhrenindustrie heran, wo noch Heimarbeit dominierte, dann erwies sie sich als einer der ersten Pioniere der Industrialisierung, die dem Vorbild Englands nacheiferten.
1805 entstand in Zürich eine der ersten Maschinenfabriken auf dem Kontinent: Escher Wyss. Bald bauten die Schweizer die besten Maschinen der Welt.
1835 schickte das britische Parlament einen Experten in die Schweiz. Denn die Engländer wunderten sich, warum ihnen auf allen Weltmärkten Schweizer Unternehmer das Leben schwer machten. Der Experte, er hiess John Bowring, kam aus dem Staunen nicht heraus. Allein im Kanton Zürich zählte Bowring 128 mechanische Spinnereien und acht Maschinenfabriken.
«Ich frage mich, ob es irgendein Land gibt, das in den letzten Jahren dermassen an Wohlstand zugelegt hat.»
Wenn wir diesen Wohlstand auch unseren Kindern und Enkeln sichern wollen, dann müssen wir auf diese uralten Erfolgsfaktoren unserer Wirtschaftsgeschichte achten:
- Lage. Diese können wir kaum ruinieren.
- Politische Eigenständigkeit: Damit wir eine bessere, liberalere Politik als die Konkurrenz betreiben können.
- Immigration. Viele, viele gute Leute – aber gut müssen sie sein.
P.S. Zu diesem Thema habe ich vor kurzem ein Buch veröffentlicht:
Markus Somm, Warum die Schweiz reich geworden ist. Mythen und Fakten eines Wirtschaftswunders, Stämpfli Verlag Bern, 2021.
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