Somms Memo

Sergio Ermotti Superstar. Der UBS – und der Schweiz – konnte nichts Besseres passieren.

image 29. März 2023 um 10:00
Sergio Ermotti, neuer Chef der neuen UBS.
Sergio Ermotti, neuer Chef der neuen UBS.
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Die Fakten: Sergio Ermotti kehrt als CEO zur UBS zurück. Schon am 5. April übernimmt er die Geschäftsführung. Warum das wichtig ist: Das ist eine exzellente Nachricht. Ermotti hat bewiesen, dass er es kann. Er steht für Erfolg, er steht für unser Land. Es war ein Donnerschlag der romantischen Sorte, wie ein Gewitter, das sich an einem drückenden Sommerabend entlädt, das man mit Genugtuung erlebt, wenn nicht als Befreiung:
  • Sergio Ermotti, wohl einer der anerkanntesten Banker seiner Generation, ob in der Schweiz oder weltweit, rückt an die operative Spitze der neuen UBS vor
  • Neun Jahre lang, von 2011 bis 2020, hatte er die Grossbank bereits geleitet – mit Auszeichnung geleitet. Als er abtrat, gab es nichts, was man ihm zum Vorwurf machen konnte, im Gegenteil, seine UBS, die noch 2008 beinahe untergegangen war, befand sich in glänzender Verfassung – und ist es nach wie vor

So gesehen hatte Ermotti den Olymp erreicht, ein Göttervater des Bankings, der bald, 2001, auf den ehrenvollen Posten eines Verwaltungsratspräsidenten der Swiss Re wechselte: Was, das grösser war, stand ihm in seiner Karriere noch bevor?
  • Es dauerte nur zwei Jahre – und dieses Grössere schlug ein wie ein Blitz
  • Überall brannte es lichterloh, und die CS, die Rivalin vom Paradeplatz, versank in Schutt und Asche; vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die UBS sie übernimmt
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Wenn es je eine anspruchsvolle und überlebenswichtige Aufgabe in der Geschichte des schweizerischen Finanzplatzes gegeben hat, dann diese: Die beiden Grossbanken des Landes zusammenzuführen und ihre Existenz und ihren erstaunlichen, mehr als hundertjährigen Aufstieg an die Weltspitze auf lange Sicht zu sichern
  • Was natürlich nicht bloss eine eidgenössische Angelegenheit ist
  • UBS und CS sind seit langem globale Banken, sie gehören zu den Mächtigsten der Welt. Wer sie verbinden will, sieht sich mit einem globalen Challenge konfrontiert
  • Der weit überwiegende Teil ihres Geschäfts spielt sich ausserhalb unseres Landes ab

Vor diesem Hintergrund hatte Colm Kelleher, der Chairman der UBS, völlig recht, als er an der Medienkonferenz vor wenigen Stunden betonte, es handle sich keineswegs um eine «Swiss Solution», vielmehr sei Ermotti mit seiner internationalen Erfahrung einfach der beste Mann
  • Sure. Keine Frage
  • Und doch ist diese Lösung, weil sie eine schweizerische ist, auch eine brillante
  • Es handelt sich um mehr als eine «Nicety», wie Kelleher sagte, um mehr als eine erfreuliche Begleiterscheinung. Auf die Swissness dieser Lösung kommt es an
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In den vergangenen Tagen war die UBS unter Druck geraten, Kritik am Deal von Bundesrat, Nationalbank und Finma wurde laut, Wissenschaftler rümpften die Nase, Journalisten jammerten, und Politiker drohten der UBS allerlei Auflagen an, sollte die Bank sich nicht mässigen.
  • Niemand schien den neuen, angeblichen Monopolisten zu lieben
  • «Vom Zombie zum Monster» titelte die NZZ
  • Und mit einer gewissen Ernüchterung musste die UBS feststellen, dass es ihr nicht alle dankten, dass sie die CS vor dem Konkurs gerettet hatte

