Somms Memo #27 - Götterdämmerung bei der CS
Warum das wichtig ist: Comeback der Schweizer. Nach dem britisch-portugiesischen Star aus London setzt die CS wieder auf einheimisches Talent. Das dürfte kein Zufall sein.
Corona fordert ihre Opfer. Zuerst – und nach wie vor – sterben die Menschen. Jetzt die Prominenz.
Nachdem der beste Tennisspieler der Welt, Novak Djokovic, als Ungeimpfter Australien verlassen musste, ohne am Australian Open auftreten zu dürfen, und Boris Johnson, der britische Premier, ebenfalls sein Amt verlieren könnte, weil er es mit den Corona-Regeln nicht so genau genommen hatte, blieb der Credit Suisse wohl keine andere Wahl: Horta-Osório wurde am Montag abgesetzt – was man, um ihm den Abgang zu erleichtern, als seinen eigenen Entscheid darstellte.
Antonio Horta-Osorio
Der Verwaltungsrat der CS unter Führung seines Vize Severin Schwan, CEO von Roche, kam zum Schluss, dass sich der britisch-portugiesische Doppelbürger für die Bank als nicht mehr tragbar erwiesen hatte. Der Mann, so schien es, hatte sich allzu selbstherrlich über die Corona-Regeln hinweggesetzt.
Gemäss der Londoner Zeitung Daily Telegraph könnte er eine Abgangsentschädigung von bis zu 5 Millionen Franken mitnehmen. Er war bloss 8 Monate im Amt. Noch laufen die Verhandlungen.
Gewiss, bereits wird spekuliert, Sir Antonio, wie ihn die britischen Medien respektvoll nennen, sei in einem internen Machtkampf unterlegen. Corona als Vorwand: Tatsächlich hätten die risikoverliebten Investmentbanker der CS in New York und London die Indiskretionen bewirkt, um ihn abzuschiessen – wogegen die vorsichtigen Schweizer auf seiner Seite gestanden seien. Ausgerechnet der ehemalige (erfolgreiche) CEO von Lloyds, so heisst es, hätte die Cowboys an der Wall Street und die Hasardeure in der City bändigen wollen.
Mag sein. Dass die erste Indiskretion im Blick lanciert wurde, einer Schweizer Zeitung, spricht nicht unbedingt für diese Version. Amerikaner oder Briten kennen sich in der hiesigen Medienszene nicht aus. Blick? Who the f…?
Vielmehr scheinen die Schweizer um CEO Thomas Gottstein den Machtkampf gewonnen zu haben – gegen einen Superstar aus London, der sich in Zürich rasch unbeliebt gemacht hatte.
- Er legte Wert darauf, als «Sir» angesprochen zu werden – erst im Juni 2021 hatte ihn die Queen zum Ritter geschlagen
- Er schien sehr viel Zeit für seine Frisur aufzuwenden – worüber man sich lustig machte. Er galt als eitel
- Er fiel mit einem hochnäsigen, wenig republikanischen Führungsverhalten auf
- Er flog – wie wir jetzt wissen – gerne mit dem Firmenjet in der Weltgeschichte herum – ohne sich an die Quarantäne-Vorschriften zu halten
Etwas viel für einen Aussenseiter am Paradeplatz.
Angesichts der Tatsache, dass die CS um ihr Überleben kämpft, ist es verständlich, dass die Bank ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorzog – zumal sie in den vergangenen Jahren nie durch eine besonders glückliche Personalpolitik von sich reden gemacht hatte. Im Gegenteil.
Was ist mit diesem Verwaltungsrat los? Warum bringt es ein hochdotiertes Gremium nicht fertig, Leute an die Spitze zu berufen, die neben ihren fachlichen Meriten charakterlich überzeugen? Immerhin war auch Tidjane Thiam, der charakterlich ebenso zwiespältige CEO, von diesem Verwaltungsrat bestimmt worden. Als er gehen musste, hinterliess er eine Reputations-Ruine. Credit Suisse, Credit Who the f…?
