Somms Memo: Glaubt Elon Musk noch an Tesla?
Donald Trump, ehemaliger US-Präsident, und Elon Musk, potentieller Twitter-Käufer.
Die Fakten: Elon Musk will Donald Trump auf Twitter wieder zulassen. Den Ex-Präsidenten zu bannen, sei ein «moralisch schlechter Entscheid» gewesen.
Warum das wichtig ist: Noch besitzt er Twitter nicht. Doch schon jetzt gilt Musk als Alptraum der Linken, weil er mehr Meinungsfreiheit verspricht. Aber geht es ihm wirklich darum?
«Ich glaube, es war ein Fehler, Donald Trump auf Twitter zu verbieten»,
sagte Elon Musk gestern an einem virtuellen Anlass der Financial Times:
«Es entfremdete einen grossen Teil Amerikas – und konnte ja doch nicht verhindern, dass Trump nach wie vor zu Wort kam».
Es habe sich um einen «moralisch schlechten Entscheid» gehandelt, der das «Vertrauen in Twitter untergraben hat».
Es war eine Bombe, auf deren Zündung die ganze Welt seit Tagen gewartet hatte.
Musk hat damit jede apokalyptische Fantasie der Linken in die Wirklichkeit verwandelt:
- Wenn jemand als Symbol der angeblichen Exzesse der Meinungsfreiheit auf Social Media galt, dann Trump, der bestgehasste Präsident aller Zeiten
- Als Twitter den einstigen US-Präsidenten nach dem Sturm aufs Capitol gesperrt hatte, war die Freude in linken Kreisen deshalb gross – seit Musk ein Auge auf Twitter geworfen hatte, breitete sich eine Stimmung zwischen Friedhof und Gespensterstunde aus. Man warnte vor dem «Dritten Weltkrieg».
Soweit ist es noch nicht gekommen – zumal Trump mitteilen liess, er habe nicht vor, auf Twitter zurückzukehren.
Aber vielleicht unter– und überschätzen wir Elon Musk zugleich.
- Ohne Frage, er redet viel von Meinungsfreiheit in diesen Tagen. Kritiker seines Geschäfts behandelt er aber oft etwas weniger nachsichtig. Musk, der reichste Mann der Welt, ist auch einer der empfindlichsten
- Vor allen Dingen ist er ein guter, ja, ein sehr guter Geschäftsmann. Ohne Grund wird niemand zum reichsten Mann der Welt (geschätztes Vermögen: 255 Milliarden Dollar)
Was, wenn es Musk mehr um Tesla ginge als um Twitter?
Tesla ist heute die wertvollste Firma der Welt. Deren Marktkapitalisierung erreicht annähernd eine Billion Dollar – 1000 Milliarden Dollar.
Ob Tesla damit den Höhepunkt seiner Bewertung erreicht hat, weiss niemand, aber manches spricht dafür. In keiner Aktie steckt mehr Himmel, in keiner Aktie mehr Hölle.
So gesehen, könnte Musk auch zum Schluss gekommen sein, dass es Zeit ist, Kasse zu machen.
Natürlich kann er als CEO und Besitzer von rund 17 Prozent des Unternehmens sich nicht einfach aus dem Staub machen. Aber sein Portfolio zu diversifizieren, solange er für seine Tesla-Aktien noch so viel Geld bekommt, ergäbe Sinn.
- Tesla schrieb 2021 einen Gewinn von 5,5 Milliarden Dollar. 2020 waren es nur 721 Millionen
- Das Verhältnis des Aktienkurses zum Gewinn, das sogenannte Price/Earnings Ratio, liegt damit extrem hoch. Der Börsenwert entspricht etwa 180-mal dem Gewinn. Sehr gute Firmen bringen es auf einen Faktor 18
- Wenn die Aussichten für ein Unternehmen glänzend sind, dann gehen solche P/E-Ratios durchaus in Ordnung
Doch sind die Aussichten für Tesla so glänzend?
- Musk hat mit Tesla dem E-Auto den Durchbruch verschafft. Er war der First Mover, der Pionier schlechthin. Inzwischen ist die Konkurrenz aber aufgewacht. Alle wichtigen Autofirmen bieten E-Autos an, und die meisten sind keineswegs schlechter als Tesla, wenn nicht besser
- Noch profitieren alle E-Auto-Käufer von diversen Vergünstigungen des Staates. Fast überall auf der Welt. Wer im Kanton Zürich zum Beispiel ein E-Auto besitzt, zahlt keine Motorfahrzeugsteuer – bis 2024. Ob der Staat das E-Auto allerdings auf immer fördern will, ist offen. Zwar scheint es wahrscheinlich, aber die Zeiten bleiben strub
- Nach wie vor sind die E-Autos teurer als herkömmliche Autos. Angesichts des Krieges in der Ukraine, der steigenden Energiepreise, der drohenden Inflation oder Rezession etc., wird sich ein Autokäufer zwei Mal überlegen, ob er sich ein so teures Auto – wie insbesondere den Tesla – leisten kann
Wenn jemand sich Gedanken macht über die Zukunft des E-Autos, dann wohl Elon Musk. Natürlich gibt er vor, ans E-Auto zu glauben. Doch seinen Worten folgen immer seltener die entsprechenden Taten, sofern man sein Verhalten an der Börse studiert.
Um Twitter zu kaufen, hat Elon Musk Tesla-Aktien im Wert von rund 8,5 Milliarden Dollar abgestossen. Schon Ende 2021 warf er Aktien im Wert von 18 Milliarden Dollar auf den Markt.
Weiss Musk etwas, was wir nicht wissen?
Sicher ist: Alles ist unsicher. Die Zukunft der Elektromobilität ist keineswegs ausgemacht:
- Selbst wenn der Staat uns alle zwingt – worauf die Politik derzeit hinausläuft – ein E-Auto zu fahren: Wäre die Industrie überhaupt in der Lage, je so viele E-Autos zu liefern? Schon allein die Rohstoffe für die Batterien, vorab Lithium und Kobalt, sind kritisch. Entweder fehlt es an ausreichenden Vorkommen oder man ist noch lange nicht in der Lage, genug davon, rasch genug aus der Erde zu holen. Möglicherweise müssen wir in Zukunft jahrelang auf unser neues E-Auto warten wie früher der geduldige DDR-Bürger auf seinen Trabi. Ist das realistisch? Nein.
- Wenn wir alle nur noch E-Autos benutzen, brauchen wir allein dafür fast doppelt so viel Strom, wie wir heute zur Verfügung haben. Doppelt so viel heisst doppelt so viele Kraftwerke, – und wenn es nach den Politikern geht, dürften diese einzig mit Wind und Sonne betrieben werden. Ist das realistisch? Nein.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Aussichten für Twitter jedenfalls besser als für Tesla.
Elon Musk, das Genie der Public Relations und der Vermögensbildung zugleich, investiert und desinvestiert – und niemand weiss, warum.
Vielleicht erweist sich ausgerechnet der Prophet der Elektromobilität auch als der Seher, der deren Grenzen als erster erkannt hat.
Oder wie es Niels Bohr, der grosse dänische Physiker, schon vorhersagte:
«Jede Prognose ist sehr schwierig, besonders wenn es um die Zukunft geht.»
Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tag
Markus Somm
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