Somms Memo #49 - Triumph der Bürgerlichen. Wie man es macht
Warum das wichtig ist: Unbemerkt von den meisten Medien hat sich ein bürgerlicher Durchbruch ereignet. Bei Themen, die symbolisch und inhaltlich für die Linke von erheblicher Bedeutung sind. Ein Memo an die Bürgerlichen: So siegt man.
Am gleichen Sonntag, dem 13. Februar 2022, da das Schweizer Volk nichts von einer Abschaffung der Stempelabgabe wissen wollte, also eine Steuersenkung verwarf, votierte eine erdrückende Mehrheit der Schaffhauser für zwei Vorlagen – die was brachten?
Eine Steuersenkung.
Und zwar keine kosmetische, sondern eine, die ins Tuch geht. Kanton und Gemeinden in Schaffhausen müssen künftig jedes Jahr mit rund 15 Millionen Franken weniger auskommen.
Ironischerweise hat auch das Schaffhauser Volk die Beseitigung der Stempelabgabe, wie sie im Bund beschlossen worden war, abgelehnt (62 Prozent Nein).
Sind die Schaffhauser schizophren?
Obwohl ich mich in Politik besser auskenne als in der Psychiatrie, nur so viel: Die Schaffhauser sind wohlauf. Was sie von den übrigen Schweizern unterscheidet, ist das Glück, noch über tüchtige bürgerliche Parteien zu verfügen, die es verstehen, kluge, ausgewogene, eben mehrheitsfähige Vorlagen zusammenzustellen.
SVP und FDP (und die Mitte) haben im Schaffhauser Kantonsrat diese Steuersenkungen vorangetrieben und geprägt, sie haben sich geschlossen dem Volk gestellt, sich von der Linken beschimpfen lassen und doch nicht nachgegeben:
«Eine so massive Steuersenkung gab es im Kanton Schaffhausen noch nie.», meldete das Schweizer Fernsehen SRF.
Mit Blick auf die Niederlage von Bundesrat und Parlament bei der Stempelabgabe, sollten die Bürgerlichen folgende Lehren ziehen:
- Stempelabgabe? Nie gehört. Kaum ein Stimmbürger (auch ich nicht) wusste vor der Abstimmung, worum es bei dieser Stempelabgabe geht. Eine Vorlage, die nur an der Stempelabgabe herumdoktert, ist schon verloren, bevor darüber geredet wird.
- Wenn man die (überflüssige) Stempelabgabe hätte beseitigen wollen, dann wäre es besser gewesen, eine möglichst umfangreiche Reform anzustreben, wo alle – Bürgerliche, Gewerkschaften und die Linke – irgendein Goody erhalten hätten. Als kleines Teilchen dieser Vorlage hätte die Abschaffung der Stempelabgabe niemanden mehr gekümmert. Und sie wäre heute weg.
- Bürgerliche Geschlossenheit zahlt sich aus. In Schaffhausen zogen alle – SVP, FDP, die Mitte – am gleichen Strick.
Zwei weitere bürgerliche Triumphe gilt es hervorzuheben.
Im Kanton Bern versenkte das Volk mit ebenso klarer Mehrheit eine Erhöhung der Fahrzeugsteuer. Ziel der politischen Eliten war es gewesen, damit einen Beitrag an die Klimapolitik zu leisten. Immerhin hatten die Berner vor kurzem einen (wenn auch pauschalen) Klimaartikel in ihrer Verfassung gutgeheissen. Man konnte erwarten, dass das Volk den gutgemeinten Worten nun Taten folgen lassen würde.
Stattdessen kam es zum Debakel. Selten hat das Berner Establishment – Regierung, Parlament, fast alle Parteien, Medien – eine solche Ohrfeige eingefangen. So gut wie allein hatte sich die SVP gegen das Vorhaben gestellt – und dafür atemberaubende Mehrheiten gewonnen.
- Über 300 der insgesamt 346 Gemeinden des Kantons lehnten ab
- Zum Teil wurde die Vorlage mit spektakulären Mehrheiten in die Hölle geschickt. Der Rekord: 94 Prozent Nein in Wachseldorn
- Die Leute in den Dörfern rümpften die Nase, die Städter nahmen an. Es zieht sich ein schwindelerregend tiefer Graben durch den Kanton
Für die rot-grünen Parteien wiegt die Niederlage doppelt schwer. Wie beim CO2-Gesetz des Bundes zeigt sich von neuem: Wenn es um die konkrete Umsetzung der Klimapolitik geht, die auch etwas kostet, bekommen die Stimmbürger kalte Füsse.
Wenn es alle sehen, beten sie zum Klimagott, wenn sie allein sind, ziehen sie die Sünde vor.
Im Baselland kamen nicht einmal mehr die Gebete an. Hier versuchten die Grünen mit ihrer Klimainitiative die Klimaziele von Paris ins kantonale Gesetz zu schreiben. Davon wollte so gut wie niemand etwas hören:
- Alle 86 Gemeinden des Kantons sagten Nein
- Die Vorlage erreichte bloss 35,7 Prozent Ja-Anteil. Das ist weniger als das CO2-Gesetz, das immerhin bei 47 Prozent der Baselbieter anzusprechen vermochte
Immer wieder hört man in bürgerlichen Kreisen die rot-grüne Übermacht sei nicht zu knacken. Zürich, Basel, Bern, Lausanne, Genf und so weiter: überall herrscht Rot oder Grün oder beides.
Das trifft zu. Aber die Linke hat zwei Probleme:
- Die linken Hochburgen sind auch gigantische Bubbles. Die Linke mag die Kernstädte beherrschen, aber lange noch nicht das Land. Und das Land ist grösser als die Stadt
- Bubbles bedeuten: Man verkennt die Realität. Zum Beispiel: Dass die Klimapolitik kaum mehrheitsfähig ist. Was immer Regierungen und Parlamente glauben, in der Bevölkerung fehlt es an Bekehrten
Gewiss, wäre die Schweiz keine direkte Demokratie, würden wir das lange gar nicht merken. Aber wir sind eine direkte Demokratie. Die Bürgerlichen müssen wieder lernen, diese für sich zu nutzen.
Ich wünsche Ihnen einen vergnüglichen Tag.
Markus Somm