Bundeshaus-Briefing #16

Sammelklagen, Gesundheitspolitik, CO₂-Gesetz

image 1. Juli 2023 um 04:00
Der neue Staatssekretär Alexandre Fasel am Mittwoch vor den Medien. (Bild: Keystone)
Der neue Staatssekretär Alexandre Fasel am Mittwoch vor den Medien. (Bild: Keystone)
Willkommen zum Bundeshaus-Briefing Nummer 16 des Nebelspalters. Hier erfahren Sie, was den neuen Staatssekretär im Aussendepartement umtreibt und was nächste Woche hinter den Kulissen des Bundeshauses besprochen wird.
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Die wichtigsten drei Themen:
  • eine Vorlage, die in der Schweiz Sammelklagen möglich machen will.
  • mehrere Geschäfte, welche die Gesundheitskosten senken sollen.
  • ein neues CO₂-Gesetz mit noch mehr Subventionen und möglicherweise trotz anderslautenden Beteuerungen neuen Abgaben.

Hinweis: Das Bundeshaus-Briefing gibt es auch als Podcast. Jetzt hier reinhören.

Das gibt zu reden

Alexandre Fasel, so heisst der neue Staatssekretär im Aussendepartement (EDA). Zuletzt waren andere Namen herumgeboten worden, doch Bundesrat Ignazio Cassis hat den 62-Jährigen schliesslich darum gebeten, das schwierige Amt anzutreten.  Fasel wird nicht nur für das EU-Dossier zuständig sein, sondern den ganzen Apparat im EDA führen. Ein Herkules-Aufgabe, die jedoch ausser ihm nur wenigen Diplomaten zuzutrauen ist. Er werde sich nicht zu «Substanz- und Verfahrensfragen» äussern, sagte Fasel nach seiner Ernennung. Zwei Äusserungen blieben dennoch haften:
  • «Das Schweizer System ist die konstante Suche nach dem Gemeinsamen in einem sehr diversen Land. Und es ist eine Tatsache, dass man den Tisch und die Verhandlungen nie verlässt.»

  • «Ich werde den ganzen, reichhaltigen Fundus an Erfahrungen und Kompetenz des EDA und aller seiner Mitarbeiter voll zum Tragen bringen.»

Meine Beurteilung: Genau besehen widersprechen sich die beiden Aussagen. Die «konstante Suche» muss auch mit Erfahrungen und Kompetenzen geschehen, die nicht im EDA sind. Einer der grössten Fehler der letzten zehn Jahre Aussenpolitik war, dass man an der Bundesgasse nur in den eigenen Kreisen diskutiert hat. Aussenstehende wurden nur dann hinzugezogen, wenn ihre Meinung den Überlegungen des EDAs entsprach. Der «Fundus» ist grösser als das EDA und die «konstante Suche» braucht auch andere Ideen: ein Andocken an EWR-Institutionen zum Beispiel, ein Freihandelsabkommen, wie es die EU Kanada gewährt hat oder ein Mitmachen beim grössten Freihandelsraum der Welt, dem CPTPP.

