Somms Memo #2: SP im Sturzflug
Warum das wichtig ist: Wenn sich diese Serie bis zu den nächsten Nationalratswahlen fortsetzt, muss die SP um ihren zweiten Bundesratssitz zittern.
Die SP befindet sich im Sturzflug – und kaum jemand nimmt es wahr: Erweisen sich Cédric Wermuth und Mattea Meyer als die berühmten, bemitleidenswerten Nachtwächter, die als letzte das Licht löschen?
Seit den Nationalratswahlen 2019 hat die SP so gut wie alle kantonalen Wahlen verloren. Wenn man die einzelnen Ergebnisse je nach Einwohnerzahl eines Kantons gewichtet, zeigt sich, dass die SP insgesamt 1,9 Prozentpunkte eingebüsst hat, wie eine Berechnung des Tages-Anzeigers ergab. Mit anderen Worten, der sozialdemokratische Wähleranteil, der in den letzten Nationalratswahlen im Jahr 2019 mit 16,84 schon tief lag, käme neu auf 14,94 zu stehen.
Das wäre ein sehr schlechtes Resultat, so schlecht wie noch nie seit 1919, doch das Wort «schlecht» vermag kaum auszudrücken, was dies hiesse: Die SP müsste mit Sicherheit um ihren zweiten Bundesratssitz bangen, weil die Grünen – und das ist die Sensation – sie überholen würden.
Seit 2019 haben die Grünen nur zugelegt, gewichtet um sage und schreibe 3,1 Prozent. Wenn also jetzt gewählt würde und wir die Resultate in den Kantonen einfach auf den Bund übertrügen (was natürlich in der Realität nie eins zu eins vorkommt), dann erzielten die Grünen einen nationalen Wähleranteil von 16,3 Prozent! Heute liegt er bei 13,2 Prozent.
Könnte man einer so grossen, nein: der grössten linken Partei eine Vertretung im Bundesrat noch verwehren? Sicher nicht. Die SP müsste einen ihrer Sitze an die Grünen abgeben und sogar froh sein, wenn sie wenigstens einen Sitz verteidigen könnte – was ihr allein aus historischen Gründen zweifellos gelingen würde. Auf Zeit aber nur. Ein Gnadenbrot für eine verhungernde politische Kraft.
Warum steht die SP am Abgrund? Vier Ursachen:
- Zu jung. Cédric Wermuth (35) und Mattea Meyer (34) sind zu jung. Sie wirken nicht wie Präsidenten einer erwachsenen Partei, sondern eher wie Praktikanten, die einmal ausprobieren dürfen, wie es sich anfühlt – in 20 Jahren, wenn sie dann wirklich ins Amt kommen.
- Zu viel Juso. Sie verkörpern die Juso, und die Juso sind das inhaltliche Problem der SP. Sie stehen sehr links, sie sind woke, also erweckt, wie sich die sehr linken, jungen Demokraten in den USA bezeichnen. Die Juso schrecken viele vernünftige Sozialdemokraten in der Mitte ab.
- Unterschätzte Rivalen. Die Grünen, die personell nun reifer auftreten (ihr Präsident Balthasar Glättli ist immerhin 49), erscheinen auch als Partei weniger woke – obschon sie das sind, wenn man das Kleingedruckte ihres Programms lesen würde.
- Mangel an Lauftraining. Die SP verliert nicht nur Wahlen, sondern auch nahezu sämtliche Abstimmungen. Dabei sind zwei Typen von Niederlagen festzustellen: Entweder verschwendet die SP ihre Kräfte an Anliegen der Juso, die chancenlos sind (99%-Initiative) oder sie geht als Regierungspartei unter, die nicht mehr kämpft, sondern auf NGOs vertraut, die sich stellvertretend für sie ins Zeug legen. (CO2-Gesetz, Konzernverantwortungsinitiative.) Die Kraft zur eigenen Kampagne ist erschlafft, weil sie diese Aufgabe an andere auslagert. Es fehlt an Lauftraining.
Kurz, die Partei wirkt wie abwesend. Sie marschiert in der Demo nicht mehr voran, sondern versteckt sich irgendwo hinten im Umzug, wo keine Gefahr lauert – aber auch kein Ruhm. Sie schwenkt die Fahne, nicht die Faust. Wermuth/Meyer: Aufwachen! Oder untergehen.
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