Somms Memo #21 - USA: Flucht vor dem Lockdown

image 10. Januar 2022 um 11:00
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Warum das wichtig ist: Staaten, die Lockdowns und Schulschliessungen angeordnet haben, werden bestraft. Es handelt sich um eine Abstimmung mit den Füssen. Mit weitreichenden Konsequenzen.
Im Gegensatz zu den Schweizern haben die Amerikaner ihren Föderalismus auch in Zeiten von Corona nicht aufgehoben. Zwar hat Washington die Politik gegen die Pandemie ebenfalls stark geprägt, aber nie in dem Masse wie Bern. Das ist den Bundesstaaten zu verdanken. Anders als unsere Kantone haben sie ihre föderalen Vorrechte entschlossen verteidigt.
  • das hat zu einem Flickenteppich der Corona-Massnahmen geführt
  • die Corona-Politik hat die Menschen noch mehr gegeneinander aufgebracht als in Europa. Selten war Amerika so polarisiert.
Denn es offenbarte sich bald ein eklatanter Unterschied zwischen Demokratisch und Republikanisch beherrschten Staaten, wenn es um die Massnahmen ging, die man gegen die Pandemie ergriff. Der Flickenteppich wies streng genommen nur zwei Farben auf:
  • rot (Republikaner)
  • blau (Demokraten)
Dazwischen schoben sich ein paar wenige rotblaue Mischtöne.
Staaten, wo ein Demokratischer Gouverneur regierte bzw. eine Demokratische Mehrheit das Parlament im Griff hatte, wie etwa New York, Kalifornien, New Jersey oder Illinois
  • schickten ihre Bürger und Wirtschaft in langdauernde Lockdowns
  • schlossen die Schulen
  • setzten eine strenge Maskenpflicht durch
  • gingen dezidiert gegen Ungeimpfte vor
Wogegen Republikanisch dominierte Staaten, wie insbesondere Florida, Texas oder Arizona, das Gegenteil taten. Wer nun meint, damit müssten sich auch die Bilanzen der einzelnen Staaten deutlich unterscheiden, irrt.
Florida, das die vielleicht liberalste Corona-Politik der Welt betrieb, hat bis zur Stunde nicht mehr Tote zu beklagen als etwa New York oder New Jersey, die beide eine sehr rigide Politik anwandten.
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Mit anderen Worten, ganz gleich, wie sich die einzelnen Staaten verhielten, es fällt schwer, daraus eine Best Practice abzuleiten. Was in den USA zu beobachten ist, gilt auch für Europa. Niemand hat das Geheimrezept gefunden, wie man Corona am besten zurückdrängt. Selbst das Impfen hat an Durchschlagskraft verloren, seit Omikronaufgetaucht ist.
Die Menschen spürten den Unterschied allerdings sehr wohl: Die einen verloren ihren Job im Lockdown, die anderen stellten fest, dass ihre Kinder kaum mehr etwas lernten, seit die Schulen auf Home Schoolingumgestellt hatten.
Und anders als in Europa, wo vermutlich kaum ein Österreicher aus Verärgerung über die Corona-Politik seines Landes nach Schweden ausgewandert wäre, zogen viele Amerikaner die Konsequenzen. Sie packten ihre Koffer und machten sich auf den Weg.
Am meisten Einwohner haben Kalifornien und der Staat New York verloren. Ausgerechnet New York, wo bis vor kurzem noch Andrew Cuomo als Gouverneur amtiert hatte – bis er wegen des mehrfachen Vorwurfs von sexueller Belästigung sich zum Rücktritt gezwungen sah. Seinerzeit hatte der Fernsehsender CNN Cuomo als Corona-Superstar gefeiert, der im Gegensatz zum damaligen Präsidenten Donald Trump in Sachen Corona alles richtig gemacht haben soll. Inzwischen glaubt das niemand mehr – selbst CNN nicht mehr.
Tatsächlich ist Cuomos Bilanz düster. In kaum einem Staat mussten mehr Corona-Tote zu Grabe getragen werden – und kein Staat hat so viele Einwohner eingebüsst wie der Empire State. Die meisten flohen in den Sun Belt, in den milden Süden.
Gewiss, alle diese Staaten im Nordosten sind seit längerem von Bevölkerungsschwund betroffen. Weitgehend selbst verschuldet – nur für den harten Winter können sie nichts. Fast alle dieser Verlierer sind Demokratisch regiert, was fast immer hohe Steuernmit sich bringt, viele Regulierungen, hohe Kriminalitätund ein wirtschaftsunfreundliches Klima. Das treibt die Menschen seit Jahren weg.
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Doch seitdem die Pandemie ausgebrochen ist, hat sich dieser Exodus fast schockartigbeschleunigt. Zwischen Juli 2020 und Juli 2021 steigerte sich die Netto-Abwanderung im Vergleich zur Zeit zwischen 2018 und 2019 beträchtlich:
  • in Kalifornien um 75 Prozent: minus 300 000 Einwohner
  • in New York gar um 100 Prozent: minus 370 000 Einwohner
In der gleichen Periode legten Florida und Texas so viel zu wie kaum je zuvor:
  • Florida: plus 240 000 Einwohner
  • Texas: plus 480 000 Einwohner
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«Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein»,
sang einst der deutsche Liedermacher Reinhard Mey.
Vielleicht eine sehr deutsche Sicht. In Amerika lag die Freiheit schon immer näher. Auf der Erde, nicht im Himmel über den Wolken. Man nahm sich die Freiheit, sie war mit den Händen zu greifen; zuerst in Neuengland, dann im Wilden Westen, neuerdings im Sun Belt.
Wer derzeit in Boston, Massachusetts bei U-Haul, einem beliebten Umzugsunternehmen, einen Lieferwagen mietet, um damit nach Orlando, Florida zu zügeln, zahlt 5325 Dollar.
Wer dagegen auf dem umgekehrten Weg von Orlando nach Boston zieht, zahlt für den gleichen Lieferwagen bloss 887 Dollar.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage ist im Land des Kapitalismus nach wie vor gültig.
Selten liessen sich die Folgen einer verfehlten Politik bereits nach so kurzer Zeit besichtigen. Die Hochburgen der Demokraten im Norden leeren sich wie belagerte, dem Untergang geweihte Festungen. Und es gewinnt der Süden der Republikaner.
Auf lange Sicht wird diese Völkerwanderung das Land umwälzen. Nachdem der Norden gut hundert Jahre lang Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der USA bestimmt hat, dürfte der Süden schon in wenigen Jahren vorherrschen.
Land of the Free, Home of the Brave, heisst es im «Star-Spangled Banner», der amerikanischen Nationalhymne.
Auch wenn sich das Land verändert, das jedenfalls gilt nach wie vor.

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenanfang Markus Somm

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