Zum Jahresende
Sechs dumme Ideen von 2022 – und warum sie scheitern werden
Portrait von Wladimir Putin in der von ukrainischen Truppen zurückeroberten Stadt Kherson. (Bild: Keystone)
Das vergangene Jahr hat nicht nur den Krieg zurück nach Europa gebracht, sondern auch andere Entwicklungen, die zum Scheitern verurteilt sind – zumindest so lange es Widerstand dagegen gibt. Hier die Liste, die auf ein Jahr der Fehlentwicklungen zurückblickt, aber auch Mut macht:
1. Ein Land angreifen, weil es unabhängig sein will
Wladimir Putin hat im Februar die Ukraine angegriffen und versucht, die ukrainische Regierung mit Gewalt zu stürzen. Er ist bis jetzt an der Widerstandskraft der Ukrainerinnen und Ukrainer und der westlichen Waffenhilfe gescheitert. Was als «Spezialoperation» von wenigen Tagen konzipiert war, dauert nun schon bald ein Jahr.
Die Ukraine will unabhängig sein. 1991 stimmten 90 Prozent für die Abtrennung von der Sowjetunion, selbst im russisch geprägten Bezirk Donezk waren es 77 Prozent. Eine Woche später unterzeichneten die Präsidenten Russlands, Weissrusslands und der Ukraine einen Vertrag zur Auflösung des sowjetischen Imperiums. Es folgten völkerrechtliche Verträge, in denen Russland die Ukraine als unabhängigen Staat anerkannte (zum Beispiel 1994). Der russische Angriff ist ein Angriff auf die zivilisierte Welt, in der Probleme diplomatisch und mit Verträgen gelöst werden. Er ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass sich die Ukraine ab 2004 von Russland ab- und dem Westen zuwandte.
Die Unfähigkeit von Putins Russland, sich vom imperialistischen Erbe der Sowjetunion zu befreien, ist die eigentliche Ursache für den Krieg. Wenn die Ukraine Territorium abtritt, wird die imperialistische Mentalität weiterleben. Russlands Niederlage im Krimkrieg (1853-56) führte zur Emanzipation der Leibeigenen. Die Niederlage im Russisch-japanischen Krieg (1904-05) führte zu Russlands erster Verfassung. Die nächste Niederlage wird Russland von seiner imperialen Vergangenheit befreien. Darum ist der ukrainische Widerstand auch für Westeuropa wichtig.
2. Eine riesige Solaranlage bauen, die ausser Kosten nichts bringt
Visualisierung des projektes «Grengiols Solar». (Bild: IG Saflischtal)
Am 2. Februar veröffentlichte die «Rote Anneliese», das Kampfblatt von ex-SP-Parteipräsident Peter Bodenmann, auf vier Seiten das Projekt «Grengiols Solar». In einem abgelegenen Hochtal der Gemeinde sollen 5,61 Quadratkilometer oder gut 700 Fussballfelder mit 800’000 (!) zweiseitigen Solarpanels bestückt werden. Sie sollen auf vier Meter hohen Stelzen stehen, damit sie im Winter aus dem Schnee ragen. Die Anlage hätte theoretisch eine Leistung von 1000 Megawatt – ungefähr so viel wie das Kernkraftwerk Gösgen. Sie rechnet sich jedoch nur, wenn die öffentliche Hand bis zu sechzig Prozent der Investitionskosten übernimmt – und wenn wie in der Roten Anneliese weder Bau- noch Installations- oder Transportkosten sauber eingerechnet werden. Bereits verwirklichte Projekte sind defizitär und ineffizient.
Das Projekt hat trotz des Absenders und allen sachlichen Bedenken von Fachleuten zum Trotz einen Hype um Solaranlagen in den Bergen ausgelöst, dank dem der Ständerat sogar verfassungsrechtliche Einwände über Bord geworfen hat. Das hat polit-psychologische Gründe: Die Solarprojekte in den Bergen ermöglichen es den Dogmatikern der eigentlich gescheiterten Energiestrategie 2050 weiterhin davon zu träumen, dass es keine Grosskraftwerke braucht, um die entstehende Stromlücke zu schliessen.
Dabei wird ausgerechnet von jenen Akteuren eines der letzten intakten Hochtäler der Alpen verschandelt, die jahrzehntelang jeden noch so kleinen Ausbau der Wasserkraft wegen Landschaftsschutz bekämpft haben. In der Region regt sich Widerstand gegen das Projekt. Die Solarpanels müssten mit Zehntausenden von Kubikmetern Beton im Boden verankert werden, welche die Landschaft für immer zerstören würden.
