Somms Memo #43 – Windräder für alle?
Warum das wichtig ist: Die Energiewende setzt in der Stromproduktion auf Wind und Sonne. Kann deren Output nicht innert nützlicher Frist erhöht werden, droht dem ganzen Projekt der Stillstand.
Als unsere Energieministerin Simonetta Sommaruga (SP) letzte Woche vor die Medien trat, um ihre Pläne für einen rascheren Ausbau der Wind– und Solarenergie vorzustellen, musste ich an ein altes Bonmot denken:
- In Berlin heisst es: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos
- In Wien dagegen: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst
Und in Bern? In Bern sagt man:
- Die Lage ist ernst, also beschleunigen wir das Bewilligungsverfahren.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Die eher trockene Sozialdemokratin Sommaruga hat die schweizerische Energiewende von ihrer charismatischen Vorgängerin Doris Leuthard (CVP) geerbt. Diese hatte die Schweizer seinerzeit mit ihrem ansteckenden Lachen zu einem Totalumbau eines Systems verleitet, das sich mehr als hundert Jahre bestens bewährt hatte. Insbesondere unsere Stromversorgung war der Stolz der Nation.
- Nie gab es keinen Strom
- Black-out war ein exotischer Begriff für exotische Länder
Inzwischen plant der Bund den Black-out. Selbst die Beamten des Bundes und der Kantone, die diese Energiewende vollziehen müssen, rechnen jetzt damit, dass uns bald einmal der Strom ausgeht.
Um die grössten Stromkonsumenten, die Unternehmen, davor zu warnen (und auch die eigene Verantwortung auf sie abzuwälzen), liessen die Behörden im vergangenen Herbst eine Broschüre verschicken:
«Eine gute Vorbereitung lohnt sich» lautete der Titel.
Und die verdutzte Privatwirtschaft erfuhr:
Es ist «äusserst wichtig, dass Unternehmen vorausschauend Überlegungen anstellen, wie sie mit einer länger andauernden Strommangellage umgehen würden – und welche Massnahmen sie vorsorglich treffen können. Ein sorgfältig vorbereiteter Notfallplan ist in einer solchen Krisensituation von entscheidender Bedeutung.»
Sommaruga weiss nur zu gut um diese Gefahren. Weil sie aber vermutlich nie im Leben zugeben kann, dass die Energiewende misslungen ist, bevor sie auch nur begonnen hat, will sie nun die sogenannten Erneuerbaren Energien fördern, à tout prix:
- Windanlagen sollen überall wie Pilze aus dem Boden schiessen
- Solarpanels für alle. Wer ein Dach über dem Kopf hat, soll auch ein Solarpanel draufbauen
Hier trifft sie aber auf Widerstand – oft aus den eigenen, rot-grünen Reihen. Besonders die Windkraft ist unpopulär. Wer will in unserem malerischen Land Windräder vor die Aussicht gestellt bekommen? Und was sagen die Vögel dazu, bevor sie erschlagen werden?
Fragt man den Souverän, dann sagt er Nein. Von fünfzehn Projekten, über die in den letzten drei Jahren abgestimmt worden ist, fielen zwölf beim Volk durch.
Dazu kommt, dass gerade die zahllosen NGOs, die sich in der Schweiz um Natur-, Gewässer oder Heimatschutz kümmern, das byzantinische Bewilligungsverfahren, das die Schweiz bietet, maximal ausnützen. Wo immer sie können, legen sie Einspruch ein – und ziehen das Verfahren bis vor Bundesgericht. Oft bis zu vier Mal.
- Einmal sehen sie die Natur gefährdet
- Dann die Tiere
- Schliesslich das Grundwasser
- Und warum nicht an den Heimat- und Denkmalschutz denken?
Das kostet Jahre. Was der Linken ganz zupass kam, wenn es darum ging, ein Atomkraftwerk oder eine Autobahn zu hintertreiben, bringt sie nun in Verlegenheit.
- Die Linke will am Sonntag mehr Erneuerbare
- Und werktags bekämpft sie mit allen Rechtsmitteln höhere Staumauern, Windräder oder Solarpanels auf jedem denkmalgeschützten Kuhstall
Sommaruga sitzt in der Falle. Sie muss die Erneuerbaren ausbauen, will sie wenigstens die Illusion einer sich langsam, aber sicher voranschreitenden Energiewende aufrechterhalten. Monate, nein, Jahre hat sie bereits vertan.
Deshalb will sie nun die Bewilligungsverfahren für die «bedeutendsten» Anlagen zur alternativen Stromproduktion straffen. Natürlich, so beteuert sie, ohne das Widerstandsrecht der Natur einzuschränken, geschweige denn abzuschaffen. Vielmehr soll es nur noch ein einziges Prozedere geben für alle denkbaren ökologischen Risiken, also nicht für Gewässer, Fauna, Denkmäler etc. getrennt, sondern nach dem Grundsatz:
- one-size-fits-all
- Einmal Einspruch genügt
Ob ihre politischen Freunde im rot-grünen Lager das wirklich schlucken? Zähneknirschend haben die NGOs von Sommarugas Plänen Kenntnis genommen. Noch haben sie sie nicht zerstampft. Vielleicht auch, weil sie darauf hoffen, dass andere diese Pläne verhindern, – wie etwa die Gemeinden oder die Kantone, die ebenfalls Mitsprachemöglichkeiten verlieren würden.
Sommarugas Vorschläge befinden sich nun in der Vernehmlassung. Einspruch (noch) erwünscht.
Keine Frage, Sommaruga ist nicht zu beneiden. Glaubt sie ans Prinzip Hoffnung – oder ist es schon Verzweiflung?
- Windräder spielen in der schweizerischen Stromproduktion so gut wie keine Rolle
- Ihr Beitrag an die gesamte Produktion aktuell: 0,2 Prozent (2014 war es 0,1 Prozent, siehe Grafik)
- Da muss Sommaruga noch viele Bewilligungsverfahren überstehen, wenn sie diesen Beitrag schon nur auf 1 Prozent steigern will
Wenn man bedenkt, wie lächerlich klein dieser Beitrag der Windenergie heute ist, dann muss sich auch Sommaruga in stillen Stunden fragen: Lohnt sich der Krieg gegen die eigenen Leute? Gegen die Natur? Und gegen die mitunter schönste Landschaft der Welt?
Karl Kraus, der österreichische Satiriker, machte sich gegen Ende des Ersten Weltkrieges darüber lustig, dass es überall hiess:
«Munitionsfabriken schiessen wie Pilze aus dem Boden»
Stattdessen, so verlangte er, möchte er einmal erleben, dass
«Pilze wie Munitionsfabriken aus dem Boden schiessen.»
Im Fall Windräder muss er sich diesbezüglich wohl keine Sorgen machen.
Ich wünsche Ihnen einen prächtigen Tag
Markus Somm