Somms Memo #16 - Brennpunkte im Jahr 2022
Mein Memo, das ich jeden Tag von neuem verfasse, soll Ihnen dabei behilflich sein. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Treue.
Was hält die Zukunft für uns bereit? Das sind die drei grössten Herausforderungen des Jahres 2022:
1. Ukraine
Die Fakten:Russland vertieft den Konflikt um die Ukraine unablässig. Wenn die USA nicht demnächst handeln, dürfte Putin bald zuschlagen.
Warum das wichtig ist: Eine Invasion der Ukraine könnte die gesamte Sicherheit Europas zur Disposition stellen. Welches Land steht als nächstes auf der russischen Einkaufsliste?
Putins Ziel ist simpel: Der russische Präsident möchte die Nato dazu zwingen, dass sie auf immer darauf verzichtet, die Ukraine als Mitglied aufzunehmen. Allenfalls besetzt er wohl die östliche Ukraine.Aber damit nicht genug. An Weihnachten wurde bekannt, dass Putin die gleichen Garantien von Finnland und Schweden erwartet.
Das ist neu, das ist eine Eskalation. Denn gab es hier und dort noch ein gewisses Verständnis dafür, dass Putin keine Nato-Truppen in der Ukraine dulden will, – einem Land vor seiner Haustür, das jahrhundertelang zu Russland gehört hat, – sind Schweden und Finnland von ganz anderem Belang.
Die beiden Länder sind seit langem neutral, sie zählen zum tiefen Westen, es sind entwickelte Demokratien, deren Souveränität seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so unverfroren in Frage gestellt worden ist.
Wenn Putin an einem Ort für miserable Stimmung unter dem Weihnachtsbaum gesorgt hat, dann sicher in Helsinki und Stockholm. Schweden erhöhte gleichentags die Gefechtsbereitschaft seiner Armee, Finnland ist seit längerem auf der Hut und rüstet auf wie nie zuvor. Das Land war schon im Zweiten Weltkrieg von Stalin überfallen worden – und wehrte den Angriff ab. Aus Erfahrung wird man klug.
Der Hinweis ist wichtig: Die Geschichte meldet sich zurück. Wenn US-Präsident Joe Biden, der am vergangenen Sonntag mit Putin ein Telefongespräch geführt hat, glaubt, es reiche aus, den Russen mit Sanktionen zu drohen, dürfte er sich auf dem Holzweg befinden.
Er bestätigt vielmehr, was Putin von Biden hält: Nicht gerade viel.
Was ist zu tun?
- Nord Stream 2, die russische Gaspipeline in den Westen, ist zu verstopfen. Ohne Gasexport nach Europa kann Putin seine Armee nicht finanzieren.
- Die USA verlegen Raketenstellungen nach Polen und in die Tschechoslowakei.
- Die Nato führt im Baltikum Manöver durch.
Nur aus dieser Position der Stärke sollte der Westen sich zu Verhandlungen bereit erklären. Erst dann kann sich der Westen überlegen, ob er auch Konzessionen an Russlands Sicherheitsbedürfnisse machen möchte. Aber unter keinen Umständen vorher.
2. Taiwan
Die Fakten:China bedrängt Taiwan. Nach wie vor betrachtet das kommunistische Regime in Peking das faktisch souveräne Land als Teil des eigenen Territoriums.
Warum das wichtig ist: Die Lage erinnert an die Ukraine. Weil die USA seit dem vermasselten Abzug aus Afghanistan an Ansehen eingebüsst haben, testet auch Xi Jinping das Standvermögen von Joe Biden.
In seiner diesjährigen Neujahrsansprache sagte Xi Jinping mit Blick auf Taiwan sinngemäss:
«Die Menschen auf beiden Seiten der Meerenge sehnen sich danach, die Wiedervereinigung des Mutterlandes abzuschliessen.»
Wenn man bedenkt, dass der chinesische Präsident fast ausschliesslich über Politik redete und insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung mit keinem Wort erwähnte, wird deutlich, wie prioritär Peking den Anschluss Taiwans behandelt.
Genauso wie Putin scheint auch Xi Jinping die Gunst der Stunde nutzen zu wollen:
- Die USA unter Joe Biden wirken schwach und unentschlossen.
- Europa dito.
- Im Gegensatz zu Russland ist China ein wirtschaftlicher Gigant. Der Westen zeigt Beisshemmungen, da er auf Chinas Markt angewiesen ist.
Wie heftig die Zähne klappern, zeigt sich am Thema Corona-Virus.
Manches deutet darauf hin, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stammt. Ob menschengemacht oder natürlichen Ursprungs: Vielleicht ist das Virus aus Versehen entwichen – wogegen es wohl kaum mit Absicht ausgesetzt worden ist. Aber ein Unfall ist denkbar. Eine sorgfältige Untersuchung wäre daher dringend angezeigt.
Doch China mauert – und der Westen traut sich nicht, Druck zu machen. Selbst in den USA zeigt die Regierung keinerlei Interesse daran.
Dabei wäre das eine gute Methode, China von seiner Obsession mit Taiwan abzubringen.China legt Wert darauf, in der Weltöffentlichkeit gut dazustehen. Sollte sich herausstellen, dass das Corona-Virus tatsächlich «Made in China» ist, träfe dies das Regime empfindlich.
3. Corona
Die Fakten:Die Omikron-Variante breitet sich überall weiter aus.
Warum das wichtig ist: Das sind gute Nachrichten. Omikron scheint weniger gefährlich. Bringt 2022 das Ende der Pandemie?
Ob in Südafrika, den USA, in Grossbritannien oder auch in der Schweiz: Zwar haben die Corona-Fallzahlen über die Festtage von neuem rasant zugenommen. Dafür war in erster Linie Omikron verantwortlich. Doch die Spitaleinweisungen stagnierten auf hohem Niveau.Nirgendwo brach das Gesundheitswesen zusammen.
Diverse Studien zeigen inzwischen, dass Omikron enorm ansteckend ist, aber dass es den Körper weniger brutal angreift als die vorhergehenden Mutationen von Covid 19. Die Verläufe sind milder. Wenn sich diese Befunde bestätigen, dürfte ein Ende der Pandemie absehbar sein.
Die Herausforderung für die Regierungen besteht jetzt darin, nicht zu übersteuern, sondern die Nerven zu behalten. Weitergehende Verschärfungen sind unnötig. So gesehen hat der Bundesrat am letzten Tag des Jahres richtig gehandelt. An einer Krisensitzung per Telefon beschloss unsere Landesregierung an Silvester, nichts zu tun. Rein gar nichts. Herzliche Gratulation.
So hörte ein schlimmes Jahr gut auf – und ein neues Jahr kann nur besser werden.
Oder um es mit Winston Churchill zu sagen:
«Ein Experte ist ein Mann, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.»
Ich wünsche Ihnen einen glänzenden Wochenanfang.
Markus Somm