Unternehmer
Schlafwohl-CEO Suter: Vom VW-Bus zum grössten Bettenfachgeschäft der Schweiz
In der ersten Schlafwohl-Filiale in Zürich empfängt Jürg Suter seine Kunden. (Bild: Nils Hinden)
Vor 20 Jahren gründete Jürg Suter (49) zusammen mit zwei ETH-Ingenieuren eine Firma, ohne eine Geschäftsidee zu haben. «Wir wollten einfach Unternehmer sein», sagt Suter im Gespräch mit dem «Nebelspalter» und lacht.
Was für einige Verwunderung im Umfeld sorgte, ging voll auf. Die drei Freunde sind heute Besitzer des erfolgreichen BettenfachgeschäftsBettenfachgeschäftes Schlafwohl, dessen CEO Jürg Suter ist. Schlafwohl gibt inzwischen 37 Mitarbeitern einen Job und betreibt schweizweit elf Filialen – Tendenz steigend. Der «Nebelspalter» hat den leidenschaftlichen Unternehmer in der ältesten Schlafwohl-Filiale in Zürich getroffen.
Er baute ein Bett und hatte die Idee
Suter hatte schon immer den Hang zum Wagnis: Nach der Firmengründung trennte sich Suter von seiner damaligen Freundin, verkaufte sein Auto und kündigte auch seinen gut bezahlten Job als Marketingplaner. Er habe Ballast abwerfen müssen, um All-In zu gehen, so Suter. Schliesslich reiste er mit 21 Büchern im Gepäck für sechs Wochen nach Thailand und hoffte, etwas befreiter und belesener wieder nach Hause zu kommen.
Zurück in der Schweiz, konstruierte er das Bett für seine neue Wohnung. Zu seiner Verwunderung sorgte seine Konstruktion bei seinen Freunden für Begeisterung. Da war sie, die Geschäftsidee.
Gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern machte er das Bett serientauglich. Bereits nach ein paar Monaten gaben sie die ersten 100 Betten zur Serienfertigung in Auftrag.
VW-Bus als Ausstellungsfläche
Mangels finanzieller Mittel und um nah bei den Kunden zu sein, bauten sie einen VW-Bus zur mobilen Verkaufsfläche um. Mit ihrem frechen und unerfahrenen Auftreten erhielten die Bettenbauer schon bald Aufmerksamkeit von der Presse.
Der VW-Bus diente als mobile Verkaufsfläche (Bild: Nils Hinden)
Dabei griff Suter auch zu unkonventionellen Methoden: Einst schrieb er eine Medienmitteilung zu einem neuen Bett und verzweifelte daran. Als ausgebildeter Marketingplaner wusste er, dass ein neues Bett eigentlich niemanden interessiert.
Also beschloss er kurzerhand, die Pressemitteilung kreativ aufzuwerten: «Ich erfand ein Kondom-Katapult.» Dieses, so schrieb er an die Medien, könnten seine Kunden in ihr Bett einbauen. Eine entsprechende Animation integrierte er ebenfalls.
Zum Erstaunen Suters griffen «20 Minuten» und «Blick» die Geschichte auf. Plötzlich wollten Kunden das Kondom-Katapult haben. Damit hatten die Jungunternehmer nicht gerechnet. Das Katapult existierte nur in ihren Köpfen. Nun mussten sie improvisieren. Als Suter in der Not seinem Vater davon erzählte, erklärte sich dieser kurzerhand dazu bereit, zusammen mit einem Freund das Kondom-Katapult zu konstruieren. «Der Freund meines Vaters hat Nachtschichten eingelegt», erzählt Suter. Es habe sich gelohnt. Das Katapult konnte einige Male verkauft werden, und die Fake-Story wurde somit korrigiert.
Top-Marken
Schon bald wurde der Platz im VW-Bus zu eng für die aufstrebenden Jungunternehmer. Doch das Geld für ein eigenes Geschäft fehlte noch immer. Um den nötigen Kredit von der Bank zu erhalten, verpflichteten sich die Geschäftspartner zur Solidarbürgschaft. Was nach einem grossen Risiko klingt, sei keines gewesen: «Ich hatte nicht viel zu verlieren und weil ich Single war, konnte ich niemanden mit hinunterreissen, falls es schief gehen würde», so Suter.
Gross war der Kredit aber nicht: Es reichte für ein Mini-Geschäft mit einer Verkaufsfläche von 60 Quadratmetern in Zürich-Albisrieden. «Wir hatten lediglich Platz für vier Betten», so Suter. Das war im Jahre 2006.
Mit ihrem orangenen Anstrich sticht die älteste Schlafwohl-Filiale heraus. (Bild: Nils Hinden)
Rund 20 Jahre später ist aus dem Start-up das grösste Bettenfachgeschäft der Schweiz geworden. Besonders stolz ist Suter darauf, dass die Markenpartner über all die Jahre dieselben geblieben sind: Tempur, Riposa, Bico und Superba. Die letzten drei Unternehmen stellen ihre Produkte noch in der Schweiz her. Darauf legt Suter viel Wert. Mit den Besitzern sei über die Jahre eine freundschaftliche Beziehung entstanden.
