Printausgabe
So schlafen Sie sich nach oben
Petra Kaster
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Das Streben nach Erfolg eint uns genauso wie der Wunsch, dass der Weg dahin möglichst kurz und unbeschwerlich ist. Niemand hat etwas dagegen, wenn er oder sie auf der Karriereleiter ein paar Sprossen überspringen kann. Doch wie kommt man ohne grossen Aufwand an die Spitze? Um das herauszufinden, müssen wir zusammen ins Bett.
Wenn Sie jetzt an etwas Schlüpfriges gedacht haben, werden Sie enttäuscht sein. Statt vom Beischlaf handelt diese Glosse vom Schlaf. Er ist eines der am besten erforschten Phänomene des menschlichen Verhaltens – und vermag gleichwohl zu überraschen.
So etwa kam eine amerikanische Studie zum Schluss, dass 40 Prozent der Erwachsenen zum Einschlafen ein Stofftier brauchen – und zwar unabhängig davon, ob die Partnerin oder der Partner daneben im Bett liegt. Überhaupt divergieren Schlafgewohnheiten je nach Kultur stark. Das zeigt zum Beispiel die japanische Praxis Inemuri. Der Begriff bedeutet so viel wie «anwesend sein und schlafen». Gemeint ist damit ein Nickerchen in der Öffentlichkeit, also im öffentlichen Verkehr, im Park oder an einer Party.
Im Schlaf nichts verpassen
Sogar bei der Arbeit dösen die Japaner gelegentlich weg. In einer Kultur, die Fleiss ihre oberste Priorität nennt, gilt Inemuri als Zeichen dafür, dass eine Person, obschon müde von der Arbeit, dennoch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchte.
6,7 Stunden Schlaf im Schnitt
Froh sind wir über den Umstand, dass Inemuri in Grossbritannien nicht sonderlich in Mode ist. Schliesslich schläft niemand lieber nackt als die Briten. Und in Spanien halten sie seit tausenden von Jahren sehr gerne mittags eine Siesta – was ein Erklärungsansatz für die späte Einnahme des Abendessens auf der iberischen Halbinsel sein könnte.
Im Schnitt kommt der Mensch auf eine Schlafzeit von 6,7 Stunden. Er liegt damit im Mittelfeld der Säugetiere. Spitzenreiter sind die männlichen Löwen, die um die 18 Stunden am Tag schlafen. Am wenigsten Schlaf brauchen Giraffen, die mit einer Stunde auskommen. Beim Schlaf gilt das Prinzip der Nahrungskette. Je höher man in dieser steht, desto mehr Schlaf gönnt man sich.
Der Löwe hat keine Feinde, und das Futter wird von seinen Weibchen herbeigeschafft. Also döst er. Für die Giraffe hingegen ist jede Minute Schlaf ein Risiko, weil sie sich dazu auf den Boden legt und viel Zeit braucht, um auf die Beine zu kommen. Am Boden ist sie angreifbar.
Müdigkeit kostet Millionen
Was Giraffen und Löwen allerdings von unserer Spezies unterscheidet: Sie gehören keinem Wirtschaftssystem an, ihre schlaftechnischen Entscheidungen haben zumindest keine ökonomischen Konsequenzen. Fakt ist: Müde Menschen kosten die Wirtschaft Millionen. Übermüdet fällt es schwer, klare Entscheidungen zu treffen. 57 Milliarden Euro gehen der deutschen Wirtschaft jedes Jahr durch müde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verloren.
Das Auflaufen des Öltankers Exxon Valdez und die damit verbundene Ölpest konnte ebenfalls auf Schlafmangel zurückgeführt werden, genauso wie die Explosion der US-Raumfähre Challenger. Und auch das Waterloo-Debakel, da sind sich nicht wenige Historiker einig, ist auf Napoleons akute Schlafstörungen zurückzuführen, da der Feldherr, gähnend und grössenwahnsinnig, keine gescheiten Entscheidungen mehr treffen konnte.
Schlafend zum Erfolg
Inzwischen gilt als wissenschaftlich belegt, dass im Schlaf Problemlösungsprozesse ablaufen, Informationen aus der Wachphase neu sortiert und überflüssige Daten gelöscht werden. Das ist wichtig, weil danach das sogenannte Arbeitsgedächtnis, das man für die kurzfristige Entscheidungsfindung braucht, gut funktioniert. Erst nach Tagen oder Wochen werden die Daten aus dem Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis überführt und in der Hirnrinde abgespeichert.
Für den Schlaf gilt also: Mehr ist mehr. Gönnen Sie sich regelmässig Ruhe und Erholung und Sie werden die Welt buchstäblich im Schlaf erobern.