Sogar wenn die Anlage irgendwann stehen sollte, kann der Strom noch auf Jahre hinaus nicht abtransportiert werden. Die bis Ende Jahr angekündigte Machbarkeitsstudie ist noch nirgends zu sehen, ebenso wenig die angekündigte Umweltverträglichkeitstudie und eine Wirtschaftlichkeitsrechnung. Einzig eine Testanlage mit sechs (!) Solarmodulen wurde aufgebaut. Der Widerstand wird es zwar schwer haben, weil dessen rechtliche Möglichkeiten eingeschränkt wurden. Aber am Schluss triumphiert in der Energiepolitik immer die Physik.
3. Sich wegen der «Klimakrise» auf die Strasse kleben
Klima-Aktivist kurz nach dem Ankleben der Hand auf Asphalt. (Bild: Keystone)
Es sind bezahlte Aktivisten, die ihre angebliche moralische Überlegenheit öffentlich inszenieren und sich auf die Strasse kleben oder in Museen Kunstwerke beschmieren. Das Geld stammt ironischerweise zum Teil aus dem Ölgeschäft – und aus dem Ausland. Ihr Aktivismus läuft nach Drehbuch ab. Sie kleben sich erst fest, wenn die Polizei auftaucht. Die muss sie dann mühsam von der Strasse lösen. Manchmal geht das nur mit einem Bohrhammer.
Die Vermarktung durch willfährige Medien ist professionell organisiert und läuft wie geschmiert. Dort platzieren die Aktivisten dann ihre politischen Forderungen. Dabei übersehen sie, wie das politische System der Schweiz funktioniert. Wer hierzulande etwas will, hat politische Rechte – und er muss irgendwo, zum Beispiel im Bundesrat, im Parlament, oder beim Stimmvolk eine Mehrheit für sein Anliegen finden. So geht Demokratie. Es genügt nicht, ein paar Politiker zu überzeugen, die gerade an der Macht sind. Wir sind keine Diktatur einer militanten Minderheit.
Da hilft auch die Panikmache nichts, auf der die Aktionen beruhen und die sich längst totgelaufen hat. Noch vier Jahre Zeit hätten wir, schreibt die Klimastreikjugend. Eine Quellenangabe für die Behauptung bleibt sie schuldig. Bei Greta Thunberg waren es 2019 noch zwölf Jahre. Nimmt man die Ankündigungen aus der Vergangenheit ernst, müssten wir längst tot sein: Al Gore sagte 2007, wir hätten nur noch zehn Jahre Zeit.
Die Tatsache ist, dass sich das Klima wandelt – und es ist durchaus möglich, dass der Mensch darauf einen Einfluss hat. Tatsache ist aber auch, dass wir weder in vier noch in vierzig Jahren daran sterben werden. Eine Klimakatastrophe ist unwahrscheinlich. Auch wenn sie – mittlerweile von oben verordnet – herbeigeschrieben wird. Und wenn uns wirklich etwas die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft bringt, dann sind es Leute, die in Studierzimmern und in innovativen Unternehmen sitzen, nicht auf der Strasse. Auch dieser Aktivismus wird sich an der Realität aufreiben.
4. Anderen verbieten zu sagen, was sie sagen wollen
Mussten das Konzert abbrechen wegen den Rastalocken eines Bandmitglieds: Lauwarm. (Bild: Keystone)
Rastafrisuren, Mohrenköpfe, ausgeladene Kabarettisten, abgesagte Konzerte, gelöschte oder boykottierte Bücher: Die «Cancel Culture», die Unart, Menschen und Dinge zu verbieten, die einer Minderheit aus irgendeinem Grund nicht passen, war 2022 präsenter denn je zuvor. Praktiziert und eingefordert wird sie ausgerechnet von jenen, die sich sonst für Menschenrechte aussprechen, aber offenbar übersehen, dass die Meinungsäusserungsfreiheit ebenfalls dazu gehört. Womit geklärt wäre, dass sie immer dann von Menschenrechten nicht viel halten, wenn sie ihrer Ideologie entgegenstehen.
Will der Westen, die offene Gesellschaft, überleben, muss sie diese Tendenzen abwehren, ja bekämpfen. Wenn sich private Institutionen so gebärden, ist das deren Sache. Der Staat hat die freiheitliche Gesellschaft zu verteidigen. Lehrer, Professoren und Rektoren, die Cancel Culture unterstützen oder zulassen, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Subventionen undn Leistungsvereinbarungen sind an die Einhaltung der Meinungsäusserungsfreiheit zu binden. So wird das Phänomen eine Attitüde der links-grünen «Bubble» bleiben – und die mit gesundem Menschenverstand gesegnete Mehrheit darf sich darüber lustig machen.
