Somms Memo #40 – Nein zum Mediengesetz!

image 4. Februar 2022 um 11:00
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Warum das wichtig ist: Vier Verlage beherrschen den privaten schweizerischen Medienmarkt. Jahrelang haben sie für das Medienpaket gekämpft, Geld eingesetzt, Politiker geknetet. Es wäre ein Fiasko für die erfolgsverwöhnten Verleger.
Die vierte Gewalt im Lande ist eigentlich eine Zürcher Gewalt. Vier Medienhäuser dominieren (selbst im Welschland), drei davon sitzen in Zürich, der grössten (und bald wohl linksten) Stadt der Schweiz:
  • TX Group (Tages-Anzeiger, 20 Minuten, BaZ, Berner Zeitung, etc.)
  • Ringier (Blick-Gruppe, Schweizer Illustrierte, Bilanz, etc.)
  • NZZ
Das vierte Konglomerat, die CH-Media, ist in Aarau untergebracht, einer aargauischen Stadt, die man je länger desto eindeutiger zum Grossraum Zürich zählen darf. Eine späte Genugtuung für die ehemalige Berner Untertanenstadt, die nicht immer Glück hatte:
  • 1798 war Aarau zur Hauptstadt der Schweiz bestimmt worden. Schon nach fünf Jahren war Schluss: 1803 brach die damalige Helvetische Republik zusammen, Aarau litt
  • Nun steuert die CH-Media von hier aus immerhin die Zeitungen der halben Schweiz: in der Ostschweiz, in der Innerschweiz, im Mittelland, ja sogar in beiden Basel
Überdies betreibt die CH-Media TeleZüri, ein Fernsehen, das diverse lokale Stationen im ganzen Land mit ihren Programmen versorgt. Hinzu kommt, dass die öffentlich-rechtliche SRG ihren Schwerpunkt ebenfalls nach Zürich gelegt hat, bald zieht der grösste Teil des Radios SRF ins Studio Leutschenbach in Zürich-Oerlikon, wo das Schweizer Fernsehen SRF schon lange angesiedelt ist.
Was Zürich denkt, berichtet, sendet und meint: Es gilt für die ganze Schweiz.
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Wenn das Mediengesetz beim Volk durchfällt, dann dürfte das auch an einem gesunden Anti-Zürich-Reflex liegen. Gesund, weil die Vormachtstellung der Zürcher Weltdeutung unverträglich ist mit der föderalistischen DNA unseres Landes.
Der Zürcher Löwe brüllt, die eidgenössischen Antilopen rennen davon
Wenn daher die Zürcher Verleger heute beteuern, sie machten sich um den Zusammenhalt des Landes, die Demokratie und die Medienvielfalt Sorgen, weshalb sie Subventionen des Bundes benötigten, dann scherbelt das:
  • Niemand hat die Medienvielfalt in den letzten Jahren mehr vermindert als die grossen Verlage: Zeitungen wurden geschluckt, Redaktionen in Zürich zusammengezogen, Kopfblätter dehnten sich bis ins Berner Oberland oder in den hintersten Winkel des Appenzellerlandes aus
  • Betriebswirtschaftlich war das sinnvoll
  • man sollte aber nicht als staatspolitische Wohltaten darstellen, was einfach Kapitalismus war
Die Verleger – ich rede aus eigener Erfahrung – haben im Übrigen auch wenig dafür getan, um wenigstens intern den Meinungspluralismus zu erhalten, wenn nicht zu verbreitern. So gut wie alle Redaktionen der grossen Medienhäuser sind in den vergangenen Jahren zusehends homogener geworden:
  • politisch: man steht Mitte-Links – oder wechselt den Beruf
  • der Typus «bürgerlicher Journalist» kann bald ins Pro-Specie-Rara-Programm der «Schweizerischen Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren» aufgenommen werden. Ob er nicht trotzdem ausstirbt, ist unsicher
  • biographisch: fast alle Journalisten weisen die genau gleiche Bildungslaufbahn auf. Akademiker überwiegen, Germanisten, Politologen und Historiker herrschen vor
  • lokal: man lebt in Zürich, gerne in den Kreisen 3, 4 oder 6, allenfalls im Kreis 7 (Ressortleiter und Chefredaktoren)
Wer es mit Verlegern zu tun hat – so höre ich von vielen Managern und bürgerlichen Politikern – stellt überrascht fest, dass diese gar nicht so links denken – wie ihre angestellten Journalisten. Tatsächlich betrachten sich die meisten Verleger als wirtschaftsliberal; was niemanden überrascht, der sich an Karl Marx erinnert:
Das Sein bestimmt das Bewusstsein,
schrieb der Vordenker der sozialistischen Revolution sinngemäss, der sich zeitlebens von seinem Freund Friedrich Engels, einem Millionär und Unternehmersohn, finanziell aushalten liess.