Was nächste Woche aktuell wird

Der Bundesrat ist bereits im Sommermodus. Die Landesregierung verreist: Alber Rösti besucht den Transportministerin Rom, Guy Parmelin reist nach Brasilien und Ignazio Cassis nach Kasachstan, Usbekistan und Pakistan. Die Kommissionen des Parlamentes arbeiten noch. Zum Beispiel die Rechtskommission des Nationalrates. Sie berät am Montag eine Änderung er Zivilprozessordnung, die Sammelklagen ermöglichen würde. Das Bundesamt für Justiz hat für ein Gutachten ausgerechnet die österreichische Juristin Tanja Domej ausgewählt, die sich bereits für Sammelklagen ausgesprochen hat. Und für die Regulierungsfolgenabschätzung wurde kein einziges Unternehmen befragt.  Meine Beurteilung: Das Geschäft bedroht den Standort Schweiz wie kaum eine andere Vorlage in dieser Legislatur. Weil man nicht ein bisschen Sammelklagen erlauben kann, sollte die Kommission ganz auf Sammelklagen verzichten. Es ist auch ein Test, ob die bürgerlichen Parteien für das Erfolgsrezept des Landes zusammenhalten. Auch die Sozial- und Gesundheitskommission des Nationalrates arbeitet noch. Sie beugt sich über die einheitliche Finanzierung von Leistungen, die stationär im Spital oder ambulant bei Ärzten erbracht werden, um Fehlanreize zu verhindern. Ambulante Leistungen sind günstiger, aber weil sie voll von den Krankenkassen bezahlt werden, steigen dadurch die Prämien mehr als sie eigentlich müssten. Seit zwanzig Jahren ist das bekannt. Jetzt könnte es klappen, diesen Fehlanreiz loszuwerden. Auch Alain Bersets zweites Kostendämpfungspaket kommt in die Kommission. Die Vorlage bringt aber vor allem runde Tische und noch mehr Regulierung im Medikamentenbereich.  Interessanter, aber auch umstrittener ist ein Vorstoss des Walliser FDP-Nationalrates Philippe Nantermod. Er möchte bei den Krankenkassen dreijährige Verträge mit Versicherten zulassen. Das würde die Administrationskosten und die Prämien senken – und einen Anreiz für die Versicherten schaffen, langfristig auf die Gesundheit zu achten.    Meine Beurteilung: Anpassungen am System und die Beseitigung von Fehlanreizen haben es schwer und brauchen Jahrzehnte. Aber sie werden mehr bringen, als das gesetzgeberische Klinklein aus der Küche des noch amtierenden Gesundheitsministers. 
Die Umweltkommission des Ständerates berät das nächste CO₂-Gesetz. Eigentlich wollte der Ständerat die Vorlage schon in der Sommersession besprechen. Das Geschäft wurde dann verschoben. Die Frage ist, welche Massnahmen das Parlament in die Vorlage schreibt, nachdem die Befürworter des Netto-Null-Ziels bis 2050 im Abstimmungskampf betont haben, es brauche keine Verbote und Steuern. Der Bundesrat hat eine Vorlage ohne neue Abgaben verabschiedet, dafür zusätzliche Subventionen vorgeschlagen. Bundesrat Albert Rösti warnt davor, das Gesetz zu überladen. Links-grün wollen aber allerlei Ladenhüter wieder bringen, zum Beispiel eine Flugticket-Abgabe. 

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Warnt davor, beim CO₂-Gesetz wieder Gebühren und Steuern einzubauen: Bundesrat Albert Rösti. (Bild: Keystone)
Meine Beurteilung: Die Schweizer Klimapolitik bleibt ein K(r)ampf, besonders weil die Befürworter von Massnahmen sich nicht getrauen, die harten Steuern und Verbote zu beschliessen, die es für Netto-Null bräuchte. Es sind bald Wahlen. Und eine eigenständige Klimapolitik von rechts gibt es immer noch nicht. 
Die Wissenschaftskommission des Ständerates berät zahlreiche Vorstösse zum Forschungsprogramm Horizon 2030. Seit die EU die Schweiz aus dem Programm geworfen hat, befürchten Universitäten, dass sie in Sachen Forschung abgehängt werden. Viel passiert ist jedoch nicht. Ein Exodus von Forschern ist nicht zu verzeichnen. Schweizer Wissenschaftler erhalten die finanziellen Mittel einfach aus Bern statt aus Brüssel und an der Spitze eines Projektes muss nun ein Forscher aus der EU installiert werden.  Meine Beurteilung: Die einseitige Fokussierung der Universitäten auf die gar nicht so gute Forschung in der EU ist sowieso ein Problem. In den Rankings brilliert nur die ETH Zürich, die sich – ausser im Rektorat – durch Weltoffenheit statt Europhilie auszeichnet. 

Zu achten ist auf:

  • Auf die bürgerlichen Mitglieder in der Rechtskommission des Nationalrates (Liste): Schaffen sie es, sich zusammenzuraufen und die Sammelklagen abzulehnen?
  • Umweltpolitiker des Ständerates (Liste): Bleiben sie beim CO₂-Gesetz auf dem Kurs des Bundesrates oder brechen sie die Versprechen aus dem letzten Abstimmungskampf?

Was sonst noch läuft

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates bespricht zwei im Nationalrat beschlossene Vorstösse. Zum einen soll die Geschäftslast verringert werden. Der Zürcher SVP-Ständerat Gregor Rutz fordert, dass mindestens in der zum Abbau von Vorstössen eingerichteten Sondersession keine neuen Vorstösse mehr eingereicht werden dürfen. 2022 wurden mehr neue Ideen eingereicht als abgearbeitet, wie der «Nebelspalter» aufdeckte. Da die Ständeräte sowieso weniger Vorstösse einreichen, hat die Idee intakte Chancen.  Und der Berner Mitte-Nationalrat Heinz Siegenthaler möchte einen zusätzlichen Feiertag am 12. September, um der Bundesverfassung von 1848 zu gedenken. Es ist zu hoffen, dass die Ständeräte sich an die gutschweizerische Eigenart erinnern, dass wir (ge)denken können, auch wenn wir tagsüber arbeiten müssen. 
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Da nach der kommenden Woche der Politbetrieb einschläft, bekommen Sie erst im August wieder Post von mir.  Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und alles Gute!

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