Es brodelte und zischte im schweizerischen Dampfkochtopf. Auch ich drang darauf, dass die UBS etwa den Schweizer Teil der CS wieder abstösst, um den Wettbewerb innerhalb unseres Landes zu erhalten (was ich nach wie vor für richtig und nötig halte). Mit der Ernennung von Ermotti hat Kelleher innert kürzester Zeit sehr viel Druck aus dem Dampftopf genommen:
  • Ermotti ist ein Schweizer, nein, ein Patriot, das wissen alle, die ihn gut kennen. Er liebt sein Land – auch wenn er in der Welt zuhause ist
  • Wenn es jemanden gibt, der sich zwischen Finanzplatz und Bundesbern souverän bewegen kann, dann Ermotti. In den kommenden Monaten hängt viel davon ab, globales Geschäft hin oder her. Für geraume Zeit ist Bern fast genauso wichtig wie New York, London oder Singapur
  • Schliesslich durchschaut er auch die beiden Banken wie kaum ein Zweiter. Besonders für die vielen CS-Mitarbeiter bedeutet Ermotti eine keinesfalls zu unterschätzende Aussicht auf Beruhigung
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Kurz, er verströmt Vertrauen. Ihm wird zugetraut, dass er nicht besinnungslos Banken ausräumt. Wer die Schweizer Politik versteht, und Ermotti gehört dazu, ist sich bewusst, wie wichtig die mehr oder weniger reibungslose, gelegentlich sicher auch schmerzhafte Erneuerung der beiden Banken ist. Zumal wir in wenigen Monaten ein neues Parlament wählen. Wird entlassen, und das ist unumgänglich, dann muss das geschickt vollzogen werden, menschlich, sozial, rasch, und immer schweizerisch. Ansonsten die Politiker (und manche Journalisten) die neue UBS hassen und bekämpfen, bevor sie auch nur entstanden ist. Mit anderen Worten, Colm Kelleher, der Ire, hat sich schnell zum gelernten Schweizer verwandelt. Was immer ihn alles dazu bewogen hat, Ermotti anzusprechen: Es war ein Geniestreich. Womöglich liegt es daran, dass der Ire die Schweizer instinktiv begreift:
  • Bei beiden handelt es sich um einen verschlossenen und zurückhaltenden Menschenschlag, auch wenn Iren und Schweizer gerne reden, sobald sie jemanden lange genug schweigend beobachtet haben. Das kann Stunden dauern
  • Schweizer und Iren sind typische Kleinstaatler, die sich stets vor grossen Nachbarn in Acht zu nehmen hatten. Misstrauen überwiegt, Realismus war stets angezeigt

Zwar stammt Ralph Hamers, der UBS-CEO, der jetzt Ermotti weichen muss, aus Holland. Auch keine Grossmacht, und doch ist er in der Schweiz nie heimisch geworden. Kelleher muss schon bald zu diesem Schluss gekommen sein. Als die UBS in den vergangenen zwei Wochen in Bern mit den Behörden verhandelte, war Hamers, wie man hört, kaum je dabei. Es traten Kelleher auf und Lukas Gähwiler, der schweizerische Vizepräsident des Verwaltungsrates. Nirgendwo im Bernerhof oder sonstwo in Bern wurde Hamers gesichtet. Hatte Kelleher ihn zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben? Kelleher, der Schweiz-Versteher. Für Ermotti, und das ist zu anerkennen, steht viel auf dem Spiel.
  • Sein Ruf ist hervorragend – er kann ihn erhalten oder verbessern, wenn das auch kaum möglich scheint
  • Er kann ihn aber auch einbüssen, sollte die neue UBS Anleger, Kunden, Mitarbeiter und uns Schweizer enttäuschen

Ohne jeden Zweifel hat Ermotti dieses Himmelfahrtskommando nicht gesucht. Es kann ihn buchstäblich in den Himmel bringen – oder in die Hölle. Dass er sich dafür zur Verfügung stellt, kann man ihm nicht hoch genug anrechnen. Ein Patriot gibt seinem Land zurück, was er diesem alles verdankt. Macht er es gut – und ich bin überzeugt davon – dürfte er zum grössten Tessiner seit Giuseppe Motta (1871-1940) aufsteigen, dem langjährigen, legendären Bundesrat und Aussenminister der Schweiz. Wir wünschen ihm alles Gute – und meinen es, im Sinne von Friedrich Schiller: «Die Weltkugel liegt vor ihm offen, Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.» Ich wünsche Ihnen einen erfreulichen Tag Markus Somm

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