Vielleicht ist es ganz banal. Die Kreditanstalt galt einst als Inbegriff schweizerischer Solidität – und Biederkeit.
Es war diese international wenig schmeichelhafte, aber am meisten unterschätzte DNA, die das Finanzinstitut zu einem der grössten der Welt gemacht hatte. Es waren nicht die Zauberer in London und New York in den massgeschneiderten Anzügen, sondern die Bünzli in Zürich oder Grenchen und Emmenbrücke, die unsichtbar, aber emsig die Bank vorantrieben – der eine oder andere trug gar ein gelbliches Kurzarmhemd.
Zwerge, ohne Frage, aber Zwerge, die den Riesen das Fürchten lehrten, weil sie am Morgen früher in die Silbermine fuhren und auf dem Weg hinaus nichts mitlaufen liessen.
Langeweile als Geschäftsprinzip.
Vielleicht scheiterte der CS-Verwaltungsrat genau an dieser Modeerscheinung: Manchmal bekommt man den Eindruck, die grossen, ehrwürdigen Schweizer Konzerne möchten um jeden Preis nicht mehr schweizerisch sein – als ob sie sich dafür schämten. Die Folge: In kaum einem Land der Welt sitzen so viele Ausländer in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten wie in der Schweiz.
Wer in der Schweiz Karriere machen will, hat am besten nie in der Schweiz gelebt. Je weiter weg, desto besser.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir verdanken ausländischen Managern und Unternehmern sehr viel. Wo immer ich kann, rede ich einer offenen Schweiz das Wort, einer Schweiz sperrangelweit offen für
- Ideen
- Güter und Investitionen
- Menschen aus aller Welt
Einer Schweiz, die von Einheimischen und von Immigranten zugleich gross gemacht wurde. Ich habe eben ein Buch veröffentlicht, wo ich zeige, wie protestantische Immigranten den schweizerischen Kapitalismus erfunden haben. Ohne sie, die Flüchtlinge aus Italien, Frankreich und den südlichen Niederlanden, wäre unser Land nie so reich geworden.
Aber man kann alles übertreiben. Dabei kommt es mir nicht auf den Pass darauf an – sondern, wo diese Manager und Unternehmer sozialisiert worden sind, wo sie die Schulen und Universitäten besucht haben, wo sie in den Beruf eingestiegen sind, und wie lange sie schon hier gearbeitet haben. Es ist kein Nachteil, wenn man mit der Schweiz und ihrer unternehmerischen DNA ein wenig vertraut ist und es ist von Vorteil wenn man die Leute die für Führungspositionen in Frage kommen in der Schweiz gut kennt. Charaktermängel lassen sich so weniger leicht übersehen.
Zugegeben, viele Aktionäre der grossen Firmen stammen inzwischen ebenfalls aus dem Ausland – sie, so hört man, drängten auf internationales Managementtalent. Doch haben sie nicht auch deshalb in schweizerische Firmen investiert, weil diese oft gute Ergebnisse vorwiesen? Und hatte eine Kreditanstalt nicht auch deshalb Erfolg, weil sie immer auch schweizerisch geprägt blieb?
Axel Lehmann ist in Bern aufgewachsen, hat in St. Gallen studiert und war in den USA und in der Schweiz tätig. Er kennt seine Pappenheimer. Das dürfte den Verwaltungsrat, gebeutelt und verunsichert wie er derzeit zu Recht ist, genauso beeindruckt haben.
Keine Experimente! Konrad Adenauer, CDU.
So warb einst der deutsche Bundeskanzler Adenauer von der CDU in seinem Wahlkampf. Er gewann vier Mal hintereinander.
Oder anders ausgedrückt:
Weniger Credit Suisse, mehr Kreditanstalt.
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag
Markus Somm