Seit jeher zählen die Verlegerfamilien unseres Landes zu den reichsten Dynastien. Ihre Villen sind prächtig, manchmal leben sie gar in einem Schloss, die Zahl ihrer Limousinen, Teslas und Jachten ist Legion, und wer mich kennt, weiss: Das halte ich für verdient. Wer als Kapitalist Erfolg hat, soll die Früchte seiner Anstrengungen ernten.
Es gehört vielleicht zu den erstaunlichsten, unerwünschten Nebenwirkungen des Kapitalismus, dass nichts die Pressefreiheit mehr befördert und gesichert hat als die Tatsache, dass man mit Medien viel Geld machen konnte – und nach wie vor kann.
Es ist ein Ammenmärchen, erzählt von schlecht informierten Lobbyisten, dass die Medien finanziell litten. Das Gegenteil ist richtig. Selbst in Zeiten des Strukturwandels, der zweifellos hohe Anforderungen stellt, haben die vier grossen Verlage gutes Geld verdient:
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Sowohl die TX Group als auch Ringier haben ihr Geschäft entschlossen um digitale Plattformen ergänzt (Homegate, Ricardo, Scout24 etc.), was beide, insbesondere die TX Group, hoch rentabel macht. Vor kurzem haben sie ihre Plattformen in einem Joint Venture zusammengelegt. Die Börse jubelte. Aber auch in ihrer Publizistik treiben die Verlage die Digitalisierung voran, sie sind heute schon oder bald in der Lage, Journalismus zu finanzieren – allein durch Abonnenten, ohne Werbeeinnahmen.
Auch der CH-Media und der NZZ geht es gut. Angesichts der Tatsache, dass CH-Media, ein Joint Venture der AZ Medien und der NZZ, erst seit wenigen Jahren auf dem Markt tätig ist, eine reife Leistung.
Mit anderen Worten, diese vier erfolgreichen Verlage brauchen keine Subventionen. Wenn sie trotzdem für das Mediengesetz eintreten, dann muss man leider feststellen:
Auch die besten Kapitalisten verfallen dem süssen Gift des Sozialismus – sofern man es ihnen verabreicht.
So wie es zur Stunde aussieht, erhalten sie das Gift nicht. Das Mediengesetz dürfte verworfen werden. Gut für alle Verleger. Sie bleiben gesund.
*
Der Nebelspalter lehnt das Mediengesetz aus Überzeugung ab.
  • Subventionen sind nicht nötig für eine Branche, die blüht
  • Der Staat sollte nie Medien unterstützen – denn die vierte Gewalt ist nur eine Gewalt, wenn sie von diesem Staat, den sie zu überprüfen hat, unabhängig bleibt
  • Subventionen verleiten die Medienunternehmer dazu, Dinge zu tun, die sich sonst gar nicht rechnen. Man verewigt überkommene Strukturen, man belohnt die Versager und bestraft die Tüchtigen
In diesem Sinne möchte ich Sie höflich bitten, am 13. Februar ein Nein zum Mediengesetz einzuwerfen.
Wird das Mediengesetz angenommen, könnte auch der Nebelspalter als neues Online-Medium von Bundesgeldern profitieren – angesichts unseres stetig wachsenden Umsatzes – nicht zu knapp.
Als Verleger und Chefredaktor garantiere ich Ihnen: Der Nebelspalter wird kein Geld vom Bund annehmen. Wir verzichten auf die Subventionen – selbst wenn das Mediengesetz durchkäme. Dafür gebe ich Ihnen mein Wort.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Markus Somm

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