5. Anderen vorschreiben, wie sie etwas zu sagen haben
Überall provinziell, aber beim Gendern gerne Vorreiterin: Zürichs Stadtpräsidentin Corinne Mauch. (Bild. Keystone)
Die Gleich:in (oder so…), die vorschreiben wollen, was noch gesagt werden darf, wollen auch vorschreiben, wie das gesagt (und geschrieben) werden muss. «Gendern» ist in deutschen Texten und vor allem dort angekommen, wo links-grüne Ideologie wichtiger ist als korrekte und lesbare Sprache. Als Vorreiterin inszeniert sich dabei Zürichs Stadtpräsidentin Corinne Mauch. Man wird den Verdacht nicht los, sie wolle so ihre Provinzialität und ihre Erfolg- und Ideenlosigkeit kaschieren.
Nachdem wir in den Neunzigern das Binnen-I, dann in den Nullerjahren den Unterstrich überlebt haben, will man uns nun den Doppelpunkt und/oder das Sternchen aufzwingen. Und die mehr oder weniger passenden Pronomen müssen auch her, um sogenannte «Mikroagressionen» zu vermeiden. Man darf guter Dinge sein, dass sich die Sprache zwar wandelt, dass aber die Versuche, derartige Sprache aufzuzwingen, scheitern werden. Entscheidend ist der Widerstand des gesunden Menschenverstandes an drei Fronten: In der Schule, in den (öffentlichen) Medien und in den Verwaltungen.
Diesen Widerstand gibt es, zum Beispiel in Basel. In Zürich windet sich die Bildungsdirektorin. Sie will es sich mit ihren Beamten nicht verscherzen, aber auch wieder gewählt werden will. Eine breit abgestützte Initiative will den Aktivismus der links-grünen Stadt unterbinden. Selbst die Leser des Tages-Anzeigers weigern sich, bei diesem Unfug mitzumachen. Auch Sprachvorschriften sind ein Eingriff in das Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit. Genau darum ist Widerstand nötig.
6. Anderen das Leben und Arbeiten verbieten
Die Schliessung der Gastronomie traf die Wirte besonders hart. (Bild: Keystone)
Zugegeben. Dieser letzte Punkt auf der Liste der Ideen aus 2022, die im neuen Jahr keine Zukunft haben, stammt eigentlich aus den Jahren zuvor. Im Jahr 2020 und 2021 und bis in den April des ablaufenden Jahres gab es teilweise einschneidende Corona-Massnahmen, insbesondere die verordnete Einschränkung oder gar Schliessung von ganzen Branchen, unter anderem der Gastronomie. Diese «Shutdowns» oder im Ausland gar «Lockdowns» von ganzen Landstrichen waren im März 2020 noch dem weitgehenden Unwissen über das Virus geschuldet.
Dass sie jahrelang das Leben der Bevölkerung und das Wirtschaftsgeschehen bestimmen, war falsch und 2022 ist dies manchem klar geworden, der die Massnahmen früher befürwortet hat. Offen dazu stehen mag kaum jemand. Mittlerweile gibt es wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Lockdowns nicht das gebracht haben, was man sich erhofft hatte. Und vor allem: Die Gefahr ist von Variante zu Variante schwächer geworden. Wir dürfen zuversichtlich sein, dass derartige Massnahmen nicht mehr so schnell beschlossen werden.
Das beste Anschauungsbeispiel bietet zur Zeit China, das Land, welches wie kein anderes ein autoritäres Corona-Regime eingeführt hat – so wie es hierzulande auch ein paar Experten voller Bewunderung für die fernöstliche Diktatur gefordert haben – die jetzt vollkommen verstummt sind.
China hat mit seinem Lockdown die Pandemie zwar weitgehend angehalten, holt sie nun jedoch mit aller Wucht nach. Der abrupte Wechsel von einer Null-Covid-Strategie auf eine Durchseuchung der 1,4 Milliarden Chinesen bringt allein in einer kleinen Provinz im Süden Shanghais eine Million Fälle – pro Tag. Die chinesische Propaganda kann den Zusammenbruch des Gesundheitssystems nicht mehr verbergen.
Das Land ist so zum perfekten Ort für neue Varianten geworden – und damit zu einer Gefahr für eine neue Pandemie. Dass mit der chinesischen Corona-Politik nicht nur der Unnutzen von Lockdowns unterstrichen wurde, sondern auch gleich die Reputation der gefährlichsten Autokratie der Welt zerstört wird, das nennt man einen «Kollateralnutzen».
Es wird also alles besser im neuen Jahr, zumindest so lange wir für Freiheit, Rechtsstaat und eine offene Gesellschaft eintreten. Auf den Nebelspalter können Sie dabei zählen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Liebsten persönliches Glück, Erfolg und Sinn im neuen Jahr.