Somms Memo #67 - Die Initiative gegen Kampfflugzeuge vor dem Absturz
Kampfjet F-35 im Flug.
Warum das wichtig ist: Wenn es ein Thema gibt, wo sich die Zeitenwende ablesen lässt, dann am Streit um neue Kampfflugzeuge. Vor Jahren scheiterte der Gripen, vor kurzer Zeit stimmte das Volk einem neuen Anlauf nur ganz knapp zu. Putin hat alles verändert.
60 Prozent der Schweizer würden jetzt die Initiative gegen die F-35-Kampfflugzeuge verwerfen, das ergab eine aktuelle Umfrage der Tamedia-Zeitungen und von 20 Minuten. Über 12 000 Stimmbürger nahmen teil, die Befragung fand letzte Woche statt. Bloss 34 Prozent würden dem Volksbegehren von GSoA, SP und Grünen zustimmen.
Sogar bei der SP wären es nur 50 Prozent. 42 Prozent ihrer Wähler lehnten sie ebenfalls ab.
Stop der Stop-F-35-Initative?
So unmissverständlich haben sich die Schweizer schon lange nicht mehr für neue Kampfjets ausgesprochen.
- 2020 hiessen bloss 50,1 Prozent neue Militärflieger gut
- 2014 versenkte eine klare Mehrheit, 53,4 Prozent, den Gripen, ein schwedisches Kampfflugzeug
Man muss bis ins Jahr 1993 zurückblenden, um ein ähnlich militärfreundliches Votum für Kampfflugzeuge zu erhalten:
- 57,2 Prozent stellten sich damals gegen die F/A-18-Initiative der GSoA
- Allerdings hatte es die GSoA, die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, fertiggebracht, innert 32 Tagen beinahe 500 000 Unterschriften zu sammeln. Ein Rekord. Für die Linke schmeckte die Niederlage wie ein Sieg<
Ich war damals dabei. Als junges GSoA-Mitglied habe ich in deren Hauptquartier an der Zürcher Quellenstrasse die Unterschriftenbögen an die Gemeinden zur Beglaubigung verschickt, wozu wir sie schön säuberlich, als wären wir die Pöstler des Friedens, nach Postleitzahlen einordneten.
Viele Postleitzahlen im Neuenburger Jura sind mir noch heute vertraut, obwohl ich sonst nie mehr etwas mit ihnen zu tun gehabt hatte: 2400 Le Locle, 2300 La-Chaux-de-Fonds. Nirgendwo war die Initiative auf mehr Befürworter gestossen als in diesen beiden traditionell linken Uhrenstädten.
Wir von der GSoA haben die Niederlage gefeiert, als hätten wir den Krieg für immer besiegt, weil wir uns sicher waren, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. War Krieg nicht undenkbar geworden? Eine neue Zeit, so schien es, fegte alles Böse, alles Überkommene hinweg.
Wir hatten alles, was gestern war, abgeschafft, in der Meinung, was morgen sei, würde nie mehr vergehen.
29 Jahre später fällt Putin, der russische Autokrat, in der Ukraine ein. Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt. Wir haben uns alle getäuscht. Wir glaubten an das Gute, ohne etwas Böses dabei zu denken.
Im Grunde müsste es der Linken deshalb leichtfallen, diese neue Wirklichkeit anzuerkennen. Niemand machte ihr einen Vorwurf. S… happens.
Stattdessen beharren GSoA, SP und Grüne auf ihrer Initiative. Es ist ihr zweiter Versuch, die ungeliebten Kampfflugzeuge in den Sturzflug überzuführen, nachdem das Referendum im September 2020 verloren gegangen war. Inzwischen sind bereits 85 000 Unterschriften beisammen – ein Sonntagsspaziergang bis zum Ziel, so könnte man meinen, doch angesichts der verwandelten Weltlage dürfte die letzte Etappe steil und mühsam werden, als klebte schwerer Lehm an den Füssen der Friedenswanderer.
Mattea Meyer und Cédric Wermuth.
Warum gibt es kein Zurück?
Wenn wir die Geschichte der Linken betrachten, dann gäbe es manche Ansätze, vom pazifistischen Weg ins politische Nirwana abzukommen:
- Die SP war nie pazifistisch. Man lehnte die bürgerlich beherrschte Armee zwar ab, weil man den Bürgerlichen vorhielt, sie im Innern gegen Arbeiter einzusetzen. Dass die Schweiz aber in der Lage sein sollte, sich militärisch zu verteidigen, stand ausser Frage
- Die Pazifisten in der Partei, oft dem religiösen Sozialismus nahe stehend, waren eine kleine Minderheit. Geachtet, aber auch belächelt
- Als in den 1930er Jahren Hitler aufkam und ganz Europa bedrohte, änderte die SP ihre Meinung: man stimmte der Aufrüstung der Schweizer Armee zu
- Nach dem Zweiten Weltkrieg standen alle wichtigen Sozialdemokraten zur Landesverteidigung. Gerade auch Helmut Hubacher, langjähriger Parteipräsident und unerbittlicher Kritiker des EMD, wie das Verteidigungsdepartement damals hiess. Hubacher kritisierte, gewiss, nie hätte er jedoch der Abschaffung der Armee das Wort geredet
- Als 1989 die Armeeabschaffungsinitiative der GSoA zur Abstimmung kam, beschloss die SP Stimmfreigabe
Am vergangenen Wochenende hat die SP im Waadtland abermals die Wahlen verloren. Sie büsste fünf Sitze in einer ihrer mächtigsten Hochburgen ein. Seit den vergangenen Nationalratswahlen ist die SP so gut wie in allen Kantonen bei jeder Wahl untergegangen. Dafür gibt es viele Gründe.
Einer aber liegt an der intellektuellen Unbeweglichkeit der Parteiführung. Man hält am Gestern fest, als ob es nie ein Morgen gäbe. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass die beiden jungen Parteichefs Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) nie und nimmer auf ein altes GSoA-Mitglied (57) hören würden, möchte ich ihnen zu bedenken geben:
Jung sein allein, genügt nicht, um auf frische Gedanken zu kommen. Oder wie es John Maynard Keynes, der berühmte britische Ökonom, einmal gesagt haben soll:
«Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. Und was tun Sie?»
Ich wünsche Mattea und Cédric einen kreativen Tag
Markus Somm
Korrektur: Gestern ist mir ein Fehler unterlaufen. Natürlich sind die Farben der Ukraine blau-gelb, nicht rot-gelb, wie ich geschrieben habe. Zwar bin ich leicht farbenblind (rot/grün, kein Witz), aber so ausgeprägt dann doch wieder nicht.