Das ist das Konzept von Schlafwohl: Top-Marken und umfassender Service. Dazu gehört auch, dass die Kunden die Matratzen zu Hause testen können. Das gibt die nötige Sicherheit für die nicht ganz günstige Investition.
Damit will man vor allem Kunden ab 30 Jahren ansprechen, die sich eine neue, bessere Matratze gönnen: «Als ich 20 Jahre alt war, habe ich auch noch keine Matratze für 1500 Franken gebraucht», so Suter. Dies würde sich aber mit zunehmendem Alter oder körperlichen Beschwerden ändern. Ihnen will Schlafwohl zum schonenden und bequemen Schlaferlebnis verhelfen. Zu diesem Zweck arbeitet das Unternehmen seit Anbeginn eng mit Physiotherapeuten zusammen. Durch die Positionierung im oberen Qualitätssegment sind die grossen Möbelhäuser keine Konkurrenz für Schlafwohl.
Führen mit Vertrauen
Suter ist bei Schlafwohl auch für das Marketing und den Betrieb verantwortlich. In dieser Rolle trage er die Verantwortung für den Geschäftserfolg der Firma. «Wenn wenig Kunden in den Laden kommen, dann bin ich dafür verantwortlich und nicht unsere Mitarbeiter.» Dieses Selbstverständnis widerspiegelt sich auch in den Löhnen der Angestellten: Seine Mitarbeiter hätten hohe Fixlöhne und überschaubare Boni.
Während Suter den Hang zum Risiko hat, fährt er mit dem Unternehmen inzwischen einen konservativen Kurs. «Wir arbeiten ausschliesslich mit eigenen finanziellen Mitteln.» Mit fremdem Geld schnell zu wachsen, kommt ihm nicht in den Sinn. «Wir bevorzugen ein gesundes Wachstum.»
Fixlöhne, Teamgeist und Vertrauen
Sein Führungsstil basiert auf Vertrauen: «Wir kontrollieren unsere Mitarbeiter nicht ständig.» Er ist überzeugt, dass diese einen guten Job machen. Dass diese Führungsphilosophie ausgenutzt werde, glaube er aber nicht, so Suter.
Suter, ein Verfechter der freien Marktwirtschaft, propagiert firmenintern Teamgeist statt Wettbewerb. «Ich will kein Konkurrenzdenken zwischen den Filialen», so Suter. Besonders wichtig sind ihm Werte wie Selbstbestimmung und Loyalität.
Auf dem Arbeitsmarkt scheint dieses Gesamtpaket gut anzukommen: «Wir haben kaum Schwierigkeiten, gute Leute zu finden und haben eine sehr geringe Fluktuation bei unseren Mitarbeitern», so Suter. Doch das hat ihn nie daran gehindert, vorwärtszukommen: Suter ist ein Optimist, wenn er etwas will, dann probiert er es, bis es geht. Die allgegenwärtige Opferkultur nerve ihn sehr.
Als er noch Metallbauer war, nahm er einen Job in Norwegen an, wo er nach drei Monaten in einer Bar einen einheimischen Uniprofessor antraf. Dieser staunte nicht schlecht, weil Suter nach nur drei Monaten im Land fliessend norwegisch sprach. Er riet ihm, etwas aus seinem Talent zu machen und ein Studium zu beginnen.
Jürg Suter im Gespräch mit dem «Nebelspalter» in einer seiner Filialen. (Bild: Nils Hinden)
Das motivierte Suter und weckte dessen Wissensdurst: Noch in Norwegen begann er leidenschaftlich zu lesen und wieder zurück in der Schweiz beschloss er, die Handelsschule und die höhere Fachschule für Tourismus in Samedan zu besuchen. Dort sei er als Metallbauer ein Exot unter den Touristiker gewesen.
Später fand er einen Job bei einer Online-Jobbörse, die in drei Jahren mehrmals übernommen wurde. In dieser Zeit habe er viel darüber gelernt, wie man ein Unternehmen nicht führen sollte, sagt Suter. Er war unzufrieden: Bei einem Ausflug nach Sent, Graubünden, mit Freunden, denen es ähnlich ging, hätten sie sich entschlossen, gemeinsam eine Firma zu gründen. Aus diesem Grund heisst die Firma hinter Schlafwohl auch «Insent AG». Wenn Suter das so erzählt, spricht er nur über das Positive. Auch in Rückschlägen sieht er Gutes.
«Es hat mir geholfen, dass ich all diese Erfahrungen machen durfte», sagt Suter im Rückblick. Und weiter: «Ich bereue grundsätzlich nichts.» Suter nervt, wer immer nur das Negative gesehen wird. Mit dieser Einstellung blickt er auch auf die Schweiz: «Wir sind viel freier als unsere Nachbarländer.» Es sei aber wichtig, diese Unabhängigkeit zu bewahren.
Der Beobachter spürt: Suter ist zufrieden mit sich und der Welt: «Ich möchte nichts anderes machen», sagt er über seinen Job. Ermöglicht, dass er nun an diesem Punkt stehe, hätten auch seine beiden Geschäftspartner Stephan Villiger und Balz Lingg, betont Suter immer wieder. Die beiden Freunde hätten ihm immer den Rücken